Karlovy Vary – Schmuckstück in Böhmen

Karlovy Vary
Parade der k.u.k.-Architaktur im Zentrum von Karlsbad, das in der Landessprache Karlovy Vary heißt. – Foto Katharina Büttel

Karlovy Vary – Karlsbad – ist Tschechiens wichtigste Spa-Stadt, Anziehungspunkt für Literaten, Künstler und Politiker – und ein Schmuckstück, eingebettet in den reizvollen Kaiserwald. Das weiß nicht nur die feine Gesellschaft – auch Normalsterbliche schätzen den Jungbrunnen.

Karlsbad – die Bäderstadt der k.u.k. Monarchie schlechthin. – Foto Katharina Büttel

Wie jeden Abend wird es voll im Restaurant „Belle Epoque“ des Grandhotels Pupp. Das Essen ist unverschämt gut, die Gäste illuster und aus aller Welt. Am Tisch ganz am Ende des Saales sitzen vier ältere Herren mit junger, sehr junger weiblicher Begleitung. Die Gönner sind, wohlwollend unterschätzt, Ende sechzig und sprechen Bayerisch – offensichtlich nicht die Großväter. Was knusprig ist weckt Lebensgeister… Sollte man deswegen den moralischen Zeigefinger heben? Wohl nicht – Kuren im Westböhmischen Triangel Karlsbad, Marienbad und Franzensbad sind eben etwas Besonderes. Das wusste schon der Geheimrat aus Weimar.

Karlovy Vary
Heute noch das erste Haus in Karlsbad, Bleibe für Gäste aus aller Welt – das Grandhotel Pupp. – Foto Katharina Büttel

Auch ihn, Goethe, lockten die aus 2.000 Meter Tiefe hochsprudelnden 72 Grad heißen Thermalquellen nach Karlovy Vary (Karlsbad): zwischen 1785 und 1823 kurte er dreizehnmal in der Stadt an der Tepla. Hier suchte und fand er Heilung von Magen- und Gichtbeschwerden, ließ seine Nervosität merklich nach, bei anhaltender Lust an der Gesellschaft feiner Damen.

Karlovy Vary
Die säulengeschmückte Mühlbrunn-Kolonnade in der Altstadt von Karlsbad. – Foto Katharina Büttel

Der bereits 74-jährige stellte ihnen gerne nach, unsterblich verliebte er sich in die attraktive, hochaufgeschossene Baronesse Ulrike von Levetzow, die er im damals noch jungen, aufstrebenden Marienbad kennen gelernt hatte. Von Erfolg war sie allerdings nicht, die späte Leidenschaft, die „Marienbader Elegie“ ,Wehklage über das verlorene „Paradies“ der Liebe, gibt davon Zeugnis. Stefan Zweig bezeichnete sie als das schönste lyrische Gedicht deutscher Zunge. Die damals 19-Jährige selbst bekannte nach vielen Jahren: „keine Liebe war es nicht“; sie verstand sich eher auf das Spiel mit dem reifen Dichter. Für Goethe war es ein emotionaler Absturz.

Flüssige Energie – 72 Grad Celsius heißes Quellwasser sprudelt in die traditionelle Schnabeltasse. – Foto Katharina Büttel

Auch wer es nicht auf solche Abenteuer abgesehen hat, dürfte mit Karlsbads Bädern glücklich werden. Vorbildlich ist der Service, die Fürsorge der Fango-Feen diskret. Im berühmten Bad I lockt das luxuriöse Becken Kaiser Franz Josephs, heute darf gegen Gebühr Jedermann da rein. Kleopatra hätte wahrscheinlich Bad V gewählt: Entspannen und Regenerieren in Milch und Öl ist dort angesagt.

Karlovy Vary
Bereit für eine gemütliche Kutschfahrt durch die Altstadt. – Foto Katharina Büttel

Im 19. Jahrhundert war Karlsbad, wie auch Marienbad, mit seinen bonbonfarbenen Häuserfassaden Catwalk der blaublütigen, internationalen Society. Dementsprechend prominent ist die Liste der Kurgäste auch im Pupp: ganz oben stehen gekrönte Häupter wie Maria Theresia, Peter der Große, Franz Joseph mit seiner Sissi, die sich alle mit ihrem umfangreichen Hofstaat für Monate einquartierten.

Die lange Historie des Heil- und Bäderbetriebes verdeutlicht die prächtige Trinkhalle in Karlsbad. – Foto Katharina Büttel

Mozart kurierte hier so manches Zipperlein, Sigmund Freud seine Darmprobleme, Schiller soll sein Leben um 14 Jahre verlängert haben; er soll täglich 18 Becher Heilwasser getrunken haben. Und was machte Casanova in einem Kurort? Natürlich die weiblichen Gäste Tag und Nacht in Atem halten.

Ein Ausflug wert – Glaskunst auf höchstem Niveau fertigt die weltbekannte Glasbläserei Moser. – Foto Katharina Büttel

Doch mehr als nur Heilanstalt war Karlsbad Kultur- und Vergnügungszentrum. Für Aufregung und heilsamen Klatsch sorgten etwa indische Maharadschas, wenn sie auf prachtvollen, bunt ausstaffierten Elefanten bis zum Portal des Grandhotels schaukelten. Oder als König Edward VII. von England in Hosen mit Bügelfalte erschien – am nächsten Tag sah man alle Männer mit Bügelfalte. Kurios, was Beethoven passierte: er war für ein Konzert im Hause Pupp gebucht, musste sich aber erst ausweisen, was zur Folge hatte, dass das musikalische Event verschoben werden musste.

Cheb – die Kleinstadt in Westböhmen punktet mit interessanter Architektur und 1.000-jähriger Geschichte. – Foto Katharina Büttel

Diese und andere Namen großer Persönlichkeiten und weltbekannter Stars entdeckt man auf den Stolpersteinen des „Walk of Fame“ vor dem Pupp-Portal. Sophia Loren, Gina Nationale, CC-Claudia Cardinale, Franz Kafka, Louis Armstrong, Gorbatschow, Papst Franziskus, selbst Putin chillten oder kurten im Fünf-Sterne-Ambiente und prägten die 300 Jahre Hotelgeschichte mit.

Nahe Marienbad beeindrucken im SOOS-Naturschutzgebiet Mofettenfelder, wo CO2-Gase aus einer Tiefe von 40 km entweichen. – Foto Katharina Büttel

Seit die Mehrzahl der Gebäude im Kurbereich sensibel saniert und restauriert wurden, sieht und spürt man nach der sozialistischen Tristesse wieder den alten Pomp – auf den Uferpromenaden rechts und links des Flusses Tepla leuchten Fassaden, Giebel, Türmchen in erster, zweiter, dritter Linie. Endlich sind die drei Kurorte auf die Unesco-Kulturerbe-Liste aufgenommen worden – seitdem kommen unzählige Asiaten als Tagestouristen.

Wahrzeichen von Marienbad – die 120 Meter lange Kolonnade mit filigraner Gusseisen-Konstruktion. – Foto Katharina Büttel

Dagegen wirkt das zentral gelegene, aus CSSR-Zeiten stammende Kurhotel „Thermal“ eher wie ein Fremdkörper in Nähe des wunderschön blühenden Stadtparks. Gestritten wurde lange über den Abriss des unansehnlichen Kolosses aus Stahl und Beton – das für die Öffentlichkeit freie Thermalbad sowie der große Veranstaltungssaal gaben schließlich den Ausschlag für die Erhaltung.

Im Innern der Marienbader Kolonnade kann man Konzerte hören, konditern und lustvoll shoppen. – Foto Katharina Büttel

Zum Glück versöhnt Karlsbads üppiger Mix aus Rokoko, Klassizismus, Empire und Jugendstil mit solchen Bausünden. Spaziert man durch die prachtvolle Altstadt kommt’s einem vor, als würde man durch Ischl, Gastein und Reichenau gleichzeitig streifen. Das Kurviertel der böhmischen Thermen-Metropole bietet ein einzigartiges Ensemble historischer k.u.k.-Architektur. Die Sparkasse sieht aus wie ein Palast, das Theater wie eine Zitronentorte. Sahnestücke kommen hinzu, im Zentrum beeindruckt die imposante Mühlbrunn-Kolonnade mit den wuchtigen Säulen, wo dreimal täglich fleißig das heiße Quellwasser getrunken wird.

Trafen sich 1904 in Marienbad und politisierten – Kaiser Franz-Joseph I. und King Edward VII. – Foto Katharina Büttel

Seine Heilkraft war wahrscheinlich schon den alten Römern bekannt. Die Ursprünge von Karlovy Vary reichen rund 700 Jahre auf Karl IV. zurück. Der geriet bei einer Jagd mit der frisch verletzten Hand in das sprudelnd heiße Wasser und konnte der Heilung praktisch zusehen. Somit gilt der deutsche Kaiser Karl IV. als Begründer eines der größten und traditionsreichsten Kurorte der Welt – und als ihr erster Gast. Die Besucher heute können das Wasser aus zwölf heißen, alkalischen Glaubersalzquellen gratis genießen, doch auch die „dreizehnte Quelle“ sprudelt noch: nämlich der Karlsbader Kräuterlikör Becherovka.

Böhmen ist neben Glaskunst auch bekannt für Granatschmuck. – Foto Katharina Büttel

Und da sind noch Hollywoods Lieblinge, die jeden Sommer zum traditionellen Filmfestival anreisen und von denen die meisten im Pupp residieren. Das im Übrigen die Vorlage für den tragikomischen Film „Grand Budapest Hotel“ bildete. – Michael Douglas speiste zumeist im Restaurant „Embassy“, Hobby-Winzer Gérard Depardieu steckte mal hier, mal da die Charakternase in mährischen Rotwein. Die Diven Sharon Stone und Scarlett Johansson ließen sich beim Flanieren auf Schritt und Tritt bewundern, Woody Harrelson schlurfte barfuß durchs Pupp. Spät am Abend trifft sich dort alles in der „Becher“-Bar. Der Name kommt nicht von „bechern“ – gemeint ist der Becherovka.

Loket – den kleinen Ort überstrahlt eine imposante Burg und ist das Tor zur Karlsbader Region. – Foto Katharina Büttel

Und auf wen sollte man anstoßen? Auf den unglücklich verliebten Geheimrat Goethe – oder vielleicht auf Daniel Craig. 2006 brillierte er in und am Grandhotel als James Bond in „Casino Royale“. Womit? Natürlich mit einem Wodka Martini – geschüttelt, nicht gerührt.

Highlight im Burg-Schloss Becov ist der St. Maurus-Schrein, der fast so wertvoll ist wie Tschechiens Kronjuwelen. – Foto Katharina Büttel

Informationen: CzechTourism, 10117 Berlin, Tel.: 030-204-4770, berlin@czechtourism.com, www.visitczechrepublic.com

Heilquellen: Im gesamten Bäderdreieck gibt es 350 verschiedene Quellen. In Karlsbad sprudeln zwölf 72 Grad heiße Quellen; in Marienbad 40 ausschließlich kalte Quellen. Ärzte checken den Kurgast durch und entscheiden die Therapie. Devise: bewegen, gehen, relaxen, frische Luft sowie dreimal pro Tag eine Schnabeltasse Wasser. Drei Wochen Kur sind ausreichend für nachhaltige Wirkung.

Noble Eleganz im Grandhotel Pupp in Karlovy Vary (Karlsbad). – Foto Katharina Büttel

Unterkünfte: z.B. in Karlsbad Fünf-Sterne Spa-Hotel Grand Hotel Pupp, Kurpauschalen anfordern; Pupps spezieller Service: vom jeweiligen Zuhause per Bus Hin- und Rückfahrt bis zum Hotel für 70 Euro/P.; in Marienbad: z.B. 5-Sterne Ensana Health Spa Hotels; neben den Luxushotels gibt es aber auch Drei- und Vier-Sternehotels sowie zahlreiche preiswerte Pensionen.

Auch der große Violin-Virtuose begeisterte die Kurgäste im böhmischen Bäderdreieck. – Foto Katharina Büttel

Ausflüge: von Marienbad aus: der SOOS Naturpark, Tschechiens Yellow Stone Park; Chep, eine der ältesten Städte Tschechiens, mit dem Highlight Schloss Chep.

Von Karlsbad aus: Burg und Schloss Becov – seit 2002 ist der St. Maurus-Schrein hier ausgestellt. Diese Reliquie aus dem 13. Jahrhundert. ist fast so wertvoll wie die Kronjuwelen des Landes. – Radonbad Jachymov (Joachimsthal); Bäderkuren mit Radonwasser.