Route 66 – Straßenlegende mit Kultstatus

Route 66 - Copyright Karsten-Thilo Raab
Entlang der legendären Route 66 durch Illinois finden sich zahlreiche ungewöhnliche Hingucker. – Foto Karsten-Thilo Raab

Fett ist bekanntlich ein Geschmacksträger. Und davon gibt es reichlich bei Lou Mitchell’s. Riesige Mengen an Spiegeleiern mit Bratkartoffeln oder in überbackenen Omeletts kommen auf den Tisch. Das eher schlichte Diner, dessen Ausstattung aus längst vergangenen Jahrzehnten zu stammen scheint, liegt im Herzen von Chicago am ersten Teilstück der legendären Route 66.

Die Millionenstadt Chicago weiß zu begeistern. – Foto Karsten-Thilo Raab

Gut gestärkt, begaben sich Trucker und Reisende seit Mitte der 1920er Jahre von hier aus auf den Weg gen Westen. Als die Route 66 am 11. November 1926 offiziell eingeweiht wurde, blickte Lou Mitchell’s, zu dessen illustren Gäste auch die US-Präsidenten Jimmy Carter, George W. Bush und Barrack Obama gehörten, schon auf eine dreijährige Geschichte. Das Diner am Startpunkt der Traumstraße wurde schnell zu einer Institution.

Diner-Legende am Start der Route 66

Lou Mitchell’s in Chicago ist seit den 1920er Jahren eine Institution. – Foto Karsten-Thilo Raab

Heute sind es vorwiegend Touristen, die auf nostalgischen Spuren durch die USA reisen wollen. Auch sie brauchen eine (deftige) Stärkung für den langen Weg – egal, ob sie nur das 300 Meilen lange Teilstück durch Illinois oder die ganze Strecke bis zum Pazifik in Angriff nehmen wollen.

Offizieller Startpunkt der Route 66 ist am East Jackson Boulevard in Chicago. – Foto Karsten-Thilo Raab

Die „Mutter aller Highways“ startet mitten in der Millionenmetropole Chicago; genauer gesagt an einem leicht zu übersehenen Schild auf dem East Jackson Boulevard. Von hier führt sie über 484 Kilometer quer durch Illinois (wenn man alle Seitenstraßen und alternativen Routen einrechnet sogar über rund 700 Kilometer) und verbindet dabei 90 Städte und Ortschaften miteinander.

Wo Klischees mit Leben gefüllt werden…

Ein ebenso deftiges wie üppiges Frühstück wird bei Lou Mitchell’s in Chicago aufgefahren. – Foto Karsten-Thilo Raab

Viele Klischees werden entlang der Traumstraße erfüllt: schmucke Holzhäuser mit Lehnstuhl auf der Veranda, während das Sternenbanner, die US-Fahne, am Mast im Vorgarten im Wind weht. Grundstücksgrenzen sind nicht erkennbar. Kein Zaun, kein Weg als Trennlinie. Zwischen den einzelnen Ortschaften erstrecken sich scheinbar unendliche Weiten, während klassische Diner, restaurierte Tankstellen und Leuchtreklamen aus den 1950er Jahren, skurrile Sehenswürdigkeiten und voll gestopfte Museen den geteerten Mythos säumen.

Famoser Hingucker in Chicago ist die Skulptur The Bean.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass, auch wenn die Legende von der großen Freiheit auf zwei oder vier Rädern auf der Route 66 lebt, die Traumstraße doch eine Mogelpackung ist. Tatsächlich folgen Fahrer in weiten Teilen der Interstate 55, die 1977 als neue Schnellstraße Missouri eröffnet wurde. Die ursprüngliche, historische Route 66 ist lediglich in Teilen noch ausgeschildert und doch an zahllosen ikonischen Orten noch allgegenwärtig. Ebenso wie der Duft von Freiheit, Reifenabrieb und Benzin.

Cyrus Avery als wichtigster  Impulsgeber

Ein nachgemachtes Schild für die wohl berühmteste Straße durch die USA. – Foto Karsten-Thilo Raab

Alles begann, als ein gewisser Cyrus Avery aus Oklahoma die Idee hatte, eine Straße vom Lake Michigan quer durchs Land bis an den Pazifik zu bauen. Hunderte kleine Dörfer und winzige Städte könnten so Anschluss an das Highway-System erhalten, war die Idee des wohlhabenden Geschäftsmannes. Eine Vision, die 1926 Wirklichkeit wurde und bis heute nichts an Faszination eingebüßt hat.

Entlang der legendären Route finden sich noch heute zahlreiche klassische Diner so wie hier in Livingston. – Foto Karsten-Thilo Raab

Nach einem leckeren Apfel-Käse-Omelett oder – etwas deftiger – einem „Salmon Benedikt“ mit Lachs und Ei bei Lou Mitchell’s führt die „Mother Road“ von Downtown Chicago in südwestliche Richtung nach Joliet. Hier wartet mit den tanzenden Blues Brothers auf dem Dach Rich & Creamy Ice Cream ein erstes kitschiges Fotomotiv mit Kultcharakter.

Riesige Muffler Men

Gemini Giant in Wilmington gehört zu den wohl markantesten Muffler Men.

In Wilmington sorgt dann der „Gemini Giant“ vor dem Launching Pad Drive In für einen besonderen Blickfang. Der Riese im Astronautenlook ist einer von zahllosen so genannten „Muffler Men“, überlebensgroßen Fiberglasfiguren, die in den 1960er Jahren als Werbeträger genutzt wurden und heute als typische Route-66-Attraktion mit Kitsch- und Kultcharakter gelten.

Beliebter Fotostopp: Die historische Tankstelle in Odell an der Route 66.

Einer der beliebtesten Stopps entlang der Route 66 ist in Dwight die Ambler-Becker Texaco Gas Station mit dem typischen weiß-roten Schild der Tankstellenkette. Rund 16 Kilometer weiter südlich sorgt in Odell die historische Standard Oil Gas Station aus dem Jahre 1932 mit allerlei original Autowerkzeugen und anderen Memorabilien aus der Blütezeit der Straße für nostalgischen Charme.

Haufenweise Erinnerungen an die gute alte Zeit

Die Museen entlang der Strecke so wie hier das Museum des Motorheads in Springfield – laden zu Reisen in die Vergangenheit ein. – Foto Karsten-Thilo Raab

Zapfsäulen, Werbeschilder, Fotos, Karten und Tausende weiterer Memorablia aus der glorreichen Zeit der „Mother Route“ sind in der Route 66 Hall of Fame (and Museum) in Pontiac zu bewundern. Nicht minder beeindruckenden sind die riesigen Wandbilder (Murals), die insbesondere entlang der Hauptstraße, der Main Street, die Häuserfassaden zieren.

Fiberglasfiguren gehören zu den Markenzeichen der Traumstraße durch Illinois. – Foto Karsten-Thilo Raab

In Atlanta reckt sich mit der Statue des Holzfällers Paul Bunyon, der statt einer Axt einen Hot Dog in der Hand hält, ein weiterer ikonischer „Muffler Men“ vor dem Palms Grill Cafe in die Höhe.
Weiter südlich in Springfield, der Hauptstadt von Illinois, finden sich im Schatten der beiden prächtigen Capitol-Gebäude mit dem Lauterbach Tire Man und der Abraham Lincoln Rail Splitter Statue zwei weitere Fiberglasgiganten.

Einkehrmöglichkeiten mit Kultstatus

Kultstatus genießt das legendäre Ariston Cafe in Litchfield. – Foto Karsten-Thilo Raab

Fast schon ein Muss ist der Besuch im Cozy Dog Drive Inn in Springfield, wo die legendären Corn Dogs, Würstchen am Stiel in einem Mantel aus frittiertem Maismehlteig, zu den Kultgerichten gehören. Auch im Route 66 Motorheads Bar & Grill lohnt einen Stopp. Das Restaurant ist vollgestopft mit Auto- und Motoraddevotionalien. Direkt angrenzend findet sich ein kleines Museum mit historischen Schildern, Tankstelleneinrichtungen und Fahrzeugen.

Historisches Tankstellenschild in Litchfield. – Foto Karsten-Thilo Raab

Bei Auburn schlängelt sich zwischen ausgedehnten Maisfeldern ein (letztes) knapp 2,4 Kilometer langes Stück der Original-Route-66 mit Kopfsteinpflaster aus dem Jahre 1931, während in Litchfield das Ariston Cafe seit 1935 als Institution an der Route 66 gilt. Wegen seiner großen Leuchtreklame gehört es zu den populärsten Fotostopps entlang der 3.940 Kilometer langen Strecke zwischen Chicago und Santa Monica.

Kopfsteinpflaster zwischen Maisfeldern

Bei Auburn lädt das letzte verbliebene Kopfsteinpflaster-Teilstück zu Erinnerungsfotos ein. – Foto Karsten-Thilo Raab

Im im Art-Déco-Stil gehaltenen Speisesaal werden seit gut acht Jahrzehnten frittierte Artischockenherzen serviert. Nicht minder beliebt sind die gerösteten Ravioli und der hausgemachte, rote Sandkuchen. Quasi vis-a-vis befindet sich mit dem Litchfield Museum & Route 66 Welcome Center eine weitere umfangreiche Sammlung zur Geschichte der Straßenlegende.

Zu den markanten Gebäude in Springfield gehört das State Capitol. – Foto Karsten-Thilo Raab

In Mount Olive gehört mit der Soulisby Service Station aus dem Jahre 1926 eine weitere historische Tankstelle zu den beliebten Fotomotiven. Die sonnengelben Zapfsäulen und das alte Shell-Schild funkeln nicht selten mit der Sonne um die Wette und wecken dabei Erinnerungen an längst vergangene Tage.

Pinker Elefant und andere  ungewöhnliche Riesen

Ein Kuriosum ist fraglos die Pink Elephant Antique Mall in Livingston. – Foto Karsten-Thilo Raab

In Livingstone ist die Pink Elephant Antique Mall nicht zu übersehen. Neben dem namensgebenden pinkfarbenen Elefanten zieren das ehemalige Schulgebäude gleich reihenweise riesige Fiberglasfiguren, während im Inneren Antiquitäten und Raritäten feilgeboten werden.

Der Elefant ist Namenspate für die Pink Elephant Antique Mall in Livingston. – Foto Karsten-Thilo Raab

Nur einen Steinwurf entfernt, wartet mit Henry’s Rabbit Ranch in Staunton das nächste Kuriosum. Hier gibt es verschiedene Arten von „Rabbits“ (Kaninchen) – solche die hüpfen und solche mit vier Rädern – dies sind alte VW „Rabbits“, wie die Volkswagen Golf-Modelle genannt wurden. Und in Collinsville führt kein Weg an der mit mehr als 50 Metern Höhe weltgrößten Ketchup-Flasche vorbei, hinter der sich eigentlich ein Wasserturm verbirgt.

Mississippi als Staatsgrenze

Die historische Route 66 durch Illinois endet am Mississippi. – Foto Karsten-Thilo Raab

Im Kleinstädtchen Madison endet schließlich die historische Route 66 durch Illinois an der Chain of Rocks Bridge am Mississippi. Wer der „Mutter aller Straßen“ weiter Richtung Pazifik folgen möchte, rollt über die New Chain of Rocks Bridge weiter nach Missouri – doch kultiger als zwischen Chicago und dem Mississippi wird es kaum noch…

Wissenswertes zur Route 66 in Kurzform

Die „Mutter aller Highways“ ist perfekt für Selbstfahrer. – Foto Karsten-Thilo Raab

Allgemeine Informationen: www.enjoyillinois.de und www.heritagecorridorcvb.com

Route 66: www.illinoisroute66.org

Anreise: Von Frankfurt bieten u.a. United Airlines (www.united.com/de) und Lufthansa (www.lufthansa.com) Direktflüge nach Chicago O’Hare an. Die Flugzeit beträgt nach Chicago rund 8.45 Stunden, zurück rund 8 Stunden.

Einreise: Neben einem gültigen Reisepass wird ein elektronisches Visum (ESTA) benötigt. Dies kostet umgerechnet knapp 12 Euro.

Lohenenswerte Sehenswürdigkeiten

Das Litchfield Museum & Route 66 Welcome Center hält zahlreiche Raritäten bereit. – Foto Karsten-Thilo Raab

Sehenswertes: Litchfield Museum & Route 66 Welcome Center, 334 Historic Old Route 66 North, Litchfield, IL 62056, Telefon 01-217-324-3510, www.litchfieldmuseum.com. Geöffnet montags bis samstags 10 bis 16 Uhr, sonntags 13 bis 16 Uhr. Eintritt frei.

Illinois Route 66 Hall of Fame and Museum, 110 West Howard Street, Pontiac, Telefon 01-815-8444566

Sehenswertes gibt es reichlich – wie das UfO an der Pink Elephant Antique Mall in Livingston. – Foto Karsten-Thilo Raab

Pink Elephant Antique Mall, 908 Veterans Memorial Drive, Livingston, IL 62058, Telefon 01-637-2366

Tipps: Etwas abseits der Route 66 liegt Streator, das für seinen riesigen Wandbilder, Murals, bekannt ist. Berühmtester Sohn der Stadt, die einst Heimat von 20.000 Indianern war, ist Clyde Tombaugh. Der Astronom entdeckte 1930 den Planeten Pluto. In der Finefield Pottery an der Main Street bietet Gavin Finfield nicht nur Töpferwaren feil, sondern auch Einführungsstunden in das Arbeiten mit Ton. Informationen unter Finefield Pottery, 215 East Main Street, Straetor, IL 61364, Telefon 01-815-878-1284, finefieldpottery@gmail.com

Das leibliche Wohl

Genuss wird in Illinois traditionell groß geschrieben. – Foto Karsten-Thilo Raab

Essen & Trinken: Lou Mitchell’s, 565 West Jackson Boulevard, Chicago, Illinois, Telefon 01-312-9393111, www.loumitchells.com. Legendäres Diner am Start der Route 66 bekannt für sein üppiges Frühstück.

Lone Buffalo, 808-814 La Salle Street, Ottawa, Illinois 61350, USA, Telefon1-815-3249549, www.thelonebuffalo.com. Mikrobrauerei mit innovativen Biersorten und leckeren Burger-Varianten.

Speisen im Motorheads in Springfield. – Foto Karsten-Thilo Raab

Route 66 Motorheads Bar & Grill, 600 Toronto Road, Springfield, IL 62711, Telefon 01-217-679-7323, www.route66motorheads.com. Das Restaurant an der historischen Route 66 ist voll gestopft mit Auto- und Motorrad-Devotionalien. Direkt angrenzend findet sich ein kleines Museum mit historischen Schildern, Tankstelleneinrichtungen und Fahrzeugteilen.

Ariston Cafe, Litchfield, 413 Old Route 66 N , Litchfield, IL 62056, Telefon 01-217- 250-2031 www.ariston-cafe.com. Das älteste Restaurant an der historischen Route 66 ist berühmt für seine frittierten Artischockenherzen und gerösteten Ravioli.

Sich gemütlich betten

Zentral gelegen in Chicago: das Radisson Blu Aqua Hotel. – Foto Karsten-Thilo Raab

Übernachten: Radisson Blu Aqua Hotel, 221 North Colombus Drive, Chicago, Telefon 01-312-565-5258, www.radissonbluchicago.com. Stil-Ikone in fußläufiger Nähe und Sichtweite zur Magnificent Mile und zum Millennium Park.

State House Inn, 101 E. Adams Street, Springfield, IL 62701, Telefon 01-217-528-5100. Direkt gegenüber dem Capitol im Zentrum von Springfield gelegenes Hotel mit großzügig geschnittenen Zimmern.

Natürlich gibt es entlang der Route 66 zahlreiche Erinnerungsstücke zu kaufen. – Foto Karsten-Thilo Raab

Best Western Premier Alton – St. Louis Area Hotel, 3559 College Avenue, Alton, IL 62002, Telefon 01-618-462-1220, www.bestwestern.com. Das 136 Zimmer zählende Haus liegt verkehrsgünstig an einer der Hauptausfallstraßen von Alton.