Deutschland als Urlaubsregion wird immer beliebter, dabei sind das Liebliche Taubertal und der fränkische Steigerwald nur zwei Gegenden, in denen Groß und Klein auf ihre Kosten kommen. Neben lukullischen Genüssen warten auch tierische Begegnungen auf die Touristen.
Das Taubertal, eine der blühendsten deutschen Urlaubsregionen, beeindruckt nicht nur durch seinen Liebreiz sondern auch durch innovative Menschen, die mit neuen Ideen und Konzepten zur Attraktivität und Besonderheit der Gegend beitragen. Ruth Langer und Jascha Derr sind zwei dieser kreativen Köpfe. Die ehemaligen Entwicklungshelfer, die lange in Afrika gelebt haben, betreiben in Igersheim-Holzbronn den Derrhof. Seit dem 18. Jahrhundert gibt es hier schon Landwirtschaft, der derrsche Familiensitz bot sich für die Erfüllung ihres Lebenstraumes perfekt an: Braumeister Jascha entwickelte eine biozertifizierte Bauernhof-Brauerei.
Biozertifizierte Bauernhof-Brauerei
„Wir produzieren rund 5.000 Flaschen im Jahr“, erklärt der Unternehmer. Die Rückmeldungen der Kunden sind vielversprechend. Partnerin Ruth kümmert sich derweil um den Hofladen, den Verkaufsstand auf dem Wochenmarkt, entwickelt Wanderwege und plant Stellplätze für Wohnmobile. „Unsere Zielgruppe sind nicht nur E-Biker und Silver Ager, die hier eine Pause machen, sondern auch Junggesellen, die mit eigenem Bierbrauen oder Bierverkostung ihren Abschied vom Single-Leben feiern, wie auch Geburtstagsfeiernde oder Literaturfreunde, die im Verköstigungsraum Lesungen besuchen.
Tummelplatz für Fellnasen
Knapp zwei Kilometer weiter durch hügelige Landschaft geht es nach Reckerstal zum Urlaubsreiterhof der Familie Trunk. 32 Pferde, davon 27 eigene, zwei Hunde, fünf Katzen, zwei Zwergkaninchen und drei Meerschweinchen warten auf die Gäste. Der Liebe wegen kam Reitlehrerin Cora Reisinger aus Berlin in den kleinen Taubertal-Ort. Sie erzählt vom Love-Shower für Pferde, Reitunterricht für alle und der Kommunikation zwischen Reiter/Reiterin und dem Tier.
Auch Fellnasen, egal ob Hund, Katze oder eigenes Pferd, sind in den Ferienwohnungen willkommen. Ein Pferdespaziergang trägt zur Entschleunigung bei. Pferdewirtin Valeska Auch begleitet Menschen und Pferde bei Wanderungen durch die umliegenden Hügel oder hilft bei der Organisation von Tagungen oder Feiern im Gewölbekeller mit.
Neuer Wein und Damen im Zölibat
Acht Kilometer weiter wartet Winzer Michael Schmitt in seinem Weinberg bei Markelsheim. Umgeben ist er von Schafen, seinen wolligen Mitarbeitern. Er erzählt vom Anbau neuer Sorten wie der pilzwiderstandsfähigen Rebsorte Sauvitage, die keinen Pflanzenschutz mehr brauchen. „Die größten Probleme mit dem Weinbau haben wir jetzt. Der Klimawandel ist dafür verantwortlich, wenn wir bis 2030 rund ein Drittel bis ein Viertel an Rebfläche verlieren.“
Die Prognose scheint düster, doch Schmitt will mit der Ökologisierung seines Betriebes dagegen ankämpfen. „Unseren Strom machen wir selbst und statt Einweg gibt es Mehrweg-Flaschen. Rund 30 Schafe helfen ihm beim sanften Grasmähen zwischen den Rebstöcken. „Mit vier Tieren fingen wir an. Dann habe ich einen Jungbock fälschlicherweise als nicht geschlechtsreif eingeschätzt, und auf einmal gab es 24 Lämmer. Jetzt leben meine Schaf-Damen im Zölibat, mehr als drei Kleine möchte ich nicht.“
Wolfsgeheul und Waldbaden
Knapp vier Kilometer weiter liegt der Wildpark Bad Mergentheim. Es ist die nächste abenteuerliche Station mit vielen Wildtieren und einer besonderen Übernachtung in der Koboldburg. „Wolfsgeheul ertönt zu jeder Tageszeit, auch über Kilometer hinweg“, sagt Christina Voit , die eine Gruppe Naturliebhaber mit viel Acht- und Aufmerksamkeit durch den nahen Wald führt.
In einem der artenreichsten Wildparks Europas werden die Besucher von den Tierpflegerinnen Fanny Zukunft und Martina Emmert erwartet. Noch bei Tageslicht geht es durch die gepflegte und naturnahe Anlage, die zugleich als attraktives Familienreiseziel mit fast nur europäischen Tierarten bekannt ist. Da warten Fischotter im Teich, dort gibt es ein Braunbären-Paar, daneben Luchse und später weiß man auch, welche Vierbeiner hinter dem Geheul am Nachmittag stecken.
Über Kletterstangen ins Bett
Über 50 Tierarten leben hier auf insgesamt 35 Hektar Fläche, ohne Maschendraht, Käfige oder Gitter. Fast alle Gehege sind als naturnah gestaltete Freisichtanlangen erbaut. Auch hier sind ökologische Verträglichkeit und Nachhaltigkeit ein Muss, wie Wildpark-Chef Marcus Rügamer bei der Schlüsselübergabe für die Koboldburg betont. Der 2.000 Quadratmeter große Abenteuerspielplatz verwandelt sich nachts in ein spartanisches, aber spannendes Übernachtungsquartier für Kinder und sportliche Eltern.
Die Kojen sind eng und meist nur über Kletterstangen zu erreichen. Mehr Annehmlichkeiten bietet der Wolfswagen, eine Unterkunft direkt am Wolfsgehege. Dort geht auch die Nachtwanderung hin. Es ist stockdunkel. Tierpflegerin Emmert versorgt die Besucher mit Laternen. Dann tauchen sie auf, die geheimnisvollen Isegrims, und lassen sich beobachten. Bis auf das Geheule der scheuen Tiere ist es mucksmäuschenstill.
Im Team mit Alpakas
Am nächsten Tag werden auch Nicht-Europäer besucht, nämlich Alpakas, die ursprünglich nur in den südamerikanischen Anden vorkommen. 17 Kilometer vom Wildpark entfernt liegt der idyllische Hohenloher Alpakahof. Eigentlich geht es hier um zwei Familien mit zwei Höfen und einer Leidenschaft: Alpakas. Die beiden Familien Linder-Mönch aus Hachtel und Mayer aus Heimberg führen jeweils einen landwirtschaftlichen Betrieb, die nur einen Kilometer auseinander liegen, ideal also für begleitete Alpakawanderungen.
Ferrero, Carlos, Cäsar, Carlotta und Emilia stehen bereit und warten auf ihre menschlichen Begleiterinnen und Begleiter. Sie tragen ähnlich wie Hunde ein Geschirr. Es kann losgehen. Alpakas sind als stur bekannt, und so ist es nur von Vorteil, wenn der Teampartner Führungsqualitäten besitzt und die Vierhüfer zu motivieren weiß.
Kleine Kräuterkunde
Neben Gabriele und Sohn Sebastian Mayer ist auch Wildkräuterpädagogin Brigitte Mohr dabei, die die Wanderer mit viel Wissenswerten zur Zubereitung von Schafgarbe, Kuckuckslichtnelke oder Rotem Klee unterhält. Mohr hat bei Familie Linder-Mönch schon eingedeckt, und die hungrigen Wanderer erwarten Appetithappen mit Kräutervariationen, dazu Holunder- und Rhabarbersaft. Als Dessert gibt es Gundermann-Blätter in Zartbitter-Kuvertüre.
Derweil kümmern sich die Alpakas um ihren jüngsten Nachwuchs, einem halben Tag alten Alpaka-Buben, der noch namenlos auf zittrigen Beinen steht. „Alpakas sind verwandt mit den Kamelen“, erklärt Sebastian Mayer, „sie werden bis zu 20 Jahre alt und das Gewicht ihrer Wolle kann bis zu 20 Kilo betragen.“ Mutter Gabriele weist darauf hin, dass die meisten Allergiker diese Wolle gut vertragen.
Tiere schützen
Etwas über eine Autostunde von Niederstetten entfernt liegt der Tier(gnaden)hof Siho Ranch e. V. in Oberscheinfeld im fränkischen Steigerwald. Einmal im Monat laden Simone Dietrich und Horst Büchs zur offenen Tür ein. Begrüßt werden die Gäste von mehreren Hunden, die auf dem Hof frei herumlaufen. Das kleine Finchen ist der Neuzugang. Im Alter von etwa 15 Jahren wurde die Hunde-Omi von ihren Besitzern im Tierheim abgegeben. Jetzt ist sie in ihrem neuen Zuhause und hat gerade ein Zahn-OP erfolgreich überstanden. Sie läuft jedem Besucher hinterher und will bei allem dabei sein. Die kleine Ella wurde blind in Rumänien ausgesetzt. Sie fand, genau wie Paula, die Pointer-Hündin aus Korfu, oder Herr Rossi aus Spanien im Steigerwald eine neue Heimat.
Die Ponys, Pferde und Esel namens Flocke, Freddie, Paul, Bounty und Mister Ed kommen entweder direkt vom Schlachter oder wurden traumatisiert abgegeben. „Wir arbeiten auch mit der Noteselhilfe zusammen“, betont Dietrich. Sie hat einen Vollzeit-Job in der Modebranche, eine Zusatzausbildung als Tierheilpraktikerin und ist in ihrer Freizeit für die Tiere da. Ihr Partner Horst kümmert sich mit den ehrenamtlichen Helfern Holger, Monja und Steffi um den Gnadenhof. Manager Holger tut die Arbeit und vor allem die Beschäftigung mit dem blinden Drei-Flecken-Pferd Jo gut: „Nach dem Stress in der Arbeit ist das wie Therapie für mich.“
Hilfe für traumatisierte Tiere
„Unsere Schützlinge sind alle kastriert. Wir wollen Tiere schützen und nicht vermehren“, sagt Dietrich. Auf dem riesigen Gelände, Teile davon wurden hinzu gepachtet, leben noch Minischweine, das Hausschwein Peppa, das als Ferkel vom Schlachttransporter auf die Autobahn fiel und gerettet wurde, Ziegen, Schafe und Hühner. Die Tierheimat finanziert sich durch Spenden, Mitgliedschaften, Patenschaften und Eigeninitiativen. Viele der Tiere kamen traumatisiert hier an. „Der Lohn und der Dank ist das plötzlich wiederkehrende Vertrauen der Tiere in uns Menschen. Für uns gibt es nichts Schöneres.“
Rund 30 Autominuten weiter liegt Höchstadt. Hier geht es mit der Pferdekutsche durch eine Weiherlandschaft, die Heimat unterschiedlicher Vogelarten und blühender Orchideenwiesen ist. Teichwirt Leonhard Thomann weiß alles Wissenswerte über die Aischgründer Karpfen, die hier gezüchtet werden und als Delikatesse in den Restaurants von September bis April angeboten werden. Dass Karpfen die Landschaft in der Aisch geprägt haben, wird im Karpfenmuseum in Neustadt an der Aisch umso deutlicher. „Unsere Karpfen werden in der Region gegessen und nicht exportiert. Im Herbst sind die Leute ganz wild drauf“, bemerkt Führer Walter Tropper. Von ihm erfährt man viel über die 1250-jährige Tradition der Karpfenzucht im Aischgrund.
Meister Adebar und seine Mitstreiter
Gerhard Bärthlein aus Uehlfeld ist als Storchenvater bekannt. Sein Dorf hat 3.000 Einwohner und 51 Horste. Die kennt der Landwirt wie seine Westentasche: „Aufgrund der wärmer werdenden Winter bleiben immer mehr Störche in der Region.“ Bärthlein hat unter Lebensgefahr schon mehreren Jungstörchen, die aus dem Horst gefallen sind oder geschubst wurden, wieder zurückgebracht oder in kundige Auffangstationen vermittelt. Auf dem Dach seiner Scheune haben sich zwei Storchenfamilien niedergelassen. Doch auch die anderen Dächer von Uehlfeld sind mit Adebars belegt. Bei den Dorfbewohnern sind sie gern gesehene Gäste, bringen sie doch angeblich Glück und kleine Babys.
Wissenswertes zum Taubertal und Steigerwald
Binnen einer Woche lässt sich die vorgestellte, familienfreundliche Route mit E-Bikes oder als Familie/Lehrer/Erzieher (im Auto) problemlos bewältigen. Neben den vielen tierischen Begegnungen kommen auch der Genuss und die Kultur nicht zu kurz. Besonders Kinder im Schulalter und ihre Eltern profitieren von den vorgestellten Programmpunkten rund um Umwelt-, Natur- und Tierschutz.
Infokasten
Informationen: www.frankentourismus.de
Essen und Trinken: Restaurant Aischblick in Höchstadt; Brauerei und Gasthof Zwanzger in Uehlfeld
Übernachten: Allee Hotel in Neustadt an der Aisch
Die Recherche fand auf Einladung / mit Unterstützung von Frankentourismus statt.
Sabine Ludwig
ist deutsche Journalistin und Reiseautorin. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht und war als Kriegsberichterstatterin in Afghanistan, Südsudan, Irak und Mali. In ihrer Freizeit widmet sie sich neben diversen Sportarten ihrem Blog sl4lifestyle.com und ihrem Hund Brad. - Foto: Nicola Mesken