Blühendes Wunder: Flower-Power am Kap

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Ungeahnte Flower-Power und seltene Vögel wie der Malachitnektarvogel begeistern in der Kap-Region. – Foto: Ram Malis

Die meisten kommen nach Südafrika wegen seiner Löwen, Nashörner und Elefanten. Doch Naturbegeisterte staunen genauso über den Kaphonigvogel, die Königsprotea und ein Blumenreich der Rekorde, das Flower-Power pur versprüht.

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Die beeindruckende Königsprotea ist Südafrikas Nationalblume. – Foto: Ram Malis

Sein Reich ist ein Blumenfeld wie aus einem Märchenfilm. Prinzessinenpink, königsrot und feenweiß blüht es am Fuß des Simonsbergs. Unweit der Pflanzenidylle verleiht ein schroff aufsteigender Gebirgszug den verwunschenen Blüten eine eindrucksvolle Kulisse. Und Ernst van Jaarsveld streicht mit seiner von trockener und feuchter Erde gefurchten Gärtnerhand über frisches Grün, zarte Knospen und mit Dornen bewehrte Blüten.

Knollen als Nahrungsquelle

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Botaniker Ernst van Jaarsveld liebt die Pflanzenpracht am Kap. – Foto: Ram Malis

„Von dieser hier, Cyanella orchidiformis, und diesen Watsonia dort, nutzten die indigenen Völker bereits die Knollen als Nahrung“, sagt der Botaniker, „aus dieser hier machten sie Schlingen für ihre Fallen und aus diesen Wasserpflanzen hier, Aponogeton distachyos, machen wir Südafrikaner Eintopf. Überhaupt wissen wir fast alles über den Nutzen und die Heilwirkung der Arten von den Khoisan am Kap. Es war ihre Kenntnis über die Pflanzen, die ihnen das Überleben in dieser harschen Umgebung ermöglichte.“

Die Mittagsblumen sorgen für eine besondere farbige Note in Südafrikas Flower-Power-Welt. – Foto: Ram Malis

Wer Ernst Jacobus van Jaarsveld über ein blühendes Feld an Südafrikas Westkap folgt, begibt sich auf eine Safari ins Reich der Pflanzen. Kaum jemand weiß so viel über die Abertausenden an Arten, wie der 70-jährige, der fast vier Jahrzehnte im berühmten Botanischen Garten von Kirstenbosch in Kapstadt arbeitete.

Ungeahnter Pflanzenreichtum

Vogelliebhaber erfreuen sich nicht nur an der Pflanzenpracht, sondern auch am Flötenwürger. – Foto: Ram Malis

„Wir haben hier eine Vielfalt, die weltweit ihresgleichen sucht“, sagt van Jaarsveld. Das Kap-Florenreich, die Capensis, ist das kleinste der sechs kontinentalen Florenreiche der Welt. In Hinblick auf seine Artenzahl im Verhältnis zur Fläche ist es jedoch das reichste. Es umfasst lediglich 0,5 Prozent Afrikas an der Südspitze des Kontinents, ist hingegen Heimat von fast 20 Prozent seiner Pflanzenarten. Durch einen Wüstengürtel ist es von der riesigen Paläotropis getrennt, die fast ganz Afrika umfasst und über die Arabische Halbinsel, Indien und Südostasien bis Neuguinea reicht.

Flower-Power der besonderen Art stellt auch der Zuckerbusch dar. – Foto: Ram Malis

Von mehr als 9.000 bekannten Pflanzenarten der Capensis sind etwa 70 Prozent endemisch. Viele Blumen gab es ursprünglich einzig in einem recht schmalen Streifen Land, der sich grob von den Zedernbergen nördlich von Kapstadt bis Port Elizabeth zieht. Etliche sind heute jedoch aufgrund ihrer Farbenpracht und Formenvielfalt beliebte Garten- und Balkonpflanzen weltweit. Klivien, Freesien, Kapkörbchen und die Echte Amarylis haben allesamt ihre Heimat an der Südpitze Afrikas.

Beeindruckende Silberbaumgewächse

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Faszinierendes Größenverhältnis: Kinder mit einer Königs-Protea im Greyton Nature Reserve. – Foto: Ram Malis

„Nehmen wir die Familie der Silberbaumgewächse“, sagt van Jaarsveld und weißt auf einen Strauch mit ausladenden orange-rosa Blüten und herausstehenden goldgelben Fäden hin. Auf Deutsch wird die Leucospermum-Art aufgrund ihres Aussehens auch Nadelkissen genannt. „Viele Insekten und andere Tiere sind allein auf wenige Arten wie diese spezialisiert“.

Auch das ist Südafrika: Ein traditionelles reetgedecktes Haus mit schönem Garten in Greyton. – Foto: Ram Malis

Zu den Silberbaumgewächsen zählt auch die Königsprotea, Südafrikas Nationalblume mit ihren prächtigen, sonnenblumengroßen Blütenkronen. An dem Botaniker schwirrt ein schillernd smaragdgrüner Vogel vorbei und lässt sich neben einer Blüte ganz in der Nähe nieder. „Der Malachitnektarvogel ist nur einer von vielen Arten, die als Bestäuber von Pflanzen wichtig sind“, erklärt van Jaarsveld.

Pflanzenpracht vom Westkap

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Die Kap-Flora ist überaus vielfältig. – Foto: Ram Malis

In Babylonstoren, unweit der berühmten Weingegend von Stellenbosch weniger als eine Autostunde von Kapstadt, hat van Jaarsveld den Blumen am Kap einen eigenen Garten eingerichtet. Hier blühen nun himmelblaue Kapastern neben knallpinken Mittagsblumen und dottergelben Goldmargeriten in leuchtend farbigen Blütenteppichen. Daneben wuchern Sukkulenten über Felsbrocken auf denen sich Agamen mit türkisblauen Köpfen sonnen. „Fast alles hier stammt vom Westkap“, erklärt der Botaniker.

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Ein besonderer Hingucker: Ein Frosch (Strongylopus grayii) auf einer Zantedeschia. – Foto: Ram Malis

„Nur die Welwitschie da drüben habe ich aus Namibia“. Die kuriose Wüstenpflanze, der van Jaarsveld eigens ein Dach gegen die häufigen Niederschläge im Winterregengebiet am Westkap zimmern ließ, besitzt nur ein einziges, bisweilen über zwei Meter langes Blattpaar. Sie kann mehrere hundert Jahre alt werden.

Pflanzliche Überlebenskünstler

Herrlicher Blick über Babylonstoren. – Foto: Ram Malis

„Der Grund warum die Pflanzenwelt hier im Süden Afrikas so vielfältig ist, liegt an dem Stress, dem sie ausgesetzt ist“, sagt van Jaarsveld. Klimatisch extreme Bedingungen, regelmäßige Feuer und der Druck durch viele pflanzenfressende Tiere ließ die Flora am Kap ausgefeilte Strategien entwickeln, die sie in zahllosen ökologischen Nischen überlebensfähig machte. Einige Pflanzen des Fynbos, des immergrünen Bioms am Kap, keimen erst nach einem Feuer. Um das sogenannte Feuerökosystem zu erhalten, legen Naturschützer heute bisweilen gezielt Buschbrände. Seit langem sind Fynbos-Gebiete durch Landwirtschaft, städtische Entwicklung, Infrastruktur-Projekte und invasive Pflanzen gefährdet. Viele ihrer Arten sind inzwischen selten geworden oder bereits ganz verschwunden.

Auch der Kapbrillenvogel weiß Südafrikas Pflanzenvielfalt zu schätzen. – Foto: Ram Malis

„Jahrzehntelang hat es die Menschen nicht gekümmert, dass wir immer mehr Fynbos verlieren“, sagt van Jaarsveld, „langsam jedoch beginnt ein Umdenken.“ Als kapholländische Farm wurde Babylonstoren bereits 1692 gegründet. Hier wurden über Jahrhunderte Obst, Gemüse, Oliven und Wein angebaut. In einem der bekanntesten Hotels in den Cape Winelands können Gäste und Tagesbesucher heute noch stundenlang durch die ausgedehnten Gartenanlagen und Weinberge um das historische Gut mit seinen schmucken weißgetünchten Zwerchgiebeln und reetgedeckten Dächern schlendern.

Lehrreicher Fynbos

Hübsch anzusehen sind auch die Kapkörbchen. – Foto: Ram Malis

Das Weingut hat inzwischen jedoch einen Teil seiner Fläche der einheimischen Flora gewidmet und beschäftigt neben van Jaarsveld auch einen Entomologen, der über die Insekten verschiedener Biotope auf dem weiträumigen Gelände und dem angrenzenden Simonsberg-Schutzgebiet forscht. Babylonstoren legt heute Wert darauf, dass seine Gäste nicht nur den Weinbau erleben können und die Rosen- und Obstgärten durchstreifen, sondern auch die natürliche Flora und Fauna entdecken. „Die Gäste kehren mit einem ganz neuen Verständnis für die Pflanzen am Kap zurück“, sagt van Jaarsveld, „Auch Südafrikaner können noch viel über den Fynbos lernen.“

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Auch Leucospermum bereichert den südafrikanischen Pflanzenreichtum. – Foto: Ram Malis

Die meisten Südafrika-Touristen verbinden eine Safari im Kruger-Nationalpark oder einem anderen Schutzgebiet des Landes mit ein paar Tagen in Kapstadt oder entlang der Garden Route. Nur wenige erkunden die Schutzgebiete zwischen dem Kap der Guten Hoffnung und Port Elizabeth, die heute das Unesco-Weltnaturerbe „Cape Floral“ bilden. Zwar begegnet man hier nicht Afrikas berühmten Großtieren wie Elefanten, Nashörnern und Löwen, Naturbegeisterte können jedoch genauso über die kleinen Wunder des Fynbos und seine enorme Vielfalt staunen.

Wo die Blumen regieren …

Ein besonderer Genuss: Ein Honigbusch-Tee im Florilegium des Grootbos-Reservat.- Foto: Ram Malis

Etwa 150 Kilometer von Simonsberg in Richtung von Kap Agulhas, des südlichsten Punkts Afrikas, überzieht noch immer Fynbos die Hänge entlang der Küste. Im Grootbos-Reservat unweit der Walker Bay an der berühmten Whale Coast regieren die Blumen. Im Wechsel der Jahreszeiten leuchten die Berge hier zartrosa in den Farben von blühenden Erikasträuchern, pink und purpur von den Zuckerbüschen oder orange von den Nadelkissen-Silberbäumen.

Chris Lochner stellt das Florilegium in Grootbos vor. – Foto: Ram Malis

Für Chris Lochner ist diese Blumenpracht sein Zuhause. Gerade hat der Maler mit feinem Pinselstrich den Blütenstand einer Protea-Art auf seiner Staffelei fertiggestellt. Durch das Fenster vor seinem Arbeitsplatz kann er zusehen, wie bunte Kapnektarvögel durch das Gebüsch schwirren. Der Flötenwürger, ein drosselgroßer Singvogel mit schwarzem Rücken und zimtfarbenem Bauch, pfeift sein Piccolo-Staccato. Flussfrösche proben ihr Balz-Repertoire, das mal fallenden Wassertropfen, mal geflüstertem Spatzengezwitscher gleicht.

Gemalte Pflanzenfaszination

Einfach prachtvoll: Der Malachitnektarvogel. – Foto: Ram Malis

Lochner ist Kurator des Florilegiums von Grootbos. Inmitten des Reservats haben 44 südafrikanische und internationale Pflanzenmaler mit einer eindrucksvollen Ausstellung den Blumen am Kap ein Denkmal gesetzt. Unter den Malern sind in der Szene bekannte Namen wie die Südafrikanerin Vicki Thomas, die Japanerin Mieko Ishikawa und der Deutsche Andreas Hentrich. Die jüngste und einzige zeitgenössische Kunstaustellung über die Flora des Fynbos zieht heute Touristen aus dem In- und Ausland an. Bisweilen können die Besucher die Künstler auch bei einem im angrenzenden Fynbos geernteten Rooibos- oder Honigbusch-Tee treffen.

Chris Lochner verewigt Teile der Pflanzenpracht kunstvoll auf einer Leinwand. – Foto: Ram Malis

„Jede Pflanze hat eine andere Geschichte zu erzählen“, sagt Lochner beim Rundgang durch das Florilegium, „Wir wollten auch ihre Beziehungen zu Insekten, Vögeln und anderen Tieren darstellen“. Wer dem Künstler durch die Ausstellung folgt, gewinnt einen mitunter fast mikroskopischen Einblick in das komplexe Zusammenleben von Pflanzen und ihren Bestäubern. Wer hätte schon gewusst, dass die Rauflust langbeiniger, haariger Käfer-Männer, die die Südafrikaner treffend „Monkey Beetles“ nennen, zur Überlebensstrategie einiger Blumen zählt? Und dass sich andere der Arbeitswut von Ameisen bedienen, die ihre Samen bequem in die vor Buschfeuern sichere Erde katapultieren? Wieder andere setzen auf die Dienste von Schmetterlingen, Mäusen und Pavianen.

Genuss für alle Sinne

Die Kap-Flora blüht im wahrsten Sinne des Wortes auf. – Foto: Ram Malis

„Botanische Kunst vereint Naturwissenschaft und Kunst“, sagt Lochner. Wie die ersten europäischen Forscher, die bereits im 17. und 18. Jahrhundert mit ihren Skizzen zu fremden Pflanzen am Kap den Gelehrten in Amsterdam, Paris und London zum Staunen brachten, machen die Künstler des Florilegiums von Grootbos faszinierende Details von Pflanzen und Tieren sichtbar, die der Welt teils erst seit wenigen Jahren bekannt sind. „Einige tauchen nach einem Feuer urplötzlich auf und verschwinden dann wieder für ein Dutzend Jahre“, sagt Lochner.

Überaus imposant ist das Farbspiel der Mittagsblumen (Lampranthus amoenus). – Foto: Ram Malis

Mit den Bildern der botanischen Maler vor Augen treten die Gäste des Florilegiums hinaus in die Natur vor den Wänden der Ausstellungsräume. Sie atmen den süßen Anisduft des Bukkostrauchs. Sie lauschen dem verträumten Lied des Paradiesschnäppers im Geäst von 800 Jahre alten Milkwood-Bäumen. Sie sehen dem elfengleichen Kaphonigvogel zu, wie er mit seinen endlosen Schwanzfedern von Blüte zu Blüte der Zuckerbüsche flattert. Das Blumenreich am Kap erfüllt die Sinne aller Besucher, die Augen für die Details des Lebens haben. Sie schätzen sich glücklich, dass sie ihre Reise nicht allein Südafrikas Elefanten, Nashörnern und Löwen gewidmet haben.

Wissenswertes in Kurzform

Babylonstoren weiß landschaftlich zu begeistern. – Foto: Ram Malis

Informationen: www.southafrica.net

Übernachten: Von den Fynbos-Cottages von Babylonstoren blickt man über blühendes Buschland auf den Gebirgszug des Simonsberg-Schutzgebiets. Das als kapholländische Farm gegründete Weingut beherbergt heute eines der traditionsreichsten Hotels Südafrikas mit einzigartigem Garten.

Vielfach zu beobachten sind auch die weiblichen Malachitnektarvögel. – Foto: Ram Malis

Die Lodges des Grootbos-Naturreservats liegen inmitten des artenreichen Fynbos nahe am südlichsten Punkt Afrikas. Von hier aus lassen sich zahlreiche Ausflüge ins Kap-Florenreich und auch Meeressafaris in der Walker Bay unternehmen.

Veranstalter: Abendsonne Afrika bietet Reisen mit Fokus auf die Flora und Fauna Südafrikas an.

AndBeyond verbindet Safaris mit verschiedenen Stationen in den Schutzgebieten des Kap-Florenreichs.


Die Recherche fand auf Einladung / mit Unterstützung AndBeyond sowie von Abendsonne Afrika statt.

Win Schumacher