Die nachhaltige Seite von Tunis entdecken

Tunis
Vor den Toren von Tunis bilden die weiß-blauen Fassaden von Sidi Bou Said einen herrlichen Blickfang. – Foto: Philip Duckwitz

Lebhaft, laut und bunt geht es zu in den Souks, den Marktstraßen, der Medina von Tunis, durch die ich mich an diesem heißen Vormittag schiebe. Dabei ist die Medina, die historische Altstadt, das Zentrum der Stadt, die im Jahre 698 um die Ez-Zitouna-Moschee herum gegründet wurde, bis heute in einem sehr sehenswerten Zustand. Sie endet am Bab-el-Bhar, dem Stadttor im Osten des Zentrums, der Grenze zum neuen Stadtteil. Die Massen an Bevölkerung, die in der historischen Medina leben, scheine ich heute in den völlig überfüllten Souks alle anzutreffen. Auf 270 Hektar wohnt hier ein Zehntel der Bevölkerung von Tunis, fast 110.000 Einwohner.

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Das Dar Ben Gacem ist eines der versteckten Kleinode in der Altstadt. – Foto: Philip Duckwitz

Oft können die Häuser der Medina nicht restauriert werden, weil dank des tunesischen Erbrechts der Besitz immer unter allen Verwandten aufgeteilt wird und so manchmal bis zu 35 Familien Besitzer eines Hauses sind. Die kennen sich nicht mal und können sich so auch nicht einigen, wie ein Haus zu restaurieren ist. Das erklärt mir Leyla, die Direktorin meines Dar, eines historischen Gästehauses in Altstadt. Sie hat dieses Haus 2007 erworben und bis 2013 liebevoll restauriert. So bekommen die Gäste einen Eindruck, wie in jedem der individuell gestalteten Zimmer das Leben in vergangenen Zeiten gewesen sein muss.

Erhalt der Medina als Sozialprojekt

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Zu den Genüssen in Tunis gehört frisch zubereiteter Tee. – Foto: Philip Duckwitz

Gleichzeitig ist das Dar auch ein Museum, das die Kultur der Tunesier eindrucksvoll zeigt. Zwei solcher Häuser besitzt Leyla mittlerweile unweit von einander in der Medina und betreibt sie als Gästehäuser. Die kleine, drahtige Frau versprüht Energie, Ideenreichtum und Lebensfreude, wie ich sie noch manchmal antreffen werde in den kommenden Tagen. Besonders interessant bei der Restaurierung und dem Betrieb des Gästehauses ist der Umstand, dass Leyla eine Hilfsorganisation sie unterstützt. Es ist die TUI Care Foundation, die aber mit dem Reiseveranstalter nur soviel zu tun hat, als dass dieser als Türöffner bei der Arbeit dient. Die Organisation ist völlig unabhängig. Das Dar von Lelya ist eines von 560 Projekten in verschiedenen Schwellenländern, welche von der Hilfsorganisation während Covid unterstützt wurden, um den Tourismus für Startup-Unternehmer zu erleichtern.

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Die Tajine-Töpfe gehören zu den beliebtesten Souvenirs. – Foto: Philip Duckwitz

Bei meinem Bummel durch die Souks fällt mir vor allem auf, wie viele Waren aus Fernost von den lokalen Händlern angeboten werden, Billigwaren aus Asien statt einheimischer Produkte. Keine Seltenheit heute. Wer tatsächlich etwas Außergewöhnliches in den engen Gassen entdecken will, muss schon genau hinschauen. Oft sind es die älteren Händler, die augenscheinlich kleine Antiquitätengeschäfte betreiben, deren hinterer Verkaufsraum sich zu einem wahren Museum tunesischer Kultur gestaltet. Ich treffe drei, vier solcher Lädchen in der Medina an und die Besitzer sind meist freundlich und sogar froh, dass sich jemand für die Kultur ihres Landes, statt für die Billigwaren in den Straßen interessiert.

Erbe der Kolonialzeit

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Am Tor Bab-el-Bhar warten sogar menschliche Blickfänge.- Foto: Philip Duckwitz

Ich gelange hinter dem Tor Bab-el-Bhar zum lauten Zentralmarkt, auf dem es an diesem Vormittag sehr lebendig zu geht. Mohammed, ein Fischhändler spricht mich auch gleich an, will ein Foto mit mir und verkündet, dass er gerne zu mir nach Deutschland käme. Die Menschen hier im Land hätten nicht viele Perspektiven. Dass genau das ganz anders ist, werde ich in den kommenden Tagen noch eindrucksvoll erfahren. Mich zieht es weiter hinüber zur Kathedrale von Vinzenz und Paul. Wo hat man in einem muslimischen Land schon einmal eine Kathedrale? Ein Erbe der französischen Kolonialzeit, die 1956 endete. Heute wird das imposante, 1893 im neuromanischen Stil erbaute Gotteshaus von den Schwestern des Ordens des „Instituts des fleischgewordenen Wortes“, einer argentinischen Schwesternschaft, betreut und hat sogar einen Erzbischof.

Überaus pittoresk gibt sich Sidi Bou Said. – Foto: Philip Duckwitz

Ohne ein Besuch im Dorf Sidi Bou Said geht kein Aufenthalt in Tunis zu Ende. Zumal man in dem kleinen, mit blau-weißen Häusern gestalteten Dorf auf einer Anhöhe den besten Ausblick auf Tunis genießt und hier vor allem dem Sonnenuntergang als romantisches Erlebnis fönen kann. Der Spaziergang durch das Dorf ist allerdings ein Bummel durch Touristenläden mit billigen Souvenirs aus Fernost. Amüsiert schaue ich zu, wie sich chinesische Reisegruppen durch die Gassen drängen und ihre eigenen Produkte erwerben. So geht der billige Schund wenigstens zurück nach Asien, denke ich. Auch eine Form der Müllvermeidung. Obschon das pitoreske Dorf aus dem 12. Jahrhundert, das früher der Religion geweiht war und seine Wurzeln im Fischfang hat, sicherlich ein Zeugnis der tunesischen Kultur ist, so ist es heute eher ein Beleg dafür, wie Tourismus nicht funktionieren sollte.

Ruinen von Kathargo – es geht nicht ohne

Karthago ist für Tunesien-Besucher fast schon eine Pflichtstation. – Foto: Philip Duckwitz

Mich zieht es weiter, raus aus Tunis zu den historischen Stätten der Ruinen von Kathargo, ein Muss für jeden, der die tunesische Hauptstadt besucht. Einst war Kathargo eine mächtige Metropole, es wurde von den Römern im Jahr 146 v. Chr. endgültig zerstört. Bekannt ist der Satz des römischen Senators Cato dem Älteren, der an jede seiner Reden den Nachsatz „et ceterum censeo Carthaginem esse delendam“ anhängte „und im übrigen bin ich dafür, dass Kathargo zerstört wird“. Denn die Metrolople in Nordafrika konnte Rom in jeder Hinsicht gefährlich werden. Die Punier, oder auch Phönizier, die Einwohner Kathargos waren ein sehr erfolgreiches Volk, eine Handelsmacht am Mittelmeer mit Kolonien in Sardinien, den Balearen, Malta und Sizilien.

Überaus aufgeschlossen geben sich viele Tunesier. – Foto: Philip Duckwitz

Einer seiner größten Feldherren war Hainnibal, der in zwei großen Feldzügen das römsiche Reich bedrohte. Nach der Zerstörung von Kathargo durch Julius Cesar wurde ein römisches Kathargo errichtet, dessen Ruinen heute als UNESCO Weltkulturerbe noch zu besuchen sind. Auf 612 Hektar finden sich hier recht nah beieinander das Antonius-Bad, das Amphietheater, das römische Dorf auf dem Hügel Odeon, das Kryptoportikusv – ein unterirdischer Gang, die Rotunde, die Zisternen und der punische Hafen.

Lohnenswerter Abstecher nach El Djem

Überaus beeindruckend ist das Amphietheater von El Djem. – Foto: Philip Duckwitz

Der Vollständigkeit halber sollte, wer kann, auch das Forum Romanum im fast 250 Kilometer entfernten El Djem besuchen. Ein römisches Amphietheater in der Größe des Forum Romanum in Rom. Mitten in der Wüste ein beeindruckendes Bauwerk. Immerhin war das mit 68 Arkaden versehene Bauwerk, in dem bis zu 35.000 Menschen Platz fanden, das drittgrößte im römischen Reich und mit Ausmaßen von 120 mal 150 Metern ein weithin sichtbares und imposantes Monument, dessen Besuch in jedem Fall lohnt.

In El Djem ist die lange Geschichte auf Schritt und Tritt gegenwärtig. – Foto: Philip Duckwitz

Während meiner Fahrt hinaus aus Tunis und auch einige Tage später nach El Djem im Süden des Landes, fallen mir die unglaublichen Müllberge rechts und links der Straßen auf. Flaschen aus Glasu und Plastik und Reststoffe werden einfach in Gegend geworfen. Tunesien hat ein Müllproblem.

Destination Zero Waste Programm als Chance

Mit Freude bringen sich die jungen Tunesier in das Destination Zero Waste Programm ein. – Foto: Philip Duckwitz

Je mehr der Tourismus in Tunesien – wie auch anderen Ländern – zunimmt, um so mehr Müll entsteht, den das kleine Land in Nordafrika nicht ohne Hilfe bewältigen kann. Um so erfreulicher ist es, wenn ein Hilfsprojekt auf die Beine gestellt und von der Bevölkerung auch angenommen wird. Bislang werden nur vier bis sieben Prozent des tunesischen Mülls tatsächlich recycelt. Das ist sehr uneffizient. Recycling und Upcycling sind Themen, die vor allem junge Menschen begeistern.

Nicht mehr benötigte Teile werden mit Geschick wiederverwendet. – Foto: Philip Duckwitz

Die TUI Care Foundation hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein solches Projekt zu unterstützen. Ich besuche eine Gruppe junger Leute vor den Toren der Innenstadt von Tunis. Hier findet das „Destination Zero Waste“ ein Zuhause und Besucher können sich in einem Workshop davon überzeugen, was sich aus Abfall alles machen lässt. Ich werde sogleich eingebunden und lerne, wie man aus einer alten Bierflasche und dem Boden einer Plastikflasche ein Trinkglas und einen Salzstreuer kreieren kann. Mittels gespendeter Werkzeuge lässt sich die Flasche auseinander schneiden, erhitzen, schleifen und schließlich zu zwei neuen Teilen zusammenbauen.

Erfolgreiches Recycling und Upcycling

Aus alten Bierflaschen werden Salzstreuer und Trinkgläser. – Foto: Philip Duckwitz

Die jüngst ins Leben gerufene Inititiative verbindet 15 lokale Unternehmen, die derzeit rund 17.000 Kilogramm Reststoffe aus Glas und Plastik weiterverabeiten, in Produkte umwandeln und für die touristische Vermarktung des Projekts sorgen. Um junge Menschen für das Projekt zu gewinnen, werden Animateure ausgebildet, die für die Weiterverbreitung des Gedankens der Müllvermeidung und Abfallverwertung sorgen. Die Herstellung der ökologischen Produkte in diesem Programm unterliegt dabei dem Unternehmen Indinya, das Teil des „Destination Zerwo Waste“ Programms ist, unterstützt von der TUI Care Foundation.

Der erste Schritt ist getan: die Flasche ist geteilt. – Foto: Philip Duckwitz

Ein wichtiger Aspekt des Programms ist es neben der Abfallverwerzung vor allem, junge Menschen in grüne Jobs zu bringen, ihr Umweltbewusstsein zu stärken, ihnen eine Aufgabe zu geben und ihnen zu verdeutlichen, wie wichtig sie für ihr Land sind. Und hier fällt mir der Fischhändler Mohammed aus Tunis wieder ein, der keine Perspektive für sich in diesem Land sieht. Dieses Programm zeigt, wie es geht, erkenne ich. Das bestätigt mir auch Hathemi, die 24-jährige Produkt-Designerin, die in der Initiative seit einem Jahr tätig ist. Sie hat schon immer Interesse an grünem Design, also Produkten aus Recycling-Stoffen, gehabt, erzählt sie. Eine sinnvolle Aufgabe und die Möglichkeit, Müll zu verhindern sie die junge Frau, die Ambitionen hat, einmal selbst ein Unternehmen zu gründen und die Kenntnisse aus diesem Programm darin zu verarbeiten. Tunesien bietet Perspektiven. Für junge Leute.

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Lebhaft bieten die Fischhändler ihre Waren feil. – Foto: Philip Duckwitz

Tunesien tut was – und hat weit mehr zu bieten als Strände und Wüsten-Safaris. Mit dieser Erkenntnis und der Zuversicht, das kleine Land in Nordafrika, das ich mit völlig anderen Augen kennen gelernt habe in den vergangenen Tagen, bald wieder zu besuchen, endet meine Reise in die Region Tunis.

Wissenswertes zu Tunis in Kurzform

Erbe aus der Kolonialzeit: die Kathedrale von Vinzenz und Paul in Tunis. – Foto: Philip Duckwitz

Anreise: Von Deutschland aus gehen zahlreiche Flüge nach Tunesien, mit der landeseigenen Tunisair. Die Flugzeit nach Tunis beträgt lediglich zweieinhalb Stunden.

Sehenswertes: Wer in Tunis unterwegs ist, kann zahlreiche Museen besuchen, das bedeutendste ist das weltgrößte Mosaik-Museum Bardo.

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Abendstimmung über den Dächern von Tunis. – Foto: Philip Duckwitz

Zero Waste Programm: Das Zero Waste Programm Tunis ist für Reisende ab Ende 2024 für das kommende Jahr buchbar und eine Teilnahme am Workshop möglich. Die Produkte aus dem Programm können im Shop Indinya Aromes & More erworben werden.

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An gemütlichen Restaurants und Genüssen mangelt es in Tunis nicht. – Foto: Philip Duckwitz

Essen & Trinken: In Tunis speist man in der Medina gut im Restaurant-Hotel Dar El Jeld. In Sidi Bou Said sollte man keinesfalls innerhalb des Dorfkerns speisen. Hier empfiehlt es sich, etwa 200 Meter die Straße hinab zu gehen. Dort erwartet einen das Restaurant Elbarkoun und die lebhafte Besitzerin Anna, die eine authentische, frische Küche serviert.

Übernachten: Ausgezeichnet wohnt man in Tunis mitten in der Medina in einem historischen Gebäude im Dar Ben Gacem.


Die Recherche fand auf Einladung / mit Unterstützung der TUI Care Foundation statt.

Philip Duckwitz

Philip Duckwitz

unternahm 2007 seine erste Pressereise nach Guatemala. Damals ahnte er nicht, dass er seitdem mehr als 90 Länder besuchen würde. Der Germanist und Politologe ist als Weltenbummler bis heute stets auf der Suche nach unbekannten Regionen, interessanten Menschen und ungewöhnlichen Stories.