Weltkulturerbe und Strandidylle in Wales

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Das walisische Caernarfon gibt sich überaus charmant und farbenfroh. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Es ist immer wieder erstaunlich, wie wenig es eigentlich braucht, um kiloweise Glückshormone auszuschütten. So im Norden von Wales auf der Llŷn-Halbinsel. Der Anblick der weiten Bucht, der sanften Hügel und der Irischen See lässt in Sekundenschnelle den wolkenbehangenen Himmel vergessen. Gesteigert wird das Glücksgefühl noch, als am nördlichen Ende der sichelförmigen Bucht von Porthdinllaen eines der faszinierndsten Pubs des Landes erreicht ist:

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Ein charmantes Kleinod ist Caernarfon mit dem mitten in der Stadt gelegenen Castle. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Das Ty Coch Inn wurde sogar jüngst zu einer der zehn schönsten Strandbars der Welt gekürt, obwohl es streng genommen keine solche ist. Vielmehr liegt die populäre Kneipe durch eine Mauer geschützt etwas oberhalb des weitläufigen Sandstrandes. Und doch stimmen Bier- und Cocktail-Liebhaber hier mit den Füßen ab, pilgern in Scharen zu dem entlegenen Pub.

Längster Küstenwanderweg der Welt

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Überaus einladend gibt sich die Bucht von Porthdinllaen auf der Llŷn-Halbinsel.  – Foto: Karsten-Thilo Raab

Auf der Landzunge etwas oberhalb duckt sich der malerische Golfplatz von Nefyn in der weitläufigen Dünen- und Hügellandschaft. Die speziellen Windverhältnisse stellen die Spieler vor besondere Herausforderungen, während unten am Strand mit dem Wales Coastal Path, der mit 1.400 Kilometern längste Küstenwanderweg der Welt, verläuft.

Das Ty Coch Inn in der Bucht von Porthdinllaen wurde unlängst zu einer der besten zehn Strandbars der Welt gekürt. – Foto. Karsten-Thilo Raab

Wer diesem für ein paar Kilometer folgt, gelangt zum einem besonderen Kleinod namens Nant Gwrtheyrn. Das kleine Dörfchen liegt in einer tief eingeschnittenen Schlucht an der Irischen See im Schatten von fast 400 Metern hoch aufragenden Bergen. Dort, wo ab Mitte des 19. Jahrhunderts für gut neun Jahrzehnte Steine abgebaut wurden, stoßen viele heute auf schwere verbale Brocken. Denn seit 1982 wird in Nant Gwrtheyrn versucht, interessierten Erwachsenen aus aller Herren Ländern die Besonderheiten der alles andere als einfachen walisischen Sprache näher zu bringen.

Arbeiteridylle am Klippenrand

Die Vergangenheit der Steinindustrie ist in Nant Gwrtheyrn noch gut sichtbar. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„Im 18. Jahrhundert waren die Industriemetropolen in England händeringend auf der Suche nach Baumaterial. Insbesondere aus Manchester und Liverpool wurden die Fühler ins benachbarte Wales ausgestreckt“, so Mathew Penri, einer von drei Lehrkräften im sogenannten National Language Centre. Im Jahre 1860 eröffneten in Nant Gwrtheyrn, so der 26-jährige weiter, gleich drei Steinbrüche, in denen Granit als Straßenbelag abgebaut wurde.

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Die ehemaligen Arbeiterhäuser in Nant Gwrtheyrn dienen heute als Unterkünfte für Sprachschüler und Wanderer. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Für die Arbeiter wurden zwei Häuserreihen hochgezogen. Auch eine Kapelle und ein Geschäft fehlten nicht. Als Anfang des 20. Jahrhunderts das Kopfsteinpflaster mehr und mehr dem Teer als Straßenbelag weichen musste, wurde gleichzeitig das Ende der Steinbrüche eingeläutet. Die Arbeiter und ihre Familien verließen Nant Gwrtheyrn und die Siedlung verfiel in einen Dornröschenschlaf, ehe hier ab Ende 1970er Jahre umfangreiche Umbau- und Renovierungsarbeiten für das Sprachzentrum begannen.

Beeindruckendes Welterbe in Caernarfon

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Landschaftlich weiß der Küstenabschnitt bei Nant Gwrtheyrn zu faszinieren. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Die Kapelle und das einstige Haus des Steinbruchchefs, das den Namen „Y Plas“ trägt, wurden zu Unterrichtsräumen, die Wohnhäuser zu Unterkünften, so dass hier ab 1982 erste Walisisch-Kurse abgehalten werden konnten. Die Schlafstätten in Nant Gwrtheyrn, das jährlich allein 50.000 Tagesgäste zählt, stehen allen offen. Und so legen nicht wenige, die auf dem Wales Coastal Path unterwegs sind, hier ein Nachtlager abseits allen Trubels ein.

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Das beeindruckende Caernarfon Castle steht als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Überaus lohnend ist auch ein Abstecher nach Caernarfon. Die 10.000-Seelen-Gemeinde an der Meerenge von Menai fühlt sich spürbar königlich. Nicht nur, weil das weithin sichtbare Castle im Herzen der malerischen Altstadt als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO steht, sondern weil im Hof der trutzigen Festung der britische Thronfolger Charles im Jahre 1969 zum „Prinz of Wales“ gekrönt wurde.

Wo Charles zum Prince of Wales wurde

Faszinierender Blick von Caernarfon Castle auf die Stadt, den Manai und die gegenüberliegende Insel Anglesey. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Bis heute sind die Windsors dem Städtchen eng verbunden und statten Caernarfon regelmäßig einen Besuch ab. Daher wurde die im 13. Jahrhundert errichtete Festung mit ihren neun Türmen und stolzen Zinnen sogar durch einen gläsernen Balkon erweitert, von dem aus die Blaublütigen dem Volke auf dem zentralen Castle Square zuwinken können.

Bunte Häuser und enge Gassen prägen neben der Festung das Bild von Caernarfon.  – Foto: Karsten-Thilo Raab

„In Wales finden sich genau 641 Burgen und Burgruinen“, weiß Guide Rob Lewis Jones zu berichten, während mit Conwy eine weitere Perle im Norden von Wales erreicht ist. Neben dem gleichnamigen Castle aus dem 13. Jahrhundert, das ebenfalls zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt, wird das mittelalterliche Marktstädtchen von einer 1,5 Kilometer langen Stadtmauer mit insgesamt 21 Türmen dominiert.

Das kleinste Haus Großbritanniens

Das schmalste Haus Großbritanniens in Conwy. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Einen augenfälligen Kontrast zu den geschichtsträchtigen Gemäuern bildet ein knallrotes Häuschen am Hafen, das als schmalstes Haus in Großbritannien gilt. Der gezeitenabhängige Hafen, eine spektakuläre Hängebrücke von Thomas Telford aus dem frühen 19. Jahrhundert und die Nähe zu den Bergen von Snowdonia sind weitere Pfunde, mit denen Conwy wuchern kann.

Conwy wird von einer stolzen mittelalterlichen Stadtmauer umgeben. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Ein wenig angsteinflößend wirken nur die laut kreischenden Möwen, die zu fliegenden Riesen mutiert zu sein scheinen und überaus gut im Futter sind. Die „Don’t feed seagulls“-Schilder werden hier scheinbar beflissentlich ignoriert. Dafür sorgen in der High Street einige Bäume, die durch das sogenannte Guerilla Knitting mit einem Strickkleid verschönert wurden, für besondere Blickfänge.

Toskana-Flair in der Tremadog Bay

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Ein echter Blickfang: Der Pantheon in Portmeirion. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Eine völlig andere Welt eröffnet sich wenige Kilometer weiter in Portmeirion, wo der exzentrische Visionär Clough William-Ellis (1883-1978) zwischen 1925 und 1976 seine eigene kleine Welt geschaffen hatte: einen verspielten Ort mit bonbonfarbenen Fassaden, Türmchen, Säulengängen, Kirchen, Kuppeln, Statuen und einem liebevoll angelegten Garten. Vieles ist echt, manches aber einfach nur schöner Schein.

Nicht von ungefähr wird Portmeirion immer wieder für Filme in Szene gesetzt.- Foto Karsten-Thilo Raab

Über Portmeirion schwebt ein Hauch der Toskana mit einem Hang zum Disneyland. Zu den vielen kuriosen Bauwerken gehören der Bell Tower of Campanile, die Buddha Statue aus Ingrid Bergmanns Film „Die Herberge zur 6. Glückseligkeit“, der Pantheon, eine klassische Kolonnade, die William Reeve 1760 für den Arnos Court in Bristol errichtet hatte, ein „falscher“ Leuchtturm und ein viktorianischer Hundefriedhof, der noch immer Benutzung ist.

Lebenstraum von Clough William-Ellis

Portmeirion ist ein Ort der Kontraste. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„William-Ellis wollte beweisen, dass er an einem der schönsten Flecken dieser Erde etwas ebenso Schönes schaffen konnte, ohne dieser Ort zu zerstören“, berichtet Meurig Jones, Standortleiter von Portmeirion, voller Ehrfurcht über die Entstehung dieses ehrgeizigen Projektes, das ein bisschen an eine Filmkulisse erinnert. Und in der Tat wurde auf dem 7.000 Hektar großen Areal an der Tremadog Bay ab 1966 die britische TV-Kultserie „The Prisoner„, die in Deutschland unter dem Titel „Nummer 6“ über den Bildschirm flimmerte, abgedreht.

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An ungewöhnlichen Blickfängen mangelt es nicht. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Auf die Frage, warum er diesen ungewöhnlichen Mix aus Baustilen und Epochen im Norden von Wales errichten ließ, soll Clough Williams-Ellis Zeit seines Lebens immer wieder gebetsmühlenartig geantwortet haben: „Weil es mein Traum war!“

Fehlen noch 639 Burgen…

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Castell Deudraeth ist heute eine luxuriöse Unterkunft. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Einen eben solchen verwirklichte in unmittelbarer Nachbarschaft zum Portmeirion Village im Jahre 1850 auch der Abgeordnete David Williams. Er ließ sich mit Castell Deudraeth ein viktorianisches Schloss errichten, das heute als Luxushotel und Nobelrestaurant dient.

„So hübsch auch anzusehen ist, gehört es wirklich nicht zu den 641 Burgen und Burgruinen in Wales“, lacht Rob Lewis Jones, wohl wissend, dass noch 639 weitere Castle darauf warten, entdeckt zu werden…

Weitere Informationen unter www.visitwales.com.

Der Buchtipp: Unnützes Reisewissen

Klar lässt sich Unnützes Reisewissen von Mortimer Reisemagazin Redakteur Karsten-Thilo Raab wie jedes andere einfach Buch von vorne nach hinten lesen. Muss man aber nicht. Das 172 Seite starke Kompendium kann auch immer wieder wahllos an einer x-beliebigen Stelle aufgeschlagen werden. Und egal, welche Vorgehensweise man bevorzugt, Fakt ist, es lässt sich auf jeder einzelnen Seite Spannendes, Faszinierendes, Kurioses, Verrücktes und/oder Amüsantes aus der Welt des Reisens in kleinen, kurzen und peppigen Texten erfahren. Und natürlich auch so manches über Wales

Ein Sammelsurium, das für die Macher von Quizshows ein perfekte Vorbereitung garantiert; eine Sammlung, die gleichermaßen zum Staunen, zum Kopfschütteln und mitunter zum Lachen einlädt und die für jede Menge Gesprächsstoff sorgt. Und sei es, weil man Mitreisende, Freunde und Bekannte mit vermeintlich unnützem Reisewissen konfrontiert. Dies kann hier und da nerven, sorgt aber immer für launige Unterhaltung. Denn für alle, die gerne mal mit weniger bekanntem Wissen über Reiseziele auftrumpfen möchten, findet sich in dem Buch aus dem Westflügel Verlag entsprechender Input mit mehr als 800 (!)erstaunlichen Fakten, die weit über die Beschreibung eines Urlaubsortes hinausgehen. Ein Buch, das einem im positiven Sinne nicht loslässt und ganz nebenbei ein Wissen vermittelt, das man nicht unbedingt benötigt, das aber jede Menge Spaß garantiert.

Erhältlich ist Unnützes Reisewissen (ISBN 978-3-939408-42-0) für 11,90 Euro im Buchhandel oder versandkostenfrei direkt beim Westflügel Verlag.

Karsten-Thilo Raab

berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.