Aufregung schon am frühen Morgen. „Dort, die Palm-Piperschlange auf dem Boden“, ruft Ronaldo und greift dabei nervös nach einem Stock. Sofort umringelt ihn das grünschwarze Reptil. Es zischelt, zeigt seine spitzen Zähne. Unwillkürlich weichen die Wanderer zurück. „Ja, sie ist tödlich! Einem Chamäleon ähnlich kann sie sieben verschiedene Farben annehmen und ist im dichten Dschungel kaum erkennbar“, warnt der Tico, wie sich die Einheimischen nennen. Geschickt jongliert er dann das ein Meter lange, kräftige Tier in einen ausgehöhlten Baumstamm, wo es sich scheinbar gemütlich zusammenrollt.
Die Gruppe ist im Tenorio Volcano Nationalpark in Costa Rica unterwegs, nördlich der Hauptstadt San José, nahe der Grenze zu Nicaragua. Gut, dabei in Begleitung eines erfahrenen Mannes wie Ronaldo zu sein. Denn im Urwald steckt beides: Schönheit und Grauen.
Baumriesen, Vulkane und Morpho-Falter
Der Primärwald hat zwei Vulkane, ist 600 Jahre alt und liegt 830 Meter über dem Meer. Der Weg hinein schlängelt sich durch dichtes Grün, führt unter Baumriesen durch, zottig behangen mit Epiphyten, dann wieder durch flirrendes Gewirr von Farnen und Lianen. Tellergroße Morpho-Falter funkeln stahlblau in der Sonne, Kolibris schwirren von Blüte zu Blüte. Das Krächzen von Aras ist immer wieder zu hören, Brüllaffen hangeln lautstark in den Wipfeln – und die Faultiere verschlafen 20 Stunden ihres Tages. Man muss sich einfühlen in diese fremde, alte Welt.
Aber es kommt noch besser! Man sieht ihn nicht, nur von Weitem hört man ein ständiges Brausen. Dann plötzlich Gischt aus dem kleinen Tal – der Catarata Rio Celeste! Auch wenn der Abstieg beschwerlich ist, diesen Wasserfall darf man nicht verpassen!
Unten angekommen traut man schließlich seinen Augen nicht, starrt auf eine überirdische Märchenwelt. Ein kraftvoller Fluss, der Rio Celeste, stürzt 30 Meter hinab in ein Becken vulkanmineralisch hellblauen Wassers. Allein inmitten eines smaragdgrünen Waldes, geblendet vom blauen Wunder der Natur, lost in paradise…
Auch wenn Kolumbus bei der Namensgebung von Costa Rica sicher anderes im Sinn hatte: Schätze birgt das kleine Land in Hülle und Fülle. Nicht goldglänzend und diamantenfunkelnd, sondern dschungelgrün, orchideenrot und meerblau. Von den etwa fünf Millionen Tier- und Pflanzenarten unserer Erde sind zwei Drittel hier vertreten – Weltrekord!
Acht verschiedene Vegetationszonen
Darunter sind Jaguare, Pumas, Krokodile, Nasenbären, Eidechsen, Affen. Und auch acht verschiedene Vegetationszonen vom Nebelwald, Sumpfgebiet bis hin zur Steppe! Gut ein Viertel des Landes steht unter Naturschutz. Wieder Weltrekord! Allein 852 verschiedene Vogelarten locken Besucher hierher. Glücklich, wer dabei einen Tukan oder den farbenprächtigen „Göttervogel“ Quetzal vor die Linse bekommt.
Der Dschungelstreifen wird im Norden von Nicaragua, im Süden von Panama begrenzt. Ein friedliches, sicheres Land zwischen zwei Meeren, mit 1.000 Kilometern Stränden, wenig größer als die Schweiz. Alles ist möglich: morgens baden vorm weißen Karibikstrand, abends beim Cocktail der perfekte Sonnenuntergänge hinterm Pazifik!
Schmutzig, verschwitzt, aber belustigt über die Kapuzineräffchen, die in den Blätterdächern toben, erreichen wir schließlich das Hideaway Rio Celeste. Es öffnet sich ein wohl gepflegter Tropengarten: um rote Hibiskusblüten schwirren Kolibris, die gelben Spitzen einer Helikonienblüte leuchten in der Sonne, üppige Ficuspflanzen wuchern um die Wette.
Dazwischen „Cabinas“, aus Holz gebaute Lodges, innen geschnitzte Tropenmöbel, dekoriert mit knallig farbenen Kissen. Nur knapp zwei Stunden Autofahrt sind es bis San José: Zivilisation und Urwald so nahe! Überall an Costa Ricas Stränden, im vulkanischen Hochland, im Dschungel werden neue Anlagen gebaut, Luxus und Ökologie im Einklang.
Mit der Taschenlampe auf Dschungeltour
Das Abendkonzert beginnt mit dem Glucksen der Kröten, schwillt dann an zu vielfältigem Fiepen, Zirpen, Keckern und Schnalzen. Nach Sonnenuntergang senden schließlich auch Tausende von Glühwürmchen Lichtblitze in die Finsternis, Fledermäuse gleiten lautlos durch die Nacht. Ranger David ermuntert zum Aufbruch. Mit Taschenlampen gehen wir hinter dem Resort hinein in die Finsternis des Dschungels. Tiere sind unsichtbar, Geräusche noch intensiver als am Tage.
Mit sicherem Gespür leuchtet David Taranteln, Wolfsspinnen, Skorpione, Frösche, Zikaden, Rieseninsekten an – ein Tapir raschelt ebenfalls durchs Gebüsch. Die eng stehenden Bäume, Palmen, die übergroßen Blätter erscheinen wie Gemäldefetzen von Rousseau. Naturkundeunterricht zum Anfassen – aber besser nicht! Das Dinner im offenen Restaurant bei leiser Musik ist dann Entspannung pur.
Am nächsten Morgen erwachen wir nicht unterm Sonnenlicht, sondern vom ohrenbetäubenden Radau der Vögel und Brüllaffen. Das ist der Soundtrack zur Fahrt ins Naturschutzgebiet um den Vulkan Arenal in der Provinz Guanacaste. Zuckerrohrfelder, Bananenhaine, Kaffee- und Ananasplantagen zeigen die Vielfalt des Landes.
Wir treffen auf Dörfer der Handwerker und Öko-Bauern.
Das Städtchen Sarchí ist berühmt für seine „Caretas“ – bunt bemalte Ochsenkarren aus Mango- und Mahagoniholz, die früher zumeist Kaffee, Zuckerrohr, Mais zu den Märkten fuhren. „Die Karren mit Kaffee, „unserem wohlduftenden Gold“, ratterten in Karawanen von Hunderten zum Hafen Puntarenas, wo die Engländer einst die ersten Abnehmer waren“, erzählt Joaquín Chaverri, Enkel der Gründerfamilie, die 1903 die ersten Caretas zimmerte.
Kunst á la Costa Rica: Bemalte Ochsenkarren
Die Blumenmotive in ihren leuchtenden Farben entstammen dabei dem indigenen Leben. Heute stehen die Karren auf der Weltkulturerbe-Liste, als Souvenirs begehrt – und in unzugänglichen Gegenden noch immer in Betrieb.
Vor dem 1.600 Meter hohen Vulkankegel Arenal rauschen Hibiskus- und Bourgainvillea-Büsche vorbei, Pferderanches, Kaffee- und Ananasplantagen – dem Fruchtexport Nummer eins. Auf seiner Finca Educativa empfängt uns Don Juan, ehemals Lehrer. Sein Credo: Gesunde Kost aus gesunder Umgebung. Schüler, Studenten, Touristen, alle können hier arbeitend die Sinne fürs Ökologische schärfen.
Don Juans Spezial-Lunch: Gegrillter Tilapia-Fisch, Schweinekruste mit Chips aus Yukkawurzeln, Chayote – grüner Kürbis -, gebratene Platanos, schwarze Bohnen, dazu Saft frischer Moringablätter. Flan caramel! Ohne Frage, das ist Costa Ricas „Pura Vida“, das ganz eigene Lebensgefühl der Ticos. Sie zählen sich tatsächlich nicht von ungefähr zu den glücklichsten Menschen der Welt.
Wissenswertes für die Reise nach Costa Rica
Weitere Informationen: www.botschaft-costarica.de und www.visitcostarica.com
Anreise: AbNovember fliegt erstmalig Air France mittwochs und samstags ab Paris direkt nach San José. Zubringerflüge ab fast allen deutschen Städten. Flüge mit American Airlines über Miami oder Madrid nach San José;
Einreise: Reisepass mit sechs Monaten Gültigkeit genügt.
Reisezeit: Ganzjährig. Ostern und Weihnachten sollte man meiden.
Klima: Es herrscht tropisches Klima. Am wenigsten Regen fällt in den Monaten Oktober/November bis März/April.
Gesundheit: Impfungen sind für deutsche Staatsbürger nicht vorgesehen.
Bevölkerung: Vier Millionen Menschen leben in Costa Rica, 80 Prozent der Ticos sind weiß, 15 Prozent Mestizen.
Sehenswert: Der „La Paz Waterfall Gardens Nature Park“ nahe des Vulkans Arenal zeigt die schönsten Schmetterlinge, die meisten exotischen, farbigen Vögel, Kolibris, Affen, Schlangen, Dschungelkatzen des Landes u.v.m. Restaurant und Lodge unter www.waterfallgardens.com
Die Oxcart-Fabrik in Sarchí: charverri@gmail.com;
Führungen über die Don Juan-Farm mit Lunch ca. 10 US-Dollar.
Tubing-Touren: in Autoreifen rasen Touristen den Rio Celeste hinab; Canopy-Touren mit 12 Plattformen: man schwebt an Seilen und sieht das „grüne Paradies“ von oben.
Unterkünfte: Hotel Resort & Spa Arenal Paraíso nahe La Fortuna. Alle Zimmer der Bungalows mit Blick auf den Vulkan Arenal. Dreizehn Pools haben Thermalwasser.
La Paz: Hideaway Hotel Rio Celeste hat 26 geräumige Chalets, ein schönes Spa – Ökologie und Luxus ist hier im Verbund. Auf den Holzveranden schöne Tropensessel und Hängematte – umrahmt von blühenden Tropengewächsen, umgeben von Urwald. Angeboten werden 17 verschiedene Ausflüge.
Veranstalter: z.B. 14 Tage Costa Rica, Nicaragua, Panama kosten bei FTI ab 4.183 Euro/P/DZ; 18 Tage bei Geoplan Touristik ab 5.490 Euro/P/DZ ; 22 Tage Costa Rica vom Atlantik bis zum Pazifik bei Gateway Lateinamerika ab 3.152 Euro/P/DZ zzgl. Flüge
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Katharina Büttel
lebt und arbeitet als freie Reisejournalistin in Berlin. Über 30 Jahre reist sie für ihre Reportagen und Fotos um die Welt – seit vielen Jahren veröffentlicht sie auch im Mortimer-Reisemagazin.