Im Rhythmus der Schleusen – Hausbooturlaub auf dem Canal du Nivernais

Am Ufer des Canal du Nivernais liegt das charmante Dörfchen Villiers sur Yonne. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Gibt es den? Den perfekten Urlaub, bei dem Eltern und Kinder gleichermaßen auf ihre Kosten kommen? Bei dem Aktivität und Entspannung sich perfekt die Waage halten? Bei dem relaxte Familienzeit und Abenteuer in gleichem Maße vorkommen? Die Antwort lautet: „Oui!“ und das Geheimrezept „Hausbootferien auf dem Canal du Nivernais!“

1. Tag an Bord: Alle Landratten aufgepasst!

Der Urlaub in dem herrlichen Teil von Burgund, fast in der Mitte von Frankreich, beginnt in dem Moment, als die vierköpfige Familie die Turnschuhe in Tannay, dem Ausgangspunkt der Bootsreise, an Deck setzen. An Bord sind Mama und Papa plötzlich Käpitän und Smutje, die Kinder Leichtmatrosen und Seil-Manager.

Das kleine Tannay ist der Startpunkt für eine grandiose Hausboottour auf dem Canal du Nivernais und der Yonne. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Ein kurzer Rundgang auf dem schnittigen Hausboot verrät: Küche, Bad, ein kombiniertes Speise- und Wohnzimmerchen, zwei Kabinen – alles ist an Bord der „Caprice“ im kindgerechten Format vorhanden und das kleinste Crew-Mitglied genießt sichtlich die Aussicht darauf, dass die gesamte Familie für die kommenden sieben Tage auf einem Fleck zusammen ist und bleibt.

Gut 50 Schleusen gilt es auf der 100 Kilometer langen Strecke nach Migennes zu bewältigen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Mechaniker Remis klopft vorsichtig an die Bordwand und heißt die Boots-Neulinge mit einem freundlichen “ `allo! Bienvenue!“ willkommen. In rund einer Viertelstunde hat er die frisch gebackenen „Bootsbesitzer“ alle technischen Finessen des Bootes erklärt und versichert, dass man selbst als eingefleischte „Landratten“ eigentlich nichts falsch machen kann.

Die Caprice am ersten Ankerplatz in Villiers sur Yonne. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Eine kleine Probefahrt, bei der er das Lenken, Gasgeben und Fehlen einer Bremse dann auch ganz praktisch erklärt, bringt die angehenden Freizeitkapitäne aber zunächst doch ein wenig ins Schwitzen. Schließlich sind die Brücken schmal und das Brot breit. „Ca va! Das passt! Macht Euch keine Sorgen, Ihr werdet das schnell raus haben“, ermuntert Remis die Hobbybootsbesatzung.

Die Tour auf den Canal du Nivernais – wie hier an der Ecluse de Chantenot – ist überaus entspannend. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Als alle Vorräte und Gepäckstücke an Bord verstaut sind, legt die Familien-Crew für zwei erste entspannte Fahrstunden ab. Für die erste Nacht wird im kleinen, verschlafenen Örtchen Villiers-sur-Yonne festgemacht – zusammen mit zwei weiteren Booten.

2. Tag an Bord: À bientôt

Clamecy begeistert nicht nur mit mittelalterlichem Fachwerkcharme. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Der frühe Vogel fängt den Wurm – das gilt wohl für die Bootsnachbar. Denn das leise Fahrgeräusch weckt Groß und Klein in den gemütlichen Kojen, in denen es trotz frischer Außentemperaturen in der Nacht sehr gemütlich ist. Draußen lacht schon die wärmende Sonne. „Wer läuft mit ins nächste Dorf und besorgt Croissaints?“, ruft die 16-jährige Maximiliane und springt schon an Land. Gute drei Kilometer Hin- und Rückweg sind zu bewältigen, aber weil die Ortschaften so verwunschen wie in einem romantischen Film daliegen, spaziert es sich sehr angenehm und kurzweilig.

Weithin sichtbare Landmarke in Clamency: die Stiftskirche St. Martin. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Und der Duft der frischen Backwaren in der kleinen Boulangerie ist ebenfalls eine gute Belohung für den morgendlichen Marsch. Am Frühstückstisch fasst Thore zusammen: „Frankreich schmeckt mir. Und die Franzosen sind so schön ge-chillt!“

Direkt am Ufer in Clamency erhebt sich die eher ungewöhnliche Bethlehemskirche. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Recht hat er! Auf der morgendlichen Wanderung Richtung Baguetterie begegnen Mutter und Tochter lauter freundlichen, tief entspannte Einwohner. Die rundliche Frau, die kopfüber Stiefmütterchen pflanzt, der jätende Nachbar – alle haben ein paar freundliche Sätze für die Besucher auf Lager und vermitteln so das schöne Gefühl, mehr als willkommen zu sein. Kein Wunder, denn Touristen gibt es in dieser Gegend des Burgund nur wenige.

Auch für Nachwuchskapitäne ist das Steuern der Hausboote problemlos. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Wie eine große Badewanne, bei der man den Stöpsel rauszieht“, erkennt Thore an der nächsten „Écluse“ die Funktionsweise der Schleuse und darf gleich mit an der Handkurbel anpacken und den Schleusenwärter tatkräftig unterstützen.

Einige Passagen des Kanals sind kaum breiter als das Boot selber. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Á bientôt!“ – „Bis gleich!“, winkt der freundliche „Éclusier“ und zeigt in Richtung der nächsten Schleuse flussabwärts, die er ebenfalls bedient. Dort angekommen erklärt er freundlich, dass jetzt erstmal eine einstündige Mittagspause angesagt sei und so legen auch die Freizeitkapitäne eine kleine Ruhepause ein.

3. Tag an Bord – Schleusen, chillen, Sonne bewachen

Hoch über einer Flussschleife erhebt sich in Mailly-le-Chateau das namensgebende Schloss. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Rund 50 Schleusen gilt es auf den rund 100 Flusskilometern zwischen Tannay und dem Zielort Migennes zu bewältigen. Und so geben die Schleusen und die Schleusenwärter den Takt der Reise vor. Bald ist die gesamte Crew bei durchschnittlich sieben Schleusen pro Tag mehr als routiniert mit den Handgriffen in diesem praktischen Hilfsmittel zur Beschiffung des Canal du Nivernais.

In Mailly-la-Ville sitzt eine kleine Meerjungfrau eine wenig geduckt am Zusammenfluss von Yonne und Canal du Nivernais. (Foto Karsten-Thilo Raab)

An der „Ecluse de Cuncy“ legt „Käptn Papa“ eine etwas schwungvolle Anlandung hin – vom Nachbarboot kommt ein verständnisvolles Nicken: „Wir haben auch gerade beim Anlegen über Bande gespielt – es braucht halt noch ein wenig Übung…“.

Die Ecluse des Dames ist der wohl malerischste Flecken entlang der Strecke. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Die beiden Leichtmatrosen hüpfen an Land und vertäuen das Hausboot. Eine braun getupfte Mieze setzt vorsichtig ihre Pfoten an Bord und erschnurrt sich gleich die Herzen der Besatzung. Offensichtlich an Hausboote gewöhnt, inspiziert sie gleich das Innere des gemütlichen Ferienheims auf der Suche nach Essbarem.

Im Trampolin-Hochgarten können sich die Leichtmatrosen einfach mal so richtig austoben. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Fast jeder Schleusenwärter hat, so scheint es, ein Schleusentier. An den kommenden Wehren trifft man auf freundliche Hunde, die die Freizeitkapitäne Schwanz wedelnd begrüßen; laut schnatternde Gänse sind dabei, sogar ein brütender Schwan liegt neben einem der malerischen Schleusenhäusschen, die alle um die 183oer Jahre aus hellem Sandstein erbaut wurden. Die Zeit an Bord vergeht wie im Fluge – kein Wunder, ist doch die Besatzung mit Lenken, Sonne bewachen auf dem Vorderdeck, Seile nachgeben in den Schleusen, anlegen, ablegen, schauen und staunen allzeit gut beschäftigt.

Der Trampolingarten an der Ecluse des Dames sorgt für jede Menge Spaß nicht nur bei kleinen Abenteurern. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Hektik oder Eile sind dabei jedoch Fehlanzeige. Der 15 PS Motor des Hausbootes sorgt dafür, dass die Hausbooturlauber mehr als gemütlich durch den lieblich geschwungenen Kanal tuckern.

In den Schleusen ist mitunter etwas Geduld gefragt. (Foto Ulrike Katrin Peters)

Es geht vorbei an blühenden Frühjahrswiesen, gepflegten Gärten, wild romantischen Häusschen, Kuhweiden und durch geschwungene Steinbrücken. Das Zuhause, die Alltagssorgen – all das hat die gesamte Famillie, so scheint es, weit hinter sich gelassen und ist ganz im Hier und Jetzt.

In den zum Teil fast zweihundert Jahre alten Schleusen ist hier und da Millimeterarbeit gefordert. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Nachdem die gesamte Besatzung den Tisch im Speisezimmer von den Baguette-Krümeln des Mittagessesn beseitigt hat, beugt sie sich über die Navigationskarten. „Wo sollen wir heute für die Nacht anlegen?“ fragen die Eltern und die Kinder fahren mit dem Finger den Flusslauf entlang. „Schau mal, das sieht hübsch aus – und es gibt auch Strom und Wasser“, haben die Nachwuchskapitäne schnell herausgefunden.

4. Tag an Bord: Lieblingsschleuse voraus!

In Pousseaux müssen die Freizeitkapitäne ausnahmsweise sogar eine Brücke von Hand betätigen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Morgens springen die Kinder als erste aus dem Bett – heute gilt es, in Pousseaux eine Hebebrücke per Knopfdruck zu betätigen, damit das Boot passieren kann. Eine willkommene Ablenkung sind dort auch die grasenden Pferde und Esel, so dass es etwas dauert, bis die Nachwuchsmatrosen wieder zurück an Bord klettern.

Durch ein schmuckes Torhaus geht es in die hübsche Altstadt von Cravant. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Durch ein schmuckes Torhaus geht es in die hübsche Altstadt von Cravant. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Das Ablegen am Morgen ist unkompliziert. Seefest gemacht werden muss an Bord zum Glück gar nichts. Wer schon mal auf dem Meer unterwegs war, der weiss, wie viel Arbeit es ist, Teller, Tassen, Vorräte und Kleinkram so zu verstauen, dass es bei Seegang nicht durch die Gegend fliegt. Hier bleibt die Wasseroberfläche aber die gesamte Fahrt über ruhig und Seegang verspürt man auf den schmalen Wasserweg so gut wie keinen.

Auch ohne Bootsführerschein sind die komfortablen Hausboote mühelos zu steuern. (Foto Ulrike Katrin Peters)

Die Einzige Aufregung schafft die Bordbesatzung selber – wer nämlich nicht aufpasst, dem weht der Wind den Sonnenschirm von Bord. Ein schnelles „Schirm über Bord!“ des neunjährigen Thore leitet zwar ein Rettungsmannöver ein, aber der Schirm versinkt, noch ehe die Wende komplettiert ist und man mit dem Enterhaken auch nur in die Nähe des Schattenspenders kommt.

Schippern auf dem Canal der Nivernais gibt genügend Freiraum, um die Seele baumeln zu lassen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Schnaufend sehen alle auf die Stelle, an der der Schirm abgetaucht ist. Es herrscht Stille – und dann, aus dem nichts, schwimmt ruhig ein kleines Nutria vorbei und beäugt Mannschaft und Schiff, bevor es abtaucht.

An den uralten Schleusen dürfen die Leichtmatrosen gerne mit Hand anlegen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Salamander, die sich in der warmen Frühlingssonne wärmen, huschen davon, als die inzwischen eingeschworene Mannschaft an der Ecluse des Dames anlegt. Aber nicht nur die Boten der Tierwelt heißen die Gäste hier gleich willkommen. Auch eine junge Frau mit runder Brille, die in der Tür ihres Cafes im alten Schleusenhäusschen steht, scheint sich über unsere Ankunft zu freuen.

Auxerre ist die größte Stadt an Yonne und Canal du Nivernais. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Gemeinsam mit ihrer Freundin Elvina hat Marie im Jahre 2014 ihren Traum erfüllt und aus dem schnuckeligen, aber damals baufälligen Schleusenhaus ein Café mit angeschlossenem Baumwipfel-Trampolinpark gemacht. Während die Nachwuchs-Kapitäne sich in den wippenden Netzen austoben, genießen die erwachsenen Seeleute das „Dessert du jour“, hausgemachten Erdbeerkuchen, oder wahlweise eine kurze Dusche, die man gegen Gebühr hier nutzen kann.

5. Tag an Bord: Endlich Duschen!

Prächtige Fachwerkhäuser prägen die Innenstadt von Auxerre. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Als das Hausboot die letzte Schleuse vor Auxere, der größten Stadt auf dieser Tour, passiert, steigt die Vorfreude an Bord. Der Traum der jungen Dame von einer „richtigen“ Dusche – die an Bord war dem Teenager nicht schick und groß genug – wird gleich am Hafen wahr, der Traum des jüngsten Crew-Mitgliedes an Bord von dem Besuch einer Crêperie dann oben in der am Hang gelegenen 35.000-Einwohner Stadt ebenfalls. Malerische Gässchen, Weinlokale mit verlockenden Terrassen sowie eine Vielzahl an Geschäften. Der Besatzung des Hausbootes gefällt Auxere äußerst gut. Aber schnell kommt wieder die Sehnsucht nach der Ruhe und der Gelassenheit des burgundischen Landlebens hoch.

Wahrzeichen von Auxerre ist der Uhrenturm La tour de l’Horloge. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Als abends die Schotten zugezogen werden sollen, bleiben alle vier Crew-Mitglieder noch einen Moment staunend hinter den Bootsfenstern stehen. Die großen Seeleute schauen auf die unzähligen Lichter der Stadt, die sich im spiegelglatten Fluss spiegeln. Die jüngeren Crew-Mitglieder haben ihren Spaß an den kleinen Fledermäusen, die im Eiltempo über die Wasseroberfläche düsen und sich ein Abendmahl schnappen.

6: Tag an Bord: Sehnsucht per Flaschenpost

Wunderschön schmiegt sich das Zentrum von Auxerre ans Ufer der Yonne. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Nachdem der Zielhafen Mignesse erreicht ist, ergreift alle ein wenig der Blues. Stellvertretend für das Bötchen, das fest vertäut am Kai liegt, beschließt die vierköpfige Familie am Abend, eine Flaschenpost in See stechen zu lassen. Und mit der Flaschenpost geht auch die Sehnsucht der Crew nach weiteren Flussabenteuern auf Reisen… wer weiß, vielleicht bis nach Paris.

7. Tag: Adieu und Auf Wiedersehen

In Monéteau spannt sich die Pont Gustave Eiffel über die Yonne. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Morgens wird Abschied gefeiert: Bei Croissants, warmem Kakao und einer Tasse Café au lait sinniert man nicht nur über die vergangenen Reise, sondern plant auch schon das nächste Abenteuer an Bord eines Hausbootes. Da die Eltern sich großzügig gezeigt haben und sowohl die Endreinigung als auch die Bereitstellung des Autos am Endhafen mitgebucht haben, heißt es am nächsten Morgen nur ganz entspannt: Taschen gepackt, alles ins Auto geladen und den Heimathafen angesteuert.

Besonders bei Kletterern und Wanderern sind die Soussois Felsen beliebt. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Aus dem Rückfenster winken die Kids dem Hafenmeister, Boot und Wasser noch einmal zu „Au revoir und auf Wiedersehen!“, bevor sie die schönsten Reiseabenteuer noch einmal lautstark diskutieren und hier und dort ein wenig Seemannsgarn einflechten: „Weißt Du noch, als Du fast von Bord geplumpst bist in der Schleuse, weil Du so hibbelig warst?“ – „Ja, oder als das Schiff hinten rechts schon in der Luft geschwebt ist, weil Du es vertäut hast beim Schleusen…“

Wissenswertes zu Touren auf dem Canal du Nivernais

An der letzten Schleuse vor dem Zielort Migennes scheint irgendwie die Zeit still zu stehen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Der Bootstyp „Caprice“ kann von maximal sechs Personen genutzt werden. Mietkosten für die einwöchige Fahrt auf dem Canal du Nivernais von Tannay nach Mignesse beginnen je nach Saison bei 1095 Euro. Ein Bootführerschein oder Vorkenntnisse sind nicht notwendig. Wer möchte, kann Fahrräder hinzubuchen und von den Anlegestellen aus die Umgebung erkunden. Auch entlang des Kanals lässt es sich hervorragend radeln. Der ehemalige Treidelpfad ist frei von Autoverkehr und flach. Eine detaillierte Übersicht über die beschriebene Tour findet sich HIER.

In Migennes endete die famose Kanaltour nach einer Woche. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Buchung und Beratung: Le Boat, Theodor-Heuss-Straße 53-63, Eingang B, 61118 Bad Vilbel, Telefon 06101/5579112,  info@leboat.de, www.leboat.de.

Blick in die gemütliche Schlafkabine im Bug der Caprice. (Foto Karsten-Thilo Raab)

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