Garten-Kunst und Pflanzpracht in England

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Der älteste Formschnitt der Welt im Garten von Levens Hall in Cumbria im Nordwesten Englands. – Foto Visit Britain/Joe Wainwright

Die Arbeit im Garten macht glücklich, ist gesund und inspirierend. Das weiß man auch in England, der Wiege der europäischen Gartenkultur, wo an der Küste einige der schönsten Anlagen englischer Gartenkunst liegen. „Weil es immer etwas zu tun gibt, sollten Gärtner neun Leben haben“, fand schon die Schriftstellerin Vita Sackville-West und bei Jane Austen heißt es „bei schönem Wetter geht man gern hinaus in die Sträucher“.

1755 erbte Baron William Lorraine im Alter von sechs Jahren das Anwesen Kirkharle bei Newcastle-upon-Tyne, in dem zuvor im Jahre 1716 der später berühmte englische Landschaftsarchitekt Lancelot Capability Brown geboren worden war. Um 1770 begann Brown mit der Gestaltung von Kirkharle Garden, er pflanzte Baumgürtel, legte einen „Serpentinen-See“ und Wasserkaskaden an. Lancelot Brown veränderte im 18. Jh. das Aussehen Englands, in dem er an vielen bekannten Herrensitzen eindrucksvolle Parklandschaften wie Landschaftsgemälde gestaltete und maßgeblich Einfluss auf die Entwicklung der Parks im englischen Stil nahm. Zu seinen bekanntesten Gartenwerken zählen neben Hampton Court und Kew Gardens in London auch Schloss Richmond in Braunschweig.

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Der Giftgarten von Alnwick Garden lässt mörderische Gedanken aufkommen. – Foto Alnwick Garden

Das „Versailles des Nordens“, Alnwick Castle, ist nach Windsor der zweitgrößte bewohnte Adelssitz und seit 700 Jahren Stammsitz der Familie Percy, Duke of Northumberland. Zur eindrucksvollen Parkanlage, ebenfalls von Lancelot Brown gestaltet, gehört auch der „Poison Garden“, ein Giftgarten, in dem hochgiftige und halluzinogene Pflanzenarten gedeihen und der aus Sicherheitsgründen nur mit Führung betreten werden darf.

Ein häufiger Gast in Goodnestone Park in Kent war die Schriftstellerin Jane Austen, die von dem prächtigen Herrenhaus, den Gärten und der Gesellschaft während einer Doppelhochzeit zu ihrem beliebtesten Roman Stolz und Vorurteil inspiriert wurde. Die hübsch angelegten Terrassengärten sind ebenso sehenswert wie der Walled Garden, der Kräuter- und der Rosengarten sowie die umliegende weitläufige Parkanlage. Und wer nicht genug bekommt, kann hier sogar nächtigen.

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Gartenanlage von Goodnestone Park in Kent. – Foto Goodnestone Park

In den 1930er Jahren begann das Autorenpaar Vita Sackville-West und Harold Nicolson mit der Umgestaltung des Gartens ihres Anwesens Sissinghurst Castle in den heute weltberühmten Garten bestehend aus zehn abgeschlossenen Gartenräumen, den „Gärten im Garten“, darunter der Weiße Garten, Rosen- und Bauerngarten, Linden- und Grabengang sowie der Nuss- und Kräutergarten. Sackville-West liebte das Opulente, Nicolson hingegen das Formale. Ein historisches, poetisches Refugium über das Vita Sackville-West eine ganze Reihe an Büchern verfasst hat, mit Ratschlägen, Kolumnen und Briefen für Gartenliebhaber.

Obwohl der amerikanisch-britische Schriftsteller Henry James (1843-1916) nach eigenem Bekunden keinen grünen Daumen hatte: „Ich bin hoffnungslos, wenn es um den Garten geht, mit dem ich nichts anzufangen weiß und es nie, nie wissen werde – ich bin ein Ignorant“, liebte James den Garten seines Lamb House in Rye, einem der wohl hübschesten Städtchen Englands. James arbeitete in seinem „Garden Room“, erfreute sich im Frühling besonders an den Narzissen und war zutiefst geehrt, als nach ihm die weiße Narzisse benannt wurde.

Das ehemalige Zuhause von Virginia Woolf: Monk’s House in East Sussex. – Foto Monk’s House

Zwischen Eastbourne und Brighton liegt Monk’s House, ein Cottage aus dem 18. Jahrhundert, das von Virginia Woolf 1919 wegen „der Form, Fruchtbarkeit und Wildheit des Gartens“ erstanden wurde. Monk’s House war Treffpunkt vieler berühmter Schriftsteller. Der eigentliche Gärtner der Familie war Virginias Mann Leonard, der einen wunderschönen englischen Landgarten mit unglaublicher Aussicht auf die Sussex Downs schuf. Der Garten inspirierte Virginia Woolf und sie ließ ihr Schreibzimmer verlegen, um eine bessere Aussicht zu haben. „Unser Obstgarten ist der ideale Ort, um stundenlang zu sitzen und zu reden“.

„One likes to get out into a shrubbery in fine weather“ („Bei schönem Wetter geht man gern hinaus in die Sträucher“) heißt es in Jane Austens Roman Mansfield Park. Die berühmte britische Schriftstellerin lebte von 1809 bis zu ihrem Tod 1817 im herrlichen Landsitz Chawton House nördlich von Portsmouth in Südengland. Hier schrieb, überarbeitete und veröffentlichte sie u.a. die Klassiker der englischen Literatur Stolz und Vorurteil und Emma. Die Gartenanlage wurde im Stil englischer Landschaftsgärten restauriert, mit Wildblumen und Kräuterrabatten, Staudenbeeten, einem Walled Garden mit alten Rosensorten und einer weiten Rasenfläche, einschließlich eines „Ha-Ha“, einem nicht sichtbaren Graben, der weidende Tiere vom Haus fernhielt, ohne die Aussicht zu beeinträchtigen.

Mediterran anmutend: Osborne House auf der Isle of Wight, ehemaliger Landsitz Queen Victorias. – Foto Jim Holden

Echter viktorianischer Pomp begegnet einem hingegen auf der Isle of Wight vor der Küste Südenglands. Osborne House, ehemaliger Landsitz Queen Victorias, ist umgeben von einer Gartenanlage im viktorianisch-italienischen Stil mit Terrassen, Pavillons und Pergola an denen Clematis und Kamelien blühen, einem Walled Garden in dem Obstbäume gedeihen, darunter auch ein Orangenbaum und die legendäre Osborne-Myrte, mit zarten weißen Blüten. Seit den 1850er Jahren ist die Myrte erste Wahl für königliche Brautsträuße von Königin Elisabeth II. über Diana, Camilla, Kate Middleton bis hin zu Meghan Markle.

Im Jahr 1840 wurde der britische Schriftsteller Thomas Hardy in Bockhampton bei Dorchester in der Grafschaft Dorset geboren. Rund um das reetgedeckte, aus Lehm und Stroh von seinem Urgroßvater erbaute Cottage, erstreckt sich ein typischer Cottage-Garten mit Rosen und üppigen Blumenrabatten, Kieswegen, Obstbäumen und Wissen. Hier entstand neben seinen frühen Kurzgeschichten und Gedichten der Roman Under the Greenwood Tree.

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Gartenanlage von Levens Hall. – Foto Visit Britain/Joe Wainwright

In Levens Hall Gardens, Cumbria, kann der älteste Formschnitt der Welt bestaunt werden. Die vier Hektar großen Gärten wurden um 1690 angelegt und sind bis heute weitgehend unverändert. Das Highlight sind die zahlreichen Bäume und Sträucher, die in kunstvolle Formen gebracht wurden, größtenteils Eiben, von denen bis heute 25 überlebt haben. Die ungewöhnlichen Baumformen zeigen die Schachfiguren „König und Dame“, Königin Elisabeth und ihre Hofdamen, eine „Richterperücke“ oder den Howard-Löwen. 1695 legte ein französischer Gärtner in Levens Hall das erste „Ha-Ha“ in England an.

Karsten-Thilo Raab

berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.