„Yes Sir, that’s my Baby“ wurde geträllert und Charleston getanzt. Baden ging man züchtig verhüllt. In den zwanziger Jahren war Miami Beach Amerikas berühmtester Badeferienort. Er galt als „America‘s Riviera“ der Upper Class, östlich der Schwesterstadt Miami auf 17 mit Brücken verbundenen Inseln gelegen. Hier urlaubten Filmstars und Millionäre.
Bis der Abschwung der Weltwirtschaftskrise kam. Erst unter Präsident Roosevelt in den dreißiger Jahren ging es wieder nach oben. Hotels und Apartmenthäuser entstanden, von Architekten, die Bauhaus-Ideen mit südländischer Formenfreude verbanden. Die erinnern an Ozeandampfer mit Bullaugen, Straßenkreuzer mit Haifischflossen und Kulissen aus James-Bond-Filmen.
Bauhaus-Ideen mit südländischer Formenfreude
Kunstkritiker sprachen von „Tropical Art“ oder „Art Déco“. Am Ende von Miami Beach swingten Big Bands, wurde Jitterbug getanzt und die Frauen stiegen in einteiligen Badeanzügen in den Atlantik. Auch dieser Ferienboom ging dann – im zweiten Weltkrieg – zu Ende.
Nach Kriegsende vergammelten Hotels und Strände zusehends. Der Ruf aus den Siebzigern, eine Hochburg von Drogen und Kriminalität zu sein, hallt noch nach. Finstere Schatten fielen auf die Sonneninsel. Das Viertel war grau und grauenvoll, Rentner fristeten in düsteren Pensionen ihren Lebensabend. Reihenweise mussten heruntergekommene Art-Déco-Gebäude hässlichen, aber profitbringenden Wolkenkratzern weichen.
Der Publizistin Barbara Baer Capitman (1920-1990) ist es zu verdanken, dass das architektonische Gesamtkunstwerk der dreißiger und vierziger Jahre 1979 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Ab 1984 sorgte die TV-Krimiserie „Miami Vice“ mit Don Johnson als smartem Drogenfahnder Sonny Crocket für Furore. Die Folgen um schnelle Autos, schnelles Geld und schöne Frauen vor den bonbonfarbenen Fassaden des Art-Déco-Viertels machten weltweit kostenlose Werbung für den South Beach.
SoBe und MoMi
Auch der New Yorker Geschäftsmann Tony Goldman erkannte damals den Wert der „Riviera Amerikas“. Mit eigenen und geliehenen Dollars restaurierte er stilvoll viele der gut 800 bemerkenswerten Gebäude und brachte so wieder Glanz in die Party-City.
Millionen Dollar sind seither geflossen. Miami South Beach, inzwischen salopp zu SoBe verkürzt, hat sich mal wieder neu erfunden. Heute sieht man kaum Häuserriesen aus Stahl, Beton und Glas, überwiegend zwei- bis dreigeschossige schicke Hotels und Apartmentgebäude in Lollifarben mit flotten Ralleystreifen. In MiMo, Miami Modern, tummeln sich Nymphen und Pelikane, Delphine und Seepferdchen in einem Meer von Pastelltönen, Stillstand gibt’s nicht.
Trendsetter aus New York, Kalifornien, der Karibik und Europa haben sich in der verrückten Scheinwelt angesiedelt. Besucher lieben das klare Licht, die Farben, das Schrille, die unzähligen Kokospalmen und die happy people. Man glaubt sich in die Kulissen eines Hollywoodfilms der vierziger Jahre versetzt: der rauschende Ozean, weiche Saxofonklänge – und man denkt an Ava Gardner und Erol Flynn.
Das Wort „cruisen“ ist wohl extra für den palmengesäumten Ocean Drive erfunden worden, wo Hotel neben Hotel mit klingenden Namen wie Carlyle, Colony oder The Crescent steht, Café neben Café, und jedermann draußen sitzt. Weiße Stretchlimousinen, Lamborghinis und chromglänzende Harleys fahren die berühmte Neon-Meile entlang – natürlich alle im Schritt-Tempo. Hier, auf Floridas Laufsteg der Reichen und Schönen, dreht sich alles nur um zwei Dinge: sehen und gesehen werden!
Ocean Drive als Mega-Laufsteg
Auf dem Gehsteig flanieren ranke Girls mit knappen Tops, muskulöse Boys mit nacktem Oberkörper, biedere Touristen neben aufgekratzten Exzentrikern. Dazwischen keuchen Jogger, kurven Biker und Inline-Skater. „Das Leben ist so wonderful“, seufzt eine junge Dame aus Rio und versinkt samt Cocktailglas in weiße Sesselkissen.
Auf der breiten, 18 Kilometer langen Sandbank, vom Ocean Drive durch Dünen abgetrennt, ist Party. Am Strand von Miami ist fast immer Party. Eine schnittige Yacht gleitet ins Bild, am rosa Baywatch-Häuschen nebenan wird geswingt. Überall schlürfen sie exotische Cocktails, Models räkeln sich vor Top-Fotografen; es wird Foot- und Volleyball gespielt, geschwommen und gesurft, Frauen bräunen sich in Tangas oder topless.
Wer elegant residiert und fein diniert, will sich auch abends amüsieren. Wenn der Himmel über Miami Beach ins Rosa-Orange changiert, die Art-Déco-Kulisse in Neonfarben leuchtet, beginnt am Ocean Drive die „Star“-Parade auf einer Bühne, die einzigartig ist auf der Welt. Wo jeder der sein kann, der er will, egal ob reich oder arm. Live-Bands spielen Salsa und Latino-Pop, aus den Lautsprechern quellen die neuesten Hits.
Ein Hauch von „Miami Vice“
An der Bar des Essex Hotels, in dem „Miami Vice“ gedreht wurde, mixt Brogan, persönlicher Bartender von Sängerin Gloria Estefan, Mojitos. Er komme aus Hawaii, aber Miami sei für ihn der exotischste Platz Amerikas. „80 Prozent der Menschen hier sind irgendwie farbig und gut drauf“, lacht er und flüstert: „ Hinter dieser Tür dort hinten trank und spielte Mafiaboss Al Capone in den dreißiger Jahren. Seine Freunde bekamen erst nach einem bestimmten Klopfzeichen Einlass“.
Dann schwärmt er von den Traumhotels der Fiftys. Allein diese Namen – Carillon, Deauville, Di Lido – klingen wie ein tropischer Cocktail zur Happy Hour. „Auf der Freitreppe im Fontainebleau fühlt sich heute noch jede Frau wie ein Diva von einst. „It was a glitz“ – erinnern sich die Alten. Ja, glamourös war’s zu Frank Sinatras Zeiten.
Spät in der Nacht geht es in die Clubs von Washington und Collins Avenue, wo man durchaus auf Celebrities wie Madonna oder Leo DiCaprio stoßen kann. Die heißesten Adressen und Treffpunkte der Schönen und Partysüchtigen sind „Mansion“ mit Top-DJs, „Set“, die „Louis-Bar-Lounge“ direkt am Strand und das „Mokai“. Richtig Action kommt dort aber erst nach drei Uhr früh auf.
Beautiful People in „Miami bunt“
Trotz der vielen Beautiful People und Touristen mache „Miami glücklich“, versichern die Miamians. Insbesondere in der Vorweihnachtszeit. Dann jetten betuchte Menschen hierher zum Shoppen. Doch locken weniger die Designersachen am Ocean Drive – Anfang Dezember steht die Stadt unterm Stern der Art Basel Miami Beach. Amerikas glamouröseste Kunstmesse.
Trotz des Rummels ist das Quartierleben intakt geblieben. Man wohnt nicht nur in SoBe, man geht hier auch zur Arbeit und zum Einkaufen, in Museen wie das Wolfsonian und das Miami Art Museum, abends in ein Open-Air-Restaurant oder ins Konzert, sonntags auf den Lebensmittelmarkt in der fußläufigen Lincoln Road, wo Küchen aus aller Herren Länder zum Lunch einladen. Und das alles, gänzlich unamerikanisch, vorzugsweise zu Fuß.
Tipps für Miami Beach
Allgemeine Informationen: Visit Florida, www.visitflorida.com/deutsch; Greater Miami Convention and Visitors Bureau, www.miamiandbeaches.com
Anreise: Ein Flug ab Frankfurt/Main nach Miami z. B. mit AirBerlin kostet um 600 Euro. Der Shuttle vom Flughafen zum Ocean Drive 21 US-Dollar.
Reisezeit: Das Klima ist von November bis Mai am angenehmsten. Der Sommer ist sehr warm und hurrikangefährdet.
Aktivitäten: Eine Art-Déco-Tour zu Fuß; zwölf Museen stehen zur Auswahl; das City Ballet und die Musiker der New World Symphony. – Busse fahren nach Downtown Miami, mittendrin ist Little Havanna. Das „Coconut Grove Viertel“ ist voller toller Läden. Der „Miracle Mile“ District hat Latino-Flair, besonders abends. – Bootstouren gehen ab Bayside.
Architektur: Alljährlich Mitte Januar findet in SoBe das dreitätige, weltgrößte und älteste Art-Déco-Festival statt. www.mdpl.org, Anfang Dezember die Kunstmesse Art Basel-Miami.
Nightlife: Jeans sind nicht „in“ in den Clubs!! Angesagt sind: „Britto Central“ Pop Gallery, „The Forge“; im „Set“ sieht man die kürzesten Röcke und die höchsten Absätze; die „Rose Bar“ im Delano Hotel ist die edelste am Strand, das “Level 25“ ist der Hotspot im Conrad Miami. „Opium Garden“ die open-air-Disco.
Unterkunft: Miami South Beach besitzt Hotels aller Kategorien – Luxushotels z.B. Delano, Di Lido (heute Ritz Carlton), Fontainebleau Hilton. Es gibt viele nette Zwei-Sterne-Häuser und Guesthouses zu moderaten Preisen. Günstig und gut mit täglicher Happy Hour auf der Dachterrasse und Blick über den Ozean das „The Edgewater“ am Ocean Drive 1410.
Pauschalen: Flug/Hotel/Mietauto bei FTI; DerTour , TUI
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Katharina Büttel
lebt und arbeitet als freie Reisejournalistin in Berlin. Über 30 Jahre reist sie für ihre Reportagen und Fotos um die Welt – seit vielen Jahren veröffentlicht sie auch im Mortimer-Reisemagazin.