Tessin – schönste Badewanne der Schweiz

Tessin
Rund um Ascona und Locarno locken Wasserfälle, historische Berghöhlen und einsame Seen ins Tessin. – Foto Alessio Pizzicannella/Ticino Turismo

Das Tessin ist ein wahres Wasserparadies. In der Schweizer Sonnenstube gibt es neben den grössten und bekanntesten Seen Lago Maggiore und Lago di Lugano über 130 wunderschöne Bergseen. Sucht man Wasserfälle und Bergbäche von imposant bis märchenhaft, ist das Tessin ebenfalls Anlaufstelle Nummer eins in der Schweiz. Outdoor-Fans aller Altersstufen schätzen ganzjährig die Berge und Täler des Schweizer Kantons mit rund 4.000 Kilometer gepflegten Wanderwegen. Gerade im Sommer sind dabei die abwechslungsreichen Strecken am Wasser besonders beliebt.

Die Bergwanderung durch das Leventinatal entlang der Laghetti di Chièra startet bereits auf 1.850 Metern Höhe in Sompréi, das von Faido aus über Cari mit dem Auto erreichbar ist. Die acht Kilometer lange Tour über das Hochplateau der Alpe di Chièra mit nur 513 zu bewältigenden Höhenmetern dauert etwas über fünfeinhalb Stunden. Sie führt durch eine herrliche alpine Landschaft und vorbei an den beiden Chièra-Bergseen unterhalb des Pizzo Pettine (2.662 Meter) Die Moorlandschaft dort oben ist aufgrund ihrer besonderen Fauna und Flora einzigartig – so haben beide Seen trotz ihrer „Nähe“ von lediglich 17 Höhenmetern Unterschied ein gänzlich anderes Erscheinungsbild.

Die „schönste Badewanne der Schweiz“ lädt, so verlockend es auch klingen mag, nur Hartgesottene zu einem erfrischenden Bad ein. Bekanntheit erreichte die Gumpe von Felice oberhalb von Leontica im nördlichen Bleniotal durch einen kleinen, feinen Bestseller der Literatur, dort heisst es: Felice aus Leontica steigt jeden Tag im Sommer wie im Winter noch vor Tagesanbruch knapp eine Stunde den Berg hinauf zu einer Gumpe, einer Felswanne, wo er sich ein Bad gönnt. Das Besondere daran: Der Mann ist 90 Jahre alt.

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Mendrisiotto – Von der Zeitmaschine zur sonnenverwöhnten Kultur-Tour. – Foto Ticino Turismo/Milo Zanecchia

Nachdem bekannt wurde, dass die Romanfigur des Felice auf einem kauzigen Alten beruht, der zu Lebzeiten tatsächlich täglich dort in einem Bergbachtümpel gebadet hatte, pilgerten viele Menschen in das kleine Tessiner Bergdorf, um ebendiese versteckt gelegene „Pozza“ zu suchen. Die Gemeinde nutzte die Gunst der Stunde und legte im Sommer 2021 den nach der Buchvorlage benannten Themenpfad „La Pozza del Felice“ an. Eigentlich handelt es sich um drei verschiedene Wege, die allesamt in Leontica starten und nach einer Stunde Gehzeit an der Felswanne zusammentreffen.

Das winzige Dorf Foroglio liegt im Tessiner Bavonatal, rund 35 Kilometer nördlich von Locarno. Bekannt ist der wohl schönste Ort der Schweiz durch seinen mächtigen Wasserfall und die traditionsreichen Steinhäuser aus dem 15. Jahrhundert. Zwar ist das Tessin reich an Wasserfällen, aber keiner ist so spektakulär wie das Exemplar in Foroglio. Über 110 Meter stürzt sich dort der Fluss Calnègia in die Tiefe. Die leichte Rundwanderung über dreieinhalb Stunden zeigt drei hübsche Maiensässe im Val Calnègia, die von hohen Bergspitzen umgeben sind.

Wo früher Kühe und Schafe im Sommer auf die Alpen wanderten und sich Menschen unter Felsvorsprüngen kleine Höhlen schufen, kann heute oberhalb des Dorfes beim tosenden Wasserfall die wunderschöne Aussicht genossen werden. Steile Stufen führen durch dichte Wälder direkt darüber. Die ersten alten Steinhäuser stehen auf der Alm Puntid. Der Weg passiert nach kurzer Zeit eine Hängebrücke und macht den Blick frei auf das Maiensäss Gerra (1.040 Meter) mit seinen riesigen Felsen. Hier haben Menschen höhlenähnliche Behausungen gegraben, um in der Kühle des Bergs Milchprodukte zu konservieren oder Schutz zu finden. Auch in Calnègia, der letzten Bergbauernunterkunft, wurden solche Keller unterhalb von Felsbrocken erschaffen.

Eine mittelschwere Wanderung über knapp sechseinhalb Kilometer zum Lago di Efra und der gleichnamigen Capanna startet in Frasco im Tessiner Verzascatal auf 885 Metern Höhe. Der kleine Ort ist mit dem Auto oder Bus erreichbar. Ein meist flacher, angenehmer Waldweg führt neben dem Bach Riale d’Efra entlang zu den Monti Montada (1.196 Meter). Zunächst prägt Ahorn, danach üppige Kastanienhaine und zuletzt die Lärche das Landschaftsbild.

Lugano: Wassernahe Wanderungen in die Vergangenheit. – Foto: Ticino Turismo/Loreta Daulte

Nach Montada geht es in zahlreichen Kehren entlang der Bergflanke steil hinauf, bis nach knapp drei Stunden Gehzeit der smaragdgrün glitzernde Lago d’Efra erscheint. Eine weitere halbe Stunde oberhalb des Bergsees befindet sich die einsam gelegene Selbstversorgerhütte Capanna Efra auf 2.039 Metern mit Erfrischungsgetränken und einer herrlichen Aussicht auf die umliegenden Berggipfel. Die frisch renovierte Hütte bietet neben 25 Schlafplätzen auch eine Kochmöglichkeit.

Der Themenweg „Weg der Wunder“ im Tessiner Malcantone ist ein kleiner Ausflug in die Vergangenheit. Auf der sechs Kilometer langen Route gibt es alte Mauern, Mühlen, Schlösser, Öfen und Bergwerke zu entdecken. Die Familientour führt über zwei Stunden auf beschilderten Wegen durch das Tal des Flusses Magliasina über schmale Brücken, vorbei an Kapellen, mächtigen Kastanienbäumen und Hinterlassenschaften des Bergbaus. Ein Highlight auf halber Strecke ist die Hammerschmiede mit einem kleinen Museum. Gleich daneben lädt der Fluss zum erfrischenden Bad und wohlverdienten Picknick ein.

Die kurze, leichte Wanderung ab Tesserete durch die Wälder des Tessiner Capriasca-Tals führt auf halber Strecke zum mittelalterlichen Turm von Redde. Dem beschilderten Weg weiter folgend gelangt man nach kurzer Zeit zu einer echten Perle in einer malerischen Hügellandschaft. Das Herzstück der kleinen Gemeinde Origlio, etwa fünf Kilometer nördlich von Lugano, ist der Lago d´Origlio, der sich vor 13.000 Jahren nach dem Rückzug der Gletscher gebildet hat. Mit einem Umfang von einem Kilometer ist der See schnell umrundet. Zeit für eine kleine Pause, denn in dem kleinen Dorf locken zahlreiche Restaurants mit herrlichen Terrassen und kulinarischen Leckereien aus dem mediterranen Tessin zur Einkehr. Von Origlio aus geht’s über gleichen Weg zurück nach Tesserete.

Bellinzona e Valli: Bergseenvielfalt und ein literarisches Bad. – Foto: Milo Zanecchia

Die leichte Rundwanderung ab Morbio Inferiore durch den Parco delle Gole della Breggia im unteren Teil des Tessiner Muggiotals fühlt sich wie eine Zeitreise an. Der erste Schweizer GeoPark befindet sich zwischen den Gemeinden Balerna, Castel San Pietro, Morbio Inferiore und Morbio Superiore und erstreckt sich auf eineinhalb Kilometer Länge neben dem gleichnamigen Fluss. Hier findet man eine aussergewöhnliche Felsformationen, deren Ursprung 80 Millionen Jahre zurückgeht.

Im Gestein finden sich Zeugnisse der antiken Meere: Fossilien, Reste von unterseeischen Lawinen und Zeichen von Klimaveränderungen. Aber dieser Ort ist auch eine Schatzkiste der Biodiversität und ein Zeuge der lokalen Wirtschafts- und Industriegeschichte. So führt die Tour über insgesamt vier Kilometer vorbei an Überresten der mittelalterlichen Burg Castel San Pietro aus dem 14. Jahrhundert, der alten Mühle von Canaa sowie der ehemaligen Zementfabrik bis zur Ghitello-Mühle von 1606, die bis in die 1960er Jahre aktiv war. Fazit: 200 Millionen Jahre geologische Entwicklung und 2.000 Jahre Menschheitsgeschichte in eineinhalb Stunden Gehzeit.

Mehr Ausdauer hingegen fordert die Kultur-Tour durch das Val Mara über fünfeinhalb Stunden und knapp 15 Kilometer Länge. Auf der eher leichten Wanderung geht es über fünf Etappen durch die sonnigen Orte Bissone, Maroggia und Melano am Ufer des Lago di Lugano und über eine leichte Steigung nach Arogno und Rovio. In den Dörfern befinden sich Infotafeln, die Wanderern Geschichten zu Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten preisgeben. Die natürlichen Panorama-Terrassen entlang der Strecke laden immer wieder zum kurzen Verweilen ein – selbst, wenn es nur für einen Blick auf die umliegenden Berggipfel ist.