Borough Market – ein Zehn-Gänge-Menü im Gehen

Borough Market
Der Londoner Borough Market ist ein Mekka für Genussmenschen. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Nicht von ungefähr gilt der Borough Market als ein kulinarisches Paradies für Feinschmecker und Genießer im Herzen von London. Hier treffen sich die Aromen der Welt, um begleitet von verlockenden Düften eine Symphonie der Geschmäcker zu kreieren. Und dies inmitten der pulsierenden Kapitale eines Landes, das lange international im Ruf stand, kulinarisches Notstandsgebiet zu sein. Schwer verdauliche Pasteten und Puddings, verkochtes Gemüse, wenig schmackhafte Fertigsaucen und nicht zu vergessen riesige Mengen an Gebratenem zum Frühstück, ernteten nicht nur bei Gourmets Hohn und Spott.

Doch inzwischen haben sich die einstigen kulinarischen Muffel zu Feinschmeckern gewandelt. Einer der Trendsetter und Taktgeber ist hier seit Jahr und Tag der Borough Market im Schatten der London Bridge. Der überdachte Markt im Süden der britischen Hauptstadt ist ein wahrer Schmelztiegel der Gaumenfreuden. Mit seiner über 1000-jährigen Geschichte ist er nicht nur einer der ältesten Food-Märkte Londons, sondern der wohl unbestritten vielfältigste.

Kleine kulinarische Weltreise

Der Markt am Südufer der Themse hält für jeden geschmack das Richtige bereit. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Von exotischen Gewürzen und Backwaren über Käse, Fleisch und handgemachte Schokolade bis hin zu frischem Obst und Gemüse – hier findet man alles, was das Herz begehrt. Ein besonderes Highlight sind die zahlreichen Street-Food-Stände, die eine breite Palette an Köstlichkeiten aus allen Teilen der Welt feilbieten. Von authentischer indischer Curry-Küche über spanische Tapas bis hin zu saftigen Burgern – hier kommt jeder auf seine Kosten. Die verführerischen Gerüche von gegrilltem Fleisch, frisch gebackenem Brot und exotischen Gewürzen liegen auf Schritt und Tritt in der Luft.

„Ich hoffe, ihr habt noch nicht gefrühstückt“, trällert Becki, um dann ebenso fröhlich zu ergänzen: „In den kommenden drei Stunden zeige ich Euch nicht nur die schönsten Ecken des Borough Markets, sondern ihr kommt auch ganz nebenbei in den Genuss eines Zehn-Gänge-Menüs.“

Frühstücksklassiker zum Auftakt

Der Borough Market blickt auf eine 1.000jährige Geschichte. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Schon ist die energetische Engländerin voll in ihrem Element. Fast täglich führt sie im Rahmen von Food-Touren kleine Gruppen über den Markt, den sie wie ihre Westtatsche kennt. Kaum ein Händler, der sie nicht freudestrahlend grüßt, kaum ein Händler, der nicht ihren Namen ruft. Und sie alle freuen sich, wenn Becki mit ihren Food-Jüngern bei ihnen Station macht und zu der einen oder andere Kostprobe einlädt. Wobei das Wort Kostprobe keinesfalls die Größe der dargebotenen Portionen beschreibt. Im Gegenteil. Nicht wenige müssen bereits nach dem sechsten oder siebten Stopp völlig gesättigt die weiße Fahne hissen.

Passend zum Start unweit der berühmten London Bridge wartet erst einmal ein Frühstücksburger bei „Brood“. Während der köstliche Bagel mit Speck und Ei zusammen mit einem Tee serviert wird, taucht die Gästeführerin erst einmal verbal in die Geschichte des belebten Markts in Southwark ein:

Genuss im einstigen Sündenpfuhl

Borough Market
Ein Klassiker: Austern bei Richard Haward’s. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„Die Gegend rund um den Borough Market war einst extrem verrufen, galt als Treffpunkt von Kriminellen und Prostituierten“, so Becki, wohl wissend, dass die lange bewegte Geschichte des geschäftigen Handelsplatzes bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht. Ursprünglich wechselten an der Südseite der London Bridge, die damals noch eine bebaute Holzkonstruktion war, vor allem Tiere die Besitzer. Doch im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich das Fleckchen mehr und mehr zum Umschlagplatz für Lebensmittel und Delikatessen. Dazu gehören bis heute frische Austern, wie sie bei Richard Haward’s bereits in der achten Generation serviert werden.

„Austern waren im Mittelalter so was wie das erste Fastfood“, so Becki augenzwinkernd. Und die Expertin ergänzt, dass es in jenen Jahren üblich war, die Schalen einfach im Gehen zu entsorgen und alle gezwungen waren, über die Müllberge zu stapfen. Ganz zu schweigen von der speziellen, wenig schönen Duftnote, die das Areal in jenen Tagen überzogen haben muss. Heute ist dies anders. Nase und Auge essen auf Schritt und Tritt mit. An jeder Ecke reichen Markthändler Probierhäppchen, die für Beckis Begleiter gerne mal deutlich größer ausfallen.

Portionsweise Preisgekröntes

Borough Market
Preisgekrönt sind die Sausage Roll aus dem Ginger Pig. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Überall stimmen die Besucher des überdachten Marktes eindrucksvoll mit den Füßen ab. So am „Ginger Pig“, wo sich lange Schlangen bilden, um eine der begehrten Sausage Rolls zu ergattern. Der herzhafte Imbiss aus Schweinebrät in Blätterteig scheint eine magnetische Anziehungskraft auszuüben. Auch Schlips- und Anzugsträger aus der nahe gelegenen City of London, dem Banken- und Geschäftsviertel der Themse-Metropole, pilgern in der Mittagszeit in Heerscharen ans andere Ufer, um sich mit den preisgekrönten Sausage Rolls zu stärken.

Im wahrste Sinn des Wortes ebenfalls ausgezeichnet sind die Fish & Chips aus der fish!kitchen, das nicht von ungefähr zum besten „Chippie“ des Landes gekürt wurde. Direkt gegenüber konkurrieren die Lee Brothers mit einem exzellenten Pilz-Risotto.

Eierspeisen einmal anders

Die Scotch Eggs sind absolut eine Sünde wert.

Fast schon ein Muss ist zudem, der Genuss der berühmten „Scotch Eggs“, einem traditionellen britischen Gericht aus hartgekochten Eiern, die in Hackfleisch gewickelt und frittiert werden. „Scotchtails“ serviert die Eierspeise standardmäßig frisch gebraten und knusperig mit klebrigem Eigelb. Dazu werden Süßkartoffelpommes gereicht, die sich wunderbar in das Eigelb eintauchen lassen. Wer eher ungewöhnliche Geschmacksrichtungen bevorzugt, kann die Eier auch mit Blutwurst- oder Pulled-Pork-Ummantelungen erhalten.

Zu den ewig jungen Klassikern auf dem Borough Market gehören definitiv die köstlichen, zähflüssig und mit Käse überbackenen Sandwiches von Kappacasein Dairy. Dabei stehen Käsesorten von scharfem Cheddar über nussigen Comte bis hin zu Ogleshield, einem speziell vom Besitzer Bill Oglethorpe kreierter Käse, zur Auswahl. Nicht minder populär ist das „duck confit“ am Stand von Le Marché du Quartier, wo eine im eigenen Fett zubereitete Ente in einem gebutterter Ciabatta mit süßem Chutney serviert werden.

Moderne Kucheninterpretation

Borough Market
Trotzd er ungewöhnlichen Darreichungsform ist der Apfelkuchen im Humble Crumble ein absoluter Genuss. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„Nun gehen wir langsam zum Nachtisch über“, kündet Becki auf dem Weg zu „Humble Crumble“ an. Gründerin und Chefbäckerin Kim Innes hat hier auf wunderbare Art den klassischen (Apfel-)

Streuselkuchen neu interpretiert. Der zweifach gebackene Mürbeteig enthält je nach Vorliebe verschiedene Obstsorten. Die warmen Kuchen werden in einen (Papp-) Becher gefüllt, mit Vanillesauce übergossen und mit einer pinkfarbenen Baiser-Haube gekrönt. Für viele ein absolutes Gedicht, was sich auch darin zeigt, dass nicht wenige alle Charme ablegen, den Becher ausschlecken und mit den Fingern die letzten Reste aus den Ecken kratzen.

Zwischen Film-Location und Pub

Die fish!kitchen setzt Maßstäbe bei den Fish & Chips. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„Ihr solltet noch ein bisschen Platz im Magen lassen. Eine Station haben wir noch“, lacht Becki. Gleichzeitig weist sie darauf hin, dass der Borough Market eine kleine filmische Berühmtheit ist. So wurden hier Szenen für „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ gedreht und über dem Globe Pub in der Bedale Street wohnte in dem Kinohit „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ die gleichnamige Titelheldin.

Derweil wird der Gang über Londons kleine gastronomische Wunderwelt durch einen Besuch in einer weiteren klassischen britischen Institution, einem Pub, perfekt abgerundet. Direkt unter der London Bridge wartet im „Mug House“ ein finaler kulinarischer Dreikampf bestehend aus einer Auswahl an Käsen, einem Sticky-Toffee-Pie und einem süßen Madeira-Wein. Keine Frage, so schmeckt London!

Wissenswertes in Kurzform

Klein, aber fein sind die Zimmer im Mercure London Hyde Park. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Informationen: www.boroughmarket.org.uk

Food-Touren: Die geführten, dreistündigen Touren kosten 96 Britische Pfund (etwa 112 Euro) und können unter www.devourtours.com oder www.takewalks.com gebucht werden.

Übernachten: Mercure London Hyde Park Hotel, 8-14 Talbot Square, Tyburnia, London W2 1TS, Telefon 0044-20-72626699. Das Vier-Sterne-Haus liegt im Herzen von London unweit von Paddington Station und doch ruhig. Perfekt für einen City-Break in der britischen Hauptstadt.

Der aktuelle Buchtipp

TimeObwohl der Titel von Time for tea, sex and fun auf Englisch ist, wirft das amüsante wie lehrreiche Buch auf Deutsch mit viel Esprit einen liebenswerten Blick auf unsere englischen, schottischen und walisischen Freunde.

Demnach ist klar, dass es alle Arten von Briten gibt – große und kleine, hübsche und hässliche, dicke und dünne, freundliche und aggressive. Einige haben blonde Haare, einige braune, einige schwarze oder graue. Einige gar keine. Besonders in sonnigen Gefilden ist der ansonsten eher nordisch-blasse Brite daran zu erkennen, dass er nach einem Sonnenband wie ein abgebrühter Hummer aussieht, sich aber nichtsdestotrotz lustig weiter Tag für Tag in die pralle Sonne legt.

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Die Recherche fand auf Einladung/mit Unterstützung von Accor Hotels in Zusammenarbeit mit uschi liebl pr und FINN Partners statt.