Unterwegs auf den Champs-Elysées von Burgund

Burgund von der schönsten Seite: An der Route des Grands Crus reiht sich Weingut an Weingut. (Foto Katharina Büttel)
Burgund von der schönsten Seite: An der Route des Grands Crus reiht sich Weingut an Weingut. (Foto Katharina Büttel)

Warmes Licht liegt über Weinbergen und Hügelketten, die Luft riecht nach Erde und Pilzen. Das historische Stück Frankreichs zwischen Dijon und Santenay verwöhnt die Gäste mit exquisiter Küche und weltberühmten Weinen.
Modriger Geruch wabert durch die zwei Weinkeller der Familie Boisset aus dem 15. und 17. Jahrhundert. Ungezwungen geht es hier zu. Der Kellermeister verkostet den neuen Jahrgang direkt aus dem Fass, spuckt die Kostprobe anschließend auf den Boden, kippt den Rest aus dem Glas zurück in die von eisernen Spanten geklammerte Barrique, das traditionelle Eichenholzfass. Von den verkrusteten Gewölben hängen Spinnenweben, zentimeterdick liegt der Staub auf den ganz großen Jahrgängen, die entsprechend lang schon reifen und darauf warten, dass ein Weinliebhaber sie aus dem Reich des Weines entführt.

Ansturm von Freunden des Rebensaftes

Der außergewöhnliche Terroir und exzellente Trauben verhelfen den Weinen aus Burgund zu ihrer Klasse. (Foto Katharina Büttel)

Auf den ersten Blick fällt es schwer zu glauben, dass in solchen Kellern einige der teuersten Weine der Welt entstehen. Marketing ist für die Winzer des Burgund ein Fremdwort. Sie produzieren seit Jahrhunderten legendäre Weine und scheren sich wenig um die Außendarstellung. So waren auch die meisten Weingüter lange Zeit nicht zu besichtigen. Erst als in den neunziger Jahren sowohl der Weinverbrauch als auch der Weintourismus sprunghaft stiegen, gab auch die „Festung“ Burgund dem Ansturm von Freunden des Rebensaftes aus aller Welt nach.

1.000-Euro Weine

Die Burgunder feiern gern und stilvoll in ihren Weindörfern. (Foto Katharina Büttel)

Das außergewöhnliche Terroir des im Osten Frankreichs gelegenen Dreiecks zwischen den Flüssen Saône, Seine und Loire, ein mit Kalkstein durchsetzter Boden und eine bis in die Römerzeit zurückgreifende Tradition der Bodenkultivierung, bieten die idealen Bedingungen für die erlesenen Trauben von Chardonnay und Pinot Noir. Einer der berühmtesten Weinberge trägt bis heute deren Namen: La Romanée. Verrückt, aber wahr: eine Flasche von hier wird später mal um die 1.000 Euro kosten. Noch heute ein Dorado für Genießer ist der etwa 60 Kilometer lange Abschnitt der Straße D 974 zwischen Dijon und Santenay.

Spitzen- und Dorfweine

Der Meursault und die weltbekannten Weine der Côte d’Or. (Foto Katharina Büttel)

Nicht allein jedes Dorf, nahezu jeder einzelne Hang der Côte d’Or, der Côte de Nuits, der Côte de Beaune erzeugt Spitzenweine, so genannte Premiers Crus und Grands Crus. Namen wie Aloxe Corton, Meursault, Chambolle-Musigny, Vosne-Romanée oder der weiße Corton – den Karl der Große schon liebte – haben den Weltruhm der Provinz begründet. Nur ein Prozent der Ernte sind jene Grands Crus, elf Prozent entfallen auf die ebenfalls hochbegehrten Premier Crus, der Rest sind Dorfweine.

Berühmte Gaumenfreuden aus Burgund

Gerade im Herbst präsentiert sich die Landschaft in Burgund von ihrer schönsten Seite. (Foto Katharina Büttel)

Auch Gourmets können entlang der D 974 leben wie Gott in Frankreich: auf fetten Wiesen weiden die begehrten Charolais-Rinder, die berühmten Bresse-Hühner picken unter freiem Himmel Körner, Gras und Gewürm. Geliebt wird der Rotschmierkäse aus Epoisses, der Ziegenkäse Màconnais, die nussige Butter. Der Senf aus Dijon wird geradezu geadelt; köstlich ist der schwarze Johannesbeerlikör Cassis, der mit weißem Burgunder gemischt den bekannten Aperitif „Kir“ ergibt. Erfunden wurde er von einem gewissen Felix Kir, einst Bürgermeister von Dijon.

Ein Paradies für Feinschmecker

Romantisch und prachtvoll zugleich: das Wasserschloss Tanlay. (Foto Katharina Büttel)

In den vielen kleinen Restaurants sind es stets die eher einfachen Produkte der Natur, die die Tagesmenü-Listen bestimmen: wie Schnecken im Windbeutel, Schinkenterrine mit Petersilie oder Rindsragout in Weinsoße zu moderaten Preisen. Aber nie ohne von Menschenhand verfeinert, verarbeitet worden zu sein. Eine Kultur, die niemals abgehoben oder nur Festtagen vorbehalten ist, sondern den Alltag prägt. Bei einem Sterne-Koch allerdings kann man auch schon mal ein kleines Vermögen lassen. Aber wer einmal ein Boeuf Bourguignon, ein Filet de Porc à la Moutarde oder den legendären Coq au Vin gekostet hat, ist eh verloren…und fragt unweigerlich nach dem Rezept. Oder kommt immer und immer wieder.

Die Ritter der Weinprobe

Die Ritter der Weinprobe haben ihren Sitz im Schloss Clos de Vougeot. (Foto Katharina Büttel)

Pilgern gleich treffen sich Weinliebhaber im „Allerheiligsten“ des Weines, dem „Château du Clos de Vougeot“, einer ehemaligen Abteil aus dem 12. Jahrhundert. Sehr zu empfehlen als Ausgangspunkt für eine Tour durch die Weinkeller. Hier residieren die „Ritter der Weinprobe“. Die Aufnahme in den erlauchten Kreis dieser baccantischen Vereinigung zählt in Frankreich mindestens so viel wie das Kreuz der Ehrenlegion. Staatschefs, Monarchen, aber auch Alfred Hitchcock, Peter Ustinov wurden ausgezeichnet.

Drei glorreiche Tage im November

Im wahrsten Sinne des Wortes kunstvoll gibt sich die historische Altstadt von Dijon. (Foto Katharina Büttel)

Und Catherine Deneuve wird hoffentlich wieder beim großen Dinner der Weinbruderschaft „Chevaliers du Tastevin“ am dritten Wochenende im November die Tafel zieren. Denn das ist auf Vougeot der Auftakt der „Trois Glorieuses“, der drei glorreichen Tage. Höhepunkt ist die Auktion der Weine der „Hospice de Beaune“. Händler aus der ganzen Welt sind dann vor Ort und ersteigern ihren Anteil. Die dabei erzielten Preise gelten als Marktbarometer. Rund um dieses Ereignis ist jedermann eingeladen, an Degustationen und Verkauf-Events teilzunehmen.

Das vielleicht schönste Krankenhaus der Welt

Glanzpunkte – die bunten Dachziegel des berühmten Hôtel-Dieu in Beaune. (Foto Katharina Büttel)

Die vier kühnen Herzöge von Burgund machten aus ihrem Land im ausgehenden Mittelalter eine europäische Großmacht und Dijon zu einer prächtigen und doch gemütlichen Stadt. Und ihr Kanzler Nicolas Rolin ließ in Beaune das schönste Krankenhaus der Welt bauen, das berühmte Hospice Hôtel-Dieu mit seinen bunten Dachschindeln. Beaune ist das Herz des Burgunder Weinbaus, in seinen Kellern haben die Herzöge von Burgund, die Könige von Frankreich ihre Weine gelagert. Burgunder stand auf den Tischen der Royals, Fürsten und Reichen ganz Europas.

Über Weinflaschen spazieren

Noyers sur Serain – bezauberndes Fachwerk. (Foto Katharina Büttel)

Heute ist es für manche Besucher eine herrliche Vorstellung, dass man durch die quirlige Stadt über Millionen von Flaschen hinweg spaziert, die tief unten in aller Ruhe ihrer Geschmacksvollendung entgegen reifen.

Prachtbau in Vézelay

Die Abteikirche Sainte-Madeleine in Vézelay ist das Glanzstück der Gegend und war einst Ausgangspunkt für Kreuzzüge. (Foto Katharina Büttel)

L’art et le plaisir de vivre – Kunst und Lebensfreue – lautet das Motto Burgunds und bietet weit mehr als sinnenfrohes Zechen. Ein kulturelles Erbe von Rang wartet auf Besucher. Die mächtige Basilika Ste. Madeleine, hoch über Vézelay, gilt als einer der wichtigsten Wallfahrtsorte unseres Nachbarlandes. Prachtvolle Schlösser erzählen Geschichten aus ruhmreichen Zeiten, Zisterzienser hinterließen prächtige Abteien.

Gastlichkeit als Gesamtkunstwerk

Dijon wartet mit zahlreichen Blickfängen auf. (Foto Katharina Büttel)

Übertroffen wird alles vom Charme der Landschaften und Dörfer, wo man in den Restaurants immer wieder ein Ambiente erleben kann, eine Qualität der Zubereitung und Tischkultur wie sonst kaum irgendwo anders: Gastlichkeit als Gesamtkunstwerk, golden glänzt der 2005er Meursault im Glas…

Wissenswertes zu Burgund in Kurzform

Wo die Spitzenweine zum Alltag gehören – die Weinroute nach Beaune und Dijon. (Foto Katharina Büttel)

Allgemeine Informationen: Atout France und Côte d’Or Tourisme

Reisezeit: Am besten reist es sich ab April/Mai (Weinblüte) bis Mitte/Ende November: Weinlese, Laubfärbung.

Feste: Weinfeste finden rund ums Jahr statt. Bei dem Fest „Les Fêtes de la vigne“ geht es um beides, Folklore und Wein in Dijon Anfang September

Ein kunstvoller Riese schmeißt in Saulieu mit Wein um sich. (Foto Katharina Büttel)

Veranstaltungen: Höhepunkt des Jahres: „Les Trois Glorieuses“, Start ist am 20. November mit der Versammlung der Ordensritter im Schloss Clos de Vougeot (in vollem Ornat). Am 21. die Weinversteigerung in Beaune. Ende ist am 22. mit dem Winzerfestmahl La Paulée in Meursault. – Die historische Wallfahrt „Fête de la Madeleine“ in Vézelay ist am 22. Juli.

Einkaufs- und Übernachtungstipps

Mitbringsel: Wein (bei Winzern und in den Weinschlössern mit Verkostung), oft günstigere Preise in den Einkaufszentren der Städte. Dijon Senf, handgeschöpfter Käse, Kastanienhonig.

Feriendomizil mit Charme im Weinort Nolay. (Foto Katharina Büttel)

Unterkunft: Unbedingt rechtzeitig buchen! Zu empfehlen ist eine Ferienwohnung oder -haus als Ruhepol mit netten Einheimischen als Nachbarn. Zum Beispiel das entzückende Haus „La petite maison“ für vier Erwachsene mitten im Weinort Nolay – günstig gelegen im Dreieck Dijon, Beaune, Autun. Mietpreis ca. 800 Euro/Woche bei NOVASOL, Telefon 040-6 88 71 51 82.

Reiseliteratur: Burgund, kenntnisreicher Reiseführer mit vielen nützlichen Tipps und Adressen für 17,99 € bei DuMont. Burgund – Küche, Land und Leute, prachtvoller und appetitanregender Bildband, ca. 35 Euro bei Droemer.

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