Rothenburg ob der Tauber – zwischen Zuckerbäckerromantik und Kitsch

Prachtfassaden säumen den schmucken Marktplatz in Rothenburg ob der Tauber. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Prachtfassaden säumen den schmucken Marktplatz in Rothenburg ob der Tauber. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Türme, Zinne, schiefe Dächer, enge Gassen und Kopfsteinpflaster prägen die historische Altstadt von Rothenburg ob der Tauber. In wohl kaum einer anderen deutschen Stadt scheint der viel zitierte Satz „hier scheint die Zeit still zu stehen“ dermaßen zutreffend zu sein, wie in dem Meer an Jahrhunderte alten Fachwerk- und Bürgerhäusern. Eine perfekte Kulisse für jeden Historienfilm – noch dazu mit Charme und einer riesigen Portion Zuckerbäckerromantik, der vor allem Japaner und Amerikaner tagtäglich gleich in Hundertschaften erliegen. Entsprechend herrscht in den engen Straßen und Gassen – und zum Teil sogar auf der Stadtmauer mit ihren zwölf Türmen – ein reges Treiben.

Ein Gewusel und Stimmengewirr, das nach Ladenschluss abrupt endet. Dann reduzieren sich die Besucherströme um gefühlte 80 Prozent. Vor allem die Heerschar an Tagesgästen verteilt sich dann wieder in alle Himmelsrichtungen, während die verbliebenen Übernachtungsgäste sich in den vielen traditionellen Wirtshäusern Frankenwein, bayerisches Bier und deftige Küche munden lassen.

Teile des Rathauses zieren eine prächtige Renaissance-Fassade. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Teile des Rathauses zieren eine prächtige Renaissance-Fassade. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Teile des Rathauses zieren eine prächtige Renaissance-Fassade. (Foto: Karsten-Thilo Raab)Keine Frage, Rothenburg ob der Tauber ist ein blitzblankes Vorzeigestädtchen – irgendwo zwischen mittelalterlichen Romantik, Disney und Kitsch. Würde an den Stadttoren ein Kassenhäuschen stehen, ginge die Stadt mit den verträumten Häuserschluchten problemlos als riesiges Freilichtmuseum durch. Große Abzüge in der B-Note bekommt Rothenburg ob der Tauber jedoch aufgrund der Tatsache, dass die herrlichen, engen und mit großen Menschenmengen frequentierten Straßen der historischen Altstadt nicht komplett für den Autoverkehr gesperrt sind. So quälen sich Autos mühsam durch die Menschenmengen, während die Passanten die Fahrer mit ihren „Abgasschleudern“ zum Teil lautstark verfluchen. Gleichwohl gilt: Deutschlands Tourismus-Ikone Nummer Eins ist ungeachtet des ganzen Rummels, der vielen Kitschläden und der schleichenden Amerikanisierung vieler Läden unbedingt einen Besuch wert

Mehr als 700 Jahre reicht die Geschichte des Burgtors, des Weißen Turm, des Markusturms und des Röderbogens zurück, die allesamt um das Jahr 1200 errichtet wurden. Kaum minder beeindruckend ist das Rödertor. Das Stadttor aus dem 14. Jahrhundert verfügt über ein komplett erhaltenes Zoll- und Torwärterhäuschen. Zudem ist der Röderturm der einzige begehbare Aussichtsturm im Stadtmauerring.

Viel beachtetes Wahrzeichen: Georgsbrunnen in Rothenburg ob der Tauber. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Viel beachtetes Wahrzeichen: Georgsbrunnen in Rothenburg ob der Tauber. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Viel beachtetes Wahrzeichen: Georgsbrunnen in Rothenburg ob der Tauber. (Foto: Karsten-Thilo Raab)Vom Burggarten bietet sich ein herrlicher Rundblick auf die Rothenburger Altstadt und das Taubertal. Auf dem Areal errichteten die Hohenstaufen 1142 ihre Reichsburg, die knapp 200 Jahre später einem Erdbeben zum Opfer fallen sollte. Lediglich die Blasiuskapelle blieb erhalten.

Doch nicht nur die prächtige Stadtmauer mit ihren zwölf Türmen erinnert heute an längst vergangene Tage. Ihren urtümlichen Charme konnte auch die von Patrizierhäusern gesäumte Schmiedgasse und Herrengasse bis heute bewahren.

Das prächtige Rathaus besteht aus zwei Teilen: dem gotischen Rathaus mit dem Kaisersaal aus dem 14./15. Jahrhundert sowie dem 1578 fertig gestellten Renaissance-Bau. Nur einen Steinwurf entfernt plätschert an der Südseite des Markplatzes seit dem Jahre 1446 das Wasser aus dem schmucken Georgsbrunnen, der auch als Herterichsbrunnen bekannt ist und 1608 im Stile der Renaissance umgestaltet wurde.

Mit dem Bau der gotischen St.-Jakobs-Kirche wurde bereits um das Jahr 1300 begonnen. Knapp 200 Jahre gingen ins Land, ehe die protestantische Hauptkirche Rothenburgs um 1490 mitsamt ihren 55 und 58 Meter hohen Türmen fertig gestellt war. Zu den Besonderheiten des Gotteshauses zählen der Hochaltar von Friedrich Herlin aus dem Jahre 1466, der Heiligblut-Altar von Tilman Riemenschneider aus dem Jahre 1504 sowie die bunten Glasfenster im Chor aus dem 14. Jahrhundert. Kaum jünger ist die katholische Johanniskirche, deren Bau im Jahre 1390 begann und 1410 vollendet wurde

Neben der Stadtmauer sind es vor allem auch die Stadttore, die Rothenburg ob der Tauber ein mittelalterliches Flair verleihen. (Foto: Karsten-Thilo Raab)Neben der Stadtmauer sind es vor allem auch die Stadttore, die Rothenburg ob der Tauber ein mittelalterliches Flair verleihen. (Foto: Karsten-Thilo Raab)Deutsche und französische Puppen- und Spielzeuggeschichte aus zwei Jahrhunderten bereitet das Puppen- und Spielzeugmuseum anschaulich auf, während sich das Deutsche Weihnachtsmuseum ganz dem Fest der Feste verschrieben hat und neben Weihnachtsschmuck aus verschiedenen Epochen über 100 Weihnachtsmänner präsentiert.

Und im Mittelalterlichen Kriminalmuseum ist Deutschlands bedeutendste rechtshistorische Sammlung zu sehen. Neben Büchern, Wappen, Grafiken und Symbolen der Rechtsstaatlichkeit vermitteln verschiedene Folterinstrumente einen Eindruck vom nicht unumstrittenen Bemühen um Wahrheitsfindung in längst vergangenen Zeiten. Und so werden alle, die Rothenburg ansonsten nur eine romantische Seite abgewinnen können, in dem 2.500 Quadratmeter großen Museum eindrucksvoll eines Besseren belehrt: Dort steht die Eiserne Jungfrau neben Furcht einflößenden Schandmasken.

Zudem lernte der unbedarfte Besucher Strafen kennen, die seit Jahrhunderten in Vergessenheit geraten sind. Dazu gehört die Bäckertaufe. Hier hinter verbirgt sich ein Holzkäfig, in den ein Delinquent gesteckt wurde, bevor an einem Seil langsam in einen Brunnenschacht herabgelassen wurde.

Sie schmeckt Rothenburg ob der Tauber: Die Schneeballen sind die bekannteste Gaumenfreude der Stadt. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Sie schmeckt Rothenburg ob der Tauber: Die Schneeballen sind die bekannteste Gaumenfreude der Stadt. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Sie schmeckt Rothenburg ob der Tauber: Die Schneeballen sind die bekannteste Gaumenfreude der Stadt. (Foto: Karsten-Thilo Raab)Unabhängig von diesem barbarischen Akt weiß die hiesige Bäckerzunft, die hier wohl eher unfreiwillig bei der Namensgebung Pate stand, die Besuchermassen in ihren Bann zu ziehen. Denn kaum einer verlässt Rothenburg ob der Tauber ohne zuvor einen Schneeballen probiert zu haben. Dabei handelt es sich nicht um ein Überbleibsel des letzten Winters, sondern um eine Rothenburger Spezialität aus Mürbeteig, die mal mit Zucker, mal mit Schokolade verziert ist und verschieden gefüllt sein kann. Zu den Grundzutaten der Schneeballen zählen Mehl, Eier, Zucker, Butter, Sahne sowie Zwetschgenschnaps. Der ausgewalzte Teig wird in Streifen geschnitten, mit einem Schneeballeisen zu einem lockeren Ball geformt und in siedend heißem Fett gebraten.

Informationen: Rothenburg Tourismus Service, Marktplatz 2, 91541 Rothenburg ob der Tauber, Telefon 09861-404800, info@rothenburg.de, www.rothenburg.de

Sehenswertes: Deutsche Weihnachtsmuseum, Herrengasse 1, 91541 Rothenburg ob der Tauber, www.weihnachtsmuseum.de

Puppen- und Spielzeugmuseum, Hofbrunnengasse 13, 91541 Rothenburg ob der Tauber, Telefon 09861-7330, www.spielzeugmuseum.rothenburg.de

Mittelalterliches Kriminalmuseum, Burggasse 3-5, 91541 Rothenburg ob der Tauber, Telefon 09861-5359, www.kriminalmuseum-rothenburg.de

In den Abendstunden sind weite Teile der historischen Altstadt stimmungsvoll illuminiert. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
In den Abendstunden sind weite Teile der historischen Altstadt stimmungsvoll illuminiert. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Essen und Trinken: Brothaus, Hafengasse 24, 91541 Rothenburg ob der Tauber, Telefon 09861-9368701. Ofenfrische Backwaren, darunter auch die typischen „Schneebälle“, sowie kleine Speisen und Getränke sind hier im Angebot.

Roter Hahn, Obere Schmiedgasse 21, 91541 Rothenburg ob der Tauber, Telefon 09861-9740, www.roterhahn.com. Seit 1380 ein Inbegriff für deftige fränkische Kost von Bratwürsten über Obatzter bis hin zu Schweinshaxe oder Blutwurst auf Linsen.

Übernachten: Hotel Altes Brauhaus, Wenggasse 24, 91541 Rothenburg ob der Tauber, Telefon 09861-9780, www.altesbrauhaus.com. Das zentral in der historischen Altstadt gelegene Vier-Sterne-Haus besticht durch seine großzügigen Zimmer.

Hotel Reichsküchenmeister, Kirchplatz 8, 91541 Rothenburg ob der Tauber, Telefon 09861-9700, www.reichskuechenmeister.com

Gasthof Bayerischer Hof, Ansbacher Straße 21, 91541 Rothenburg ob der Tauber, Telefon 09861-6063, www.bayerischerhof.com

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