Prag – die Schöne an der Moldau

Prag
Als „Goldene Stadt“ gibt sich die tschechische Hauptstadt Prag nicht nur im Abendlicht überaus prachtvoll.

Viele nennen Prag die „Goldene Stadt“. Pavel Kohout, der berühmte tschechische Schriftsteller und Dramatiker beschriebt die Metropole als „alt, erhaben, vom Geheimnis umwittert wie ein teuerer Schmuck, getragen von einer verarmten, unter den Falten unverändert schönen Frau.“ Und in der Tat ist die gu 1.000-jährige Vergangenheit allgegenwärtig, hat auf mannigfaltige Art und Weise ihre Spuren hinterlassen. Nichtsdestotrotz ist auch an der Moldau ein massives Facelifting unübersehbar. Wo früher sozialistische Einflüsse das Straßenbild prägten, stechen heute westliche Nobellimousinen ins Auge. Der angegraute Staub und die Zwänge des zerfallenen Ostblocks sind in weiten Teilen der Innenstadt kaum mehr als eine Erinnerung. Vielmehr erweist sich die „Schöne an der Moldau“ auf Schritt und Tritt als ein einzigartiges Museum, geprägt von einer langen wechselhaften Geschichte, Tradition und purer Lebensfreude.

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Prachtvolle Bauten wie hier am Altstädter ring rund um die Teynkirche prägen die historische Altstadt. – Foto Karsten-Thilo Raab

Wie ein gewaltiger Schiffsbug erhebt sich die Burg des Hradschin über der Millionenmetropole. Das größte geschlossene Burgarenal der Welt, das noch heute Sitz des Staatspräsidenten ist, mißt an seiner Frontseite über 500 Meter. Markantester Punkt innerhalb der trutzigen Festung ist der mächtige Veitsdom mit der Wenzelkapelle, dem Grab des böhmischen Schutzpatrons. Als architektonisches Meisterwerk gilt aber auch der Wladislawsaal im nahegelegenen alten Königspalast. In der 62 Meter langen und 16 Meter hohen spätgotischen Halle wurden in längst vergangenen Tagen die Krönungsfeierlichkeiten abgehalten. Hinter dem St. Georgskloster mit seinen rötlichen Fassaden liegt das „Goldene Gäßchen“. Die 18 winzigen, dennoch beeindruckenden Häuschen sind in die Burgmauer eingebaut. Nur einen Steinwurf entfernt befindet sich der Hradschinplatz, der zugleich den Zugang in den Ehrenhof bildet, wo noch immer hochgestellte ausländische Politiker mit großem Zeremoniell begrüßt werden. Jeden Tag vollzieht sich hier um Punkt zwölf Uhr ein bei den Touristen beliebtes Spektakel: der Wachwechsel.

Der Hradschin mit dem Präsidentenpalast gilt als das größte geschlossene Burgarenal der Welt, – Foto Karsten-Thilo Raab

Der Rundgang durch die Burg  führt auch zu dem wohl berühmtesten Fenster der Geschichte, aus dem aufgebrachte Protestanten 1618 die beiden kaiserlichen Stadthalter warfen. Diese landeten zwar in einem Misthaufen und überlebten, doch mit dem legendären „Prager Fenstersturz“ begann bekanntlich der Dreißigjährige Krieg, der über Europa Tod und Verwüstung brachte. Nicht nur wegen ihrer imposanten Größe ist die unterhalb der Burg gelegene Deutsche Botschaft eine der häufigsten Anlaufstellen in Prag. Auf einem kleinen Trampelpfad gelang man zur Rückseite des Palais und steht vor dem Zaun, durch dessen Überwindung Tausende von ehemaligen DDR-Bürgern im Herbst 1989 den Weg in die Freiheit suchten. Wochenlang harrten ganze Familien auf dem Botschaftsgelände aus, bis endlich die Ausreiseerlaubnis durch den damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher verkündet wurde. Ein Aufstand, der die Signalwirkung für den Fall der Mauer hatte. Noch heute gemahnt ein Kunstwerk an das Stück moderner Geschichte: ein Trabbi, den Künstler auf vier Beine gestellt haben.

Prag
Die Wachablösung am Präsidentenpalast ist ein touristischer Magnet. – Foto Karsten-Thilo Raab

Über die 520 Meter lange, zehn Meter breite und mit 30 Skulpturen verzierte, ungemein imposante Karlsbrücke führt der Weg direkt in die wunderschöne Prager Innenstadt. Neobarocke Bauten wechseln mit Häusern im Renaissancestiel, Jugendstilornamente erstrahlen neben neoklassistischen Bauten. Nicht von ungefähr hat die UNESCO den historischen Kern zum Weltkulturerbe erklärt.

In der Deutschen Botschaft wurde ein wichtiges Kapitel deutscher Geschichte geschrieben. – Foto Karsten-Thilo Raab

Das eigentliche (touristische) Herz der tschechischen Hauptstadt bildet zweifelsohne der Altstädter Ring. Die Teynkirche mit ihren beiden 80 Meter hohen Türmen dominiert das Straßenbild rund um den mittelalterlichen Platz wie das Jan-Hus-Denkmal, die St. Nikolaus-Kirche und das bombastische Altstädter Rathaus mit seiner berühmten Aposteluhr. Der astronomischen Zeitmesser, 1490 von Hanus geschaffen, wurde von den Prager Stadträten als Meisterwerk der Kunst angesehen. Um dessen Einmaligkeit zu wahren ließen sie den Erbauer mit einem glühenden Schwert blenden, so daß dieser sein Augenlicht vor.

Ungewöhnlicher Blickfang im Garten der Deutschen Botschaft. – Foto Karsten-Thilo Raab

Als Zentrum des pulsierenden Lebens in Prag gilt aber auch der Wenzelsplatz, der mit einer Länge von rund 700 Metern eigentlich eher als breite Allee bezeichnet werden müßte. Dort wo sich tagsüber Einkaufsscharen und Touristen gleichermaßen tummeln, wo nach Einbruch der Dunkelheit die Nachtschwärmer Zuhause sind, haben sich viele einschneidende Momente der jüngeren Geschichte abgespielt. 1918 wurde auf dem Wenzelsplatz die erste tschechoslowakische Republik ausgerufen, die 1939 an gleicher Stelle durch die anrollenden deutschen Panzer beendet wurde. Und 1968 schließlich waren es die Panzer des Warschauer Pakts, die hier den „Prager Frühling“, der durch das Bemühen Alexander Dubceks, einen liberaleren Kurs in dem damaligen Ostblockstaat zu fahren, in die Geschichtsbücher einging, gewaltsam niederschlugen.

Abendstimmung auf der berühmtten Karlsbrücke. – Foto Karsten-Thilo Raab

Nicht fehlen darf auch der Besuch des alten jüdischen Friedhofs. Dieser wurde in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts angelegt und zählt fast 12.000 Grabsteine, die allesamt malerisch eng zusammengedrängt sind. Da das ehemalige Prager Ghetto eine räumliche Ausdehnung des Friedhofs nicht zuließ, wurde er mehrfach neu aufgeschüttet, so daß stellenweise bis zu zwölf Tote übereinander ihre letzte Ruhestätte fanden. Insgesamt ruhen hier etwa 80.000 Juden.

Die Moldau prägt das Gesicht der tschechischen Kapitale. – Foto Karsten-Thilo Raab

Weniger erdrückend und besinnlich, dennoch ein absolutes Muß ist der Besuch in der berühmten Laterna Magica. Das „Schwarze Theater“, diese einzigartige Verbindung aus Tanz, Theater, Licht und Musik, gilt als erste Multimediashow der Welt und war 1958 bei der Weltausstellung in Brüssel die Sensation neben dem Atomium.

Auch in der Dunkelheit versprüht die beeindruckende Karlsbrücke Glanz.

Empfehlenswert ist auch die sogenannte „Hochzeitsreise für Arme“: Die Fahrt mit der Straßenbahnlinie 22 von der Altstadt am Nationaltheater vorbei über die Moldau, durch die Kleinseite den Hügel hinauf zur Burg des Hradschin und zu den Klöstern Strahov und Loreto, streift dabei eine Vielzahl an Sehenswürdigkeiten. Und von diesen hat die Stadt der über hundert Türme, deren besonderer Charme mit der untergehenden Sonne voll zur Geltung kommt, reichlich. Weitere Informationen unter www.czechtourism.com.

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