Wer nach Marokko reist, sehnt sich in der Regel nach Sonne und muckelig warmen Temperaturen. Der Marrokaner indes freut sich über jeden Regentropfen. Denn gewöhnlich lässt es Wettergott Petrus eher selten über diesen Teil Nordafrikas regnen. Das Badeparadies Agadir darf sich beispielsweise rühmen, im Mittel über 320 Sonnentage im Jahr zu verfügen. Kein Wunder, dass der Marrokaner gerne sagt, „wer den Regen mitbringt, ist gesegnet!“. Blöd nur, wenn man als vermeintlicher Sonnenanbeter zufällig der Segensbringer ist. Ganz ehrlich, ein Verzicht auf diese Ehre wäre ungleich schöner. Na ja, ändern lässt es sich eh nicht.
Genussvolle Tage am zehn Kilometer langen und herrlich breiten Strand von Agadir fallen daher im wahrsten Sinne des Wortes erst einmal ins Wasser. Am 236 Meter hohen Hausberg über der Marina, die sich mehr und mehr zum hippen Ausgehviertel mit kleinen Cafes und einladenden Restaurants gemausert hat, lässt sich der berühmte Schriftzug mit den arabischen Worten „Gott – Vaterland – König“ im Nieselregen nur schemenhaft erkennen.
Burgberg mit Weitblick
Auch der Aufstieg zur darüber liegenden Burg, der 1541 errichten Kasbah, lohnt nicht wirklich. Dabei lässt sich bei halbwegs anständigem Wetter von hier ein herrlicher Blick über die weite Bucht von Agadir mit dem sichelförmigen Strand und das Häusermeer in der 420.000-Seelen-Metropole am Atlantik werfen.
Und auch der Ozean hält sich temperaturmäßig mit bescheidenen 19, 20 Grad noch dezent zurück. Dafür lässt er kräftige Wellen an den Strand krachen. Die meisten lassen sich ob der Wetterkapriolen die Laune nicht verderben, genießen ausgedehnte Strandspaziergänge, hüpfen in den beheizten Hotelpool (was bei Regen eigentlich noch schöner ist) oder nutzten die Zeit, um ein wenig zu shoppen.
Feilschen auf die andere Art
Natürlich gibt es in Agadir auch jede Menge Boutiquen und Geschäfte der bekannten Marken und Label. Ungleich spannender ist es, über den Marche Municipal, den größten überdachten Basar, der Stadt zu flanieren. Hinter der hohen Mauer mit Türmen, die auch als Stadtmauer durchgehen könnte, öffnet sich eine ganz andere Welt. Denn ein Gang über den orientalischen Basar ist ein Fest für alle Sinne.
Es duftet nach Kräutern und Gewürzen. Es herrscht großes Gewusel. Entsprechend groß ist auch das Geschnatter. Schließlich ist das Handeln und Feilschen tief verwurzelt in der Kultur der Marrokaner. Niemand zahlt hier den ursprünglich geforderten Preis. Der Händler pokert hoch, der Kunde versucht den Preis so weit wie möglich zu drücken.
Amüsante Händlerverwirrung
„Manchmal ist es schlau, einfach weiter zu gehen, denn nicht selten kommen die Händler hinterher und lassen sich doch noch auf den Preis ein“, beteuert Mohamed Ait Brahim, das auf den Märkten das Klappen zum Handwerk gehöre und Teil des Spaßes sei.
Flachsend schiebt der Guide, der am Goethe-Institut fließend Deutsch gelernt hat, hinterher, mal man solle mal eine komplette Händlerverwirrung probieren. Wenn der Standbetreiber 300 Dirham fordere, solle man einfach mal 600 Dirham bieten, statt wie üblich nur die Hälfte.
Schmackhaftes Berber-Nutella
Während die Gewürze meist zu kunstvollen kreiselartigen Türmchen aufgehäuft sind, wirkt insbesondere die Darbietungsform für Fleisch doch etwas gewöhnungsbedürftig. Da hängt die Haut eines Kuhkopfes und bei geschlachteten Schafen werden die Hoden gut sichtbar drapiert.
„Das Fleisch von männlichen Tieren ist bei uns wesentlich beliebter als das von weiblichen“, unterstreicht Mohamed, dass so sicher gestellt wird, dass niemanden eine Schafsdame als Bock angedreht würde.
Neben Obst, Gemüse und Kräutern werden auch Kleidung, Lederwaren, Teppichen und Souvenirs feilgeboten. Darunter auch Exportschlager wie Arganöl oder das sogenannte „Berber-Nutella“, ein süßer Brotaufstrich aus Arganöl, Honig und Mandeln, der eigentlich „Amlou“ heißt.
Köcheln im Tontopf
Hoch im Kurs steht auch eine Tagine. In den runden, tönernen Töpfen mit spitzem Deckel, deren Preise bei umgerechnet sieben, acht Euro beginnen, wird die gleichnamige marokkanische Nationalspeise hergestellt. Fleisch-, Fisch- oder reine Gemüsevarianten der Tagine köcheln mindestens drei Stunden über einem Holzfeuer oder einer Gasflamme.
Die überaus schmackhafte Tagine, die bei keinem marokkanischen Familienfest fehlen darf, ist hinterher so hauchzart, dass das Fleisch schon bei der bloßen Berührung mit der Gabel zerfällt. Eine Gaumenfreude, die selbst den stundenlangen Regen vergessen lässt.
Folgen eines schweren Erdbebens in Agadir
Viel Sehenswertes hat Agadir ansonsten nicht zu bieten. Schuld ist ein verheerendes Erdbeben im Jahre 1960, das weite Teile der Stadt nahezu komplett zerstörte. Heute entpuppt sich Agadir als klassischer Badeort mit zahlreichen Hotels, Restaurants und Bars sowie einer herrlich breiten Strandpromenade und einem weithin sichtbaren Riesenrad.
Ein paar Kilometer weiter nördlich lockt das kleine Taghazout in erster Linie die Surferszene an. Die Wellen in der weiten Bucht türmen sich hier meterhoch auf. Erst recht, wenn es windet, stürmt und regnet. Und so sind die unzähligen, in wärmende Neoprenanzüge gehüllte Wellenreiter ganz in ihrem Element, während sich die leicht fröstelnden Sonnenanbeter die Hände am Pfefferminztee oder einem Nous Nous, einem marokkanischen Kaffe mit viel Milch, wärmen.
Sonne satt am sichelförmigen Strand
Tags darauf, tut Wettergott Petrus dann doch wieder etwas für die Sonnenstatistik. Schon wandelt sich der Strand binnen kürzester in ein Mekka der Sonnenhungrigen. Manchmal lügt die Statistik eben nicht. Und der Job als Segensbringer wurde ja schon mit Bravour am Vortag ausgeführt…
Wissenswertes zu Agadir in Kurzform
Allgemeine Informationen: www.visitmorocco.com/de
Lage: Agadir, die Hauptstadt der Region Sousse, liegt im Südwesten Marokkos direkt am Atlantik und den Ausläufern des Atlas-Gebirges, dessen Gipfel hier bis auf 3.000 Meter hochragen.
Anreise: Eurowings bietet Direktflüge ab Düsseldorf ab etwa 70 Euro an; von Frankfurt fliegen Sunexpress, Ryanair und Condor (beide ab 49 Euro) direkt in das Badeparadies, von München u.a. Condor (ab 49 Euro).
Einreise: Für die Einreise genügt ein mindestens noch sechs Monate gültiger Reisepass.
Währung: Zahlungsmittel ist der Dirham. Ein Dirham entspricht etwa 0,08 Euro; ein Euro entspricht etwa 11 Dirham.
Essen & Trinken: Casa Mia, Agadir Marina, 80000 Agadir. Direkt an der modernen Marina gelegenes Restaurant mit marokkanischer Küche und exzellentem Fisch.
Dolce & Caffe, Boulevard Hassan II Agadir. Eines der angesagtesten Cafés der Stadt mit gutem Frühstück, Torten, Kuchen und kleinen Gerichten auf der Karte.
Pure Passion, Agadir Marina, Agadir, www.purepassion.ma. Mit Blick auf den Yachthafen gibt es hier tolle vegetarische Gerichte, aber auch Leckereien wie Jakobsmuscheln mit Arganöl.
Übernachten: Hotel Royal Atlas, Boulevard Du 20 Août, 80000 Agadir. Fünf-Sterne-Hotel mit marokkanischem Flair direkt am Strand. Preisbeispiel: Eine Woche mit Halbpension ist inklusive Flug ab Berlin beispielsweise am 24. April 2018 ab 419 Euro pro Person im Doppelzimmer buchbar. Weitere Informationen bei FTI unter www.fti.de.
Les Alohades Beach Resort, Boulevard Du 20 Août, 80000 Agadir. Vier-Sterne-Hotel mit 321 Zimmern und großzügigem Poolbereich rund 150 Meter vom Strand. Preisbeispiel: Eine Woche mit All-Inclusive-Verpflegung ist inklusive Flug ab Hannover beispielsweise am 5. Juni 2018 ab 429 Euro pro Person im Doppelzimmer buchbar. Weitere Informationen bei FTI unter www.fti.de.
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Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.