Königlich im Kaiserwinkl am Himmel schweben

Kaiserwinkl
Einfach traumhaft: Eine Ballonfahrt über den verschneiten Kaiserwinkl. -Foto Katahrina Büttel

„Dies ist mein zweiter Trip“, versichert Pilot Ferdinand 150 Meter über den verschneiten Wiesen im Tiroler Kaiserwinkl trocken auf die Frage, wie lange er denn schon Heißluftballon fahre. Er sonnt sich in dem Entsetzen seiner drei Passagiere im engen Ballonkorb, ehe er sein Gesicht zu einem breiten Lächeln verzieht. An die 600 Flugstunden hat er schon auf dem Buckel – so der gebürtige  Österreicher – im Winter fahre er gern über die verschneiten Alpenhänge und die vier hübschen Orte im Kaiserwinkl, Walchsee, Kössen, Rettenschöss und Schwendt.

Am Anfang steht die Mühsal – ausbreiten der Ballonhülle. – Foto Katharina Büttel

„Eigentlich wollten wir, wie jedes Jahr im Januar, Gastgeber des größten Ballonfahrertreffens in Mitteleuropa sein. An die 50 Ballons wären in die Lüfte entschwebt, leider hat uns die Pandemie ausgebremst“ erklärt Ferdinand. Erfreulich, dass wenigstens einige Ballons den ganzen Winter starten und Tirol-Besucher mit an Bord nehmen dürfen. Und man hofft, im nächsten Jahr die Ballonfahrerteams aus fünf Ländern wieder in einem bunten Meer aus Ballonen zu begrüßen.

Kaiserwinkl
Dem riesigen Fliegenpilz fehlt nur noch der Korb zum Abheben. – Foto Katharina Büttel

In aller Frühe sind wir von unserem Hotel in Walchsee aufgebrochen zum Abenteuer Ballonfahrt im Kaiserwinkl. Langsam erst siegt die Sonne über den winterlichen Dunst. In Schwaden löst sich der Frühnebel aus den schneeverzuckerten Baumästen über den dickverschneiten Wiesen: ein mystisches Bild. Startplatz ist eine weite Wiese beim Bittermoser in Walchsee.

Röhrende Ventilatoren füllen den Ballon mit heißer Luft. – Foto Katharina Büttel

Ferdinand hat bereits die Thermik geprüft – frühmorgens ist sie ideal. Sein breites „Okay“ ist das Signal für seine Mitstreiter, nun die hauchdünne, textile Hülle des Ballons auf der Schneedecke auszubreiten. Die drei Helfer wuchten den Korb heran, verbinden ihn mit der grün-gelb-schwarzen Ballonhülle und werfen den röhrenden Ventilator an. Langsam bläht sich das Material – unten nichtbrennbares Nomex, oben Nylon –, richtet sich Zentimeter um Zentimeter auf. Immer heftiger wird Luft in die Hülle hineingefegt. Längst wurden die Mitfahrer aufgefordert, in den Weidenkorb zu klettern; sie klammern sich an den Halteschlaufen fest und warten auf das, was da kommen wird.

Blick aus dem Korb auf die herrliche Winterlandschaft im Kaiserwinkl. – Foto Katharina Büttel

Eine halbe Stunde dauert die Prozedur, nur noch Leinen und Seile müssen festgezurrt werden. Der „Kapitän“ streift unterdessen dicke Lederhandschuhe über, hantiert an den Propangasflaschen, die ihn im Korb umgeben, lässt einen mächtigen Feuerstoß aus dem Gasbrenner über unseren Köpfen fauchen. Wir zucken zusammen, eine Hitzewelle schlägt uns gegen den Nacken. 35 Meter hoch ragt die majestätisch aufgerichtete Hülle des Luftschiffs in den Himmel – überwältigend schön in der sonnigen, winterlichen Gebirgslandschaft zwischen
dem Zahmen und dem Wilden Kaiser.

Die Hand sicher am Brenner – Ballon-Kapitän Ferdinand. – Foto Katharina Büttel

Und wieder ein Feuerstoß. Wieder diese Hitzewelle. Ein Kommando von Ferdi und die Helfer lösen die Haltetaue. Als „Verfolger“ machen sie sich in ihrem Pick-up auf den Weg. Mittels Funk haben sie Kontakt zum Piloten, über GPS können sie ihn orten und sodann einen geeigneten Platz für die spätere Landung erkunden.

Kaiserwinkl
Lautlos wirbt der Ballon für den Tiroler Kaiserwinkl. – Foto Katharina Büttel

Der Pilot betätigt den Brenner so, dass wir langsam vom Schneeboden abheben und die anderen Teams kleiner und kleiner werden. Sanft steigt der Ballon aus dem Dunst empor und in den Himmel hinein. „Aufi, ume, obi – rauf, drüber, unten“ heißt die Parole auf tirolerisch. Kein Ruck, kein Schwanken – wir haben lauen Wind, stehen eine Weile fast exakt über der Startwiese, dann zieht es uns fast unmerklich in die Höhe.

Kaiserwinkl
Einem Fliegenpilz gleich gleitet der Heißluftballon über Schnee und Straßen. – Foto Katharina Büttel

„Wohin fahren wir?“ – „Mal sehen, wohin uns der Wind bringt“, ist Ferdinands Antwort. Abheben, dahinschweben, mit ungewissem Ziel, in feierlicher Stille – ja, das ist es, was Ballonfahren zum eigentlichen Abenteuer macht. Eine himmlisch-feurige Reiseweise bei heute höchstens fünf bis zehn Stundenkilometer in 400 bis 500 Meter Höhe.

Kaiserwinkl
Bunte Ballons über schneebedeckten Gipfeln – wunderschön. – Foto Katharina Büttel

Der Himmel verschiebt sich merklich in einem der ältesten Luftfahrzeuge der Welt. Tausende Menschen im französischen Annonay waren auf den Beinen, als am 5. Juni 1783 der erste Heißluftballon aufstieg. Der Sack aus Papier und Leinwand, später aus Seide, gefüllt mit heißer Luft, war eine Erfindung der Brüder Montgolfier.

Modernste Technik gehört dazau – Brenner eines Heißluftballons. – Foto Katharina Büttel

Wir staunen. Aus der Vogelperspektive erleben wir eine Traumlandschaft , alles sieht so sauber, friedlich, unberührt aus. Gen Westen erstreckt sich unter uns die Weite des Kaiserwinkls: verschneite Bergdörfer und Wälder, Skipisten, der zugefrorene Walchsee, Flussläufe und Straßenschlangen bis zum Horizont – immer begleitet vom Schatten, den unser Ballon wirft. Inzwischen leuchten am Himmel auch die anderen „Luftballons“ in knalligen Farben vor und über weißgepuderten Berggipfeln wie dem fast 2.000 Meter hohen Sonnwendjoch oder dem Wendelstein mit seinen gut 1.800 Meter.

Ballons im Morgendunst über dem Kaiserwinkl. – Foto Katharina Büttel

In der Ferne können wir ins Inntal fast bis Kufstein blicken. Später treibt uns der Wind langsam nach Osten. Ein Dreh im Korb und wir schauen auf die Zacken des Wilden Kaisers und sogar in Richtung Salzburg – was für ein fantastischer Ausblick in der kristallklaren Bergluft. Im Sommer und Herbst lebt die Landschaft wohl vor allem im Rausch der Farben.

Wokenlos – weit geht die Sicht vom Kaiserwinkl bis nach Kufstein. – Foto Katharina Büttel

Die Stille wird nur unterbrochen, wenn Ferdinand den Brenner zum Fauchen bringt und wir dadurch „eine Etage höher“ fahren. Wie alt wohl das Grundgestein der Gebirge sein mag – Jahrmillionen, vielleicht sogar eine Milliarde Jahre? Aber uns, die wir die Natur lieben, wie sie sich uns jetzt darstellt, beeindruckt weiterhin der Blick nach unten, über die Bergspitzen, in die Täler, auf die Kirchtürme. Und auf die Menschen, die uns zuwinken und unser Gefährt mit Begeisterung fotografieren.

Kaiserwinkl
Wer will nicht auch einmal durch die Lüfte schweben. – Foto Katharina Büttel

Nach fast einer Stunde nahezu atemloser Spannung bedeutet uns der Pilot, in die Hocke zu gehen und uns auf die Landung vorzubereiten. Ziemlich schnell senkt er den Ballon, von 500 auf 300, dann auf 150 Meter, noch tiefer. Minuten später setzt der Korb nach dem zweiten Versuch auf einem kleinen Acker nahe Kössen auf, nicht ganz sanft, aber okay. Der Ballon erschlafft, 200 Liter Gas sind verbraucht.

Ohne Sponsoren geht Ballooning nicht. – Foto Katharina Büttel

Am Boden gibt es Champagner zur zünftigen Ballonfahrer-Taufe, dazu Geschichten aus dem Pilotendasein. Zum Beispiel die von Irmi Moser, die der Liebe wegen vor 30 Jahren den Ballonschein machte und bis heute die einzige Österreicherin ist, die in den Bergen fährt. In feuchtfröhlichem Ritual werden die „Neulinge“ nun in den aeronautischen Adel aufgenommen. Vielleicht werden sie ja eines Tages wie der der Gasballon-Konstrukteur Charles vor über 200 Jahren schwärmen: „Es war nicht bloß Vergnügen, es war Glückseligkeit“.

Josef Adam Mölk war im 18. Jahrhundert der Lüftlmalerei-Künstler in Walchsee. – Foto Katharina Büttel

Allgemeine Informationen: www.kaiserwinkl.com

Ballon-Fahrten: Das nächste Kaiserwinkl Alpin-Ballooning findet vom 21. bis 28. Januar 2023 statt. Passagierfahrten sind möglich, je nach Wetterlage, Preis: ab 260 Eur pro Person. Weitere  Informationen unter www.kaiserwinkl.com/veranstaltungen

Im Kaiserwinkl darf ein Kaiserschmarrn nicht fehlen. – Foto Katharina Büttel

Wintersport: ein ideales Gebiet für Ski-Pistenspaß für die ganze Familie sowie für kleine und große Anfänger; auf Langläufer wartet ein 121 km langes Loipennetz mit Nachtloipe durch den ganzen Kaiserwinkl. Paragleiter aus aller Welt treffen sich hier. An die 80 km Schneeschuh- und Winterwanderwege; im Trend Snowtubing, Rodelpartien nahe Schwendt.

Unterkunft: Der Kaiserwinkl besteht aus den Gemeinden Kössen, Schwendt, Rettenschöss, Walchsee, wo es diverse Hotels gibt; z.B. das 4-Sterne plus-Hotel Seehof bietet Doppelzimmer mit Halnpension ab 124 Euro pro Person inklusive Wellness an.

Passt schon – eine zünftige Lederhos’n zum Ballooning.

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