Ein Hauch von Acapulco liegt über dem Kaiserwinkl in Tirol. Am Klobenstein geht es nicht ganz so hoch hinaus wie an dem berühmten Felsen von Le Quebrada, wo sich die Klippenspringer aus knapp 30 Metern Höhe in die Tiefe stürzen. Doch auch aus „nur“ acht Metern Höhe muten die Sprungeinlagen kaum weniger atemberaubend an. Zumal unter dem Felsbrocken kein Meeresabschnitt, sondern die Tiroler Ache wartet. Und der zumeist türkisblaue Fluss verfügt nur über wenige Stellen, die tiefer als zwei, drei Meter sind und garantiert zudem bei Temperaturen zwischen 14 und 16 Grad Celsius ein überaus erfrischendes Taucherlebnis.
Die meisten Wagemutigen blicken mit etwas schlotternden Knien vom Felsen in die Tiefe, um dann mit einem Hocksprung in den eiskalten Gebirgsfluss einzutauchen. Julian Leitner ist aus einem anderen Holz geschnitzt. Eben noch steuerte der Blondschopf, der ein wenig wie die jugendliche Ausgabe von Surflegende Robby Naish anmutet, ein mit acht Personen besetztes Rafting-Boot. Nun steht er selber auf der Spitze der Gesteinsformation, atmet tief ein und setzt dann zum Erstaunen der vielen Schaulustigen aus den anderen Rafts zu einem blitzsauberen Salto in die Tiroler Ache an. Sekunden danach taucht er unter den Augen der stillen Bewunderer lächelnd wieder aus den Fluten auf.
Eintauchen in die Tiroler Ache
Wenig später sitzt Julian wieder mit der achtköpfigen Crew im blauen Rafting-Boot, um die Tour vom österreichischen Kössen bis über die deutsche Grenze vor die Tore des bayerischen Ettenhausen fortzusetzen. Kurze Kommandos wechseln mit launigen Anekdoten, während das aufgeblasene Wasserfahrzeug aus Gummi sich seinen Weg durch die Wellen und Stromschnellen bahnt. Hier und da sind die ganz in Neoprenanzüge gehüllten Adrenalinjunkies an Bord aufgefordert, ein paar Schlägen zu paddeln. Meistens jedoch können ob der Strömung der Tiroler Ache alle einfach nur den Ritt auf den Wellen sowie Stromschnellen und die atemberaubende Landschaft entspannt genießen.
An einem längeren Abschnitt mit nahezu glatter Wasseroberfläche lädt Julian seine Schutzbefohlenen ein, einfach mal ins Wasser zu hüpfen und sich ein Stück treiben zu lassen. Während der eine oder andere keine Sekunde zögert, halten andere erst einmal vorsichtig die Finger als eine Art Temperaturfühler ins Wasser.
Erdgeschichte im Vorbeifahren
„Na los, traut euch. Es ist gar nicht so kalt und die Anzüge halten euch warm“, ruft Julian. Und platsch – Sekunden später sitzt Julian alleine im Boot. Dann steuert er flussabwärts auf eine seichtere Stelle zu, um dem „menschlichen Treibgut“ den Wiedereinstieg zu erleichtern.
Schon geht es weiter stromabwärts vorbei an den berühmten Kössener Schichten. Die mächtigen und Millionen von Jahren alten Gesteinsformationen säumen das Ufer der Ache. Die senkrechten Schichten bestehen aus dunkelgrauem Tonstein, Mergel sowie tonigen Kalksteinen und gelten als besonders reich an Fossilien. Weitere Höhepunkte entlang der abwechslungsreichen Strecke sind die 300 Jahre alte Wallfahrtskirche Maria Klobenstein, die angrenzende, barocke Loreto-Kapelle aus dem Jahre 1701 sowie die spektakuläre Hängebrücke an der Entenlochklamm.
Geheimnisvolles Tor zu den Alpen
All dies lässt sich aber nicht nur vom Wasser aus entdeckt, sondern auch auf dem famosen Schmugglerweg durch den beeindruckenden Canyon. Die Schlucht Klobenstein gilt seit Menschengedenken als geheimnisvoll verborgenes Eingangstor in die Alpen. Zugleich war der Pfad hoch über der Ache seit Jahrhunderten ein Weg für Grenzgänger zwischen Tirol und Bayern – und nicht selten wurden hier vorbei an Zoll und Grenzkontrolle auf illegalem Wege Waren von einem Land zum anderen gebracht.
„Vor allem Lebendvieh, Lebensmittel, Kaffee und Schnaps wurden hier seit Generationen geschmuggelt“, weiß Andi Schwendtner zu berichten. Gern erinnert sich der eloquente wie dynamische Guide an seinen Großvater, der die Zöllner immer mal wieder zu einem hochprozentigen Drink einlud und damit dafür sorgte, dass dies bereitwillig die Aktivitäten entlang des Schmugglerpfads ignorierten.
Schmuggeln über Generationen
„Als Kinder wurden wir miteingespannt und mussten mit unseren kleinen Rucksäcken von Tirol nach Bayern und zurück“, versichert Andi, dass es dabei vorwiegend um Nahrungsmittel für den Eigenbedarf seiner Familie ging. Und die Tradition des unkontrollierten Grenzübergangs lebte in der jüngeren Vergangenheit abermals kurz auf. Während der coronabedingten Grenzschließungen gab es hier einen regen Warenaustausch; aber auch manche Liebenden nutzten den Pfad, um den Freund oder die Freundin im jeweils anderen Land besuchen und sehen zu können.
Längst ist aus dem einstigen Trampelpfad ein überaus an- und aussichtsreicher Premiumwanderweg von Kössen bis Ettenhausen geworden. Für ein Investitionsvolumen von 1,5 Millionen Euro wurde im Jahre 2021 der malerische Themenweg auf historischen Pfaden zwischen dem Kaiserwinkl und Bayern angelegt und somit die Klobensteinschlucht für jedermann erlebbar gemacht. Eine einzigartige Wanderwelt, geprägt von rauschendem, türkisfarbenen Wasser der Tiroler Ache, von bizarren Felswänden, wildromantischen Wäldern und hellstrahlenden Schotterbänken.
An- und aussichtsreich
Über spektakuläre Felsstege lässt sich entspannt in dieses Naturjuwel eintauchen. Dabei eröffnen Panoramakanzeln und zwei Hängebrücken unerwartete Blickwinkel auf die alpine Schönheit.
Ausgangspunkt für die kurzweilige Tour auf den Spuren unzähliger Schmuggler ist die 4.500-Seelen-Gemeinde Kössen. Von hier geht es über die markante, 50 Meter lange Staffenbrücke mit ihrem Holzdach und weiter zur sogenannten Teufelsstiege. Von hier für 69 Stufen hinauf zum eigentlichen Schmugglerweg. Der Rest ist Geschichte.
Wissenswertes zum Kaiserwinkl in Kurzform
Informationen: Tourismusverband Kaiserwinkl, Postweg 6, A-6345 Kössen, Österreich, Telefon 0043-501-100, info@kaiserwinkl.com, www.kaiserwinkl.com
Lage: Der Kaiserwinkl in Tirol liegt zwischen dem Kaisergebirge sowie den Chiemgauer Alpen und umfasst die vier Gemeinden Kössen, Walchsee, Schwendt und Rettenschöss.
Anreise: Der Kaiserwinkl ist bequem mit der Bahn bis Kufstein zu erreichen. Das neue Deutschland-Ticket gilt bis hierher. Von Kufstein bieten die meisten Hotels des Kaiserwinkls einen Abholservice an; einen preisgünstigen Transfer bietet Taxi Kitzbichler an. Der Kaiserwinkl ist zudem mit dem Auto mautfrei über die Autobahn A93 (Ausfahrt Oberaudorf) erreichbar.
Aktiv im Kaiserwinkl
Kaiserwinkl Card: Die überaus praktische Gästekarte, die jeder Besucher automatisch bei seinem Beherbergungsbetrieb erhält, bietet nicht nur zahlreiche Ermäßigungen für die Attraktionen der Region, sondern ermöglicht, kostenfrei die Busse in der Region und sogar bis ins bayerische Reit im Winkl zu nutzen. Auf Wunsch erhält der Gast bereits elektronisch die Karte für den Anreisetag, so dass der Bus von Kufstein aus kostenfrei genutzt werden kann.
Schmugglerweg: Der interaktive Themenwanderweg von Kössen über Klobenstein bis Ettenhausen bietet auf speziellen Stationen die Möglichkeit, in Verbindung mit einer mobilen Handy-App, Schmuggler-Abenteuer hautnah zu erleben und auf unterhaltsame Weise Lehrreiches zu Natur und Bergwelt zu erfahren. Besonders unterhaltsam: Sowohl Familien wie auch Erwachsene können am Weg Punkte sammeln und auf lustige Weise Ware über die Grenze schmuggeln.
Raftinganbieter: Sport und Natur (Hüttfeldstraße 65b, 6345 Kössen, Österreich, Telefon 0043-664-2766703, info@sportundnatur.com, sportundnatur.com) bietet zweistündige Raftingtour inklusive Ausrüstung für 50 Euro pro Person an.
Ess- und Schlafgenuss
Essen & Trinken: See la Vie, Johannesstraße 30, 6344 Walchsee, Österreich, Telefon 0043-664-73572313, www.seelavie-walchsee.at. Die direkt am Walchsee-Ufer gelegene Gastronomie bietet typisch Tiroler Genüsse mit Blick auf Tirols wärmsten Badesee.
Gasthof Post, Dorf 43, 6345 Kössen, Österreich, Telefon 0043-5375-29490, www.hotelgasthofpost.at. Typische Tiroler Küche mit feiner Note kommt auf den Tisch des Hauses.
Übernachten: Hotel „Das Walchsee“, Johannesstraße 1 6344 Walchsee in Tirol, Österreich, Telefon 00433-5374-5331, www.daswalchsee.at. Das auch bei Fußball-Proficlubs beliebte Vier-Sterne-Aktivresort bietet Doppelzimmer ab 158 Euro pro Nacht an.
S’Kaiserwinkler Schmugglerfest in Kössen
Der Dorfplatz in Kössen wird in diesem Jahr erstmals Schauplatz des brandneuen Schmugglerfestes sein, das den traditionellen Almabtrieb ablöst. Am 23. September 2023 von 11 bis 19 Uhr findet das Fest statt Dabei ist der Name Programm: Das Schmugglerfest dreht sich ganz und gar um das Thema „Schmuggeln“. EinSchwerpunkt liegt auf der Geschichte des Schmuggelns von Alkohol über die bayerisch-tirolerische Grenze. Heimische Schnapsbrennereien sind in das Fest integriert und bieten ihre traditionellen Destillate an.Die Gäste können regionale Schmankerl genießen, die von heimischen Vereinen liebevoll zubereitet werden. Besonders beliebt sind die köstlichen Käsespezialitäten, die im Kaiserwinkl reichlich vorhanden sind und an diesem Tag ebenfalls nicht fehlen dürfen.
Highlight des Schmugglerfestes wird der festliche Umzug sein, der um 13 Uhr beginnt. Hierbei werden Nostalgie und Geschichte lebendig, wenn Pferdegespanne und traditionelle Elemente den Zug schmücken. Ein Anblick, der die Besucher in vergangene Zeiten entführt und für unvergessliche Eindrücke sorgt. Verschiedene Musikgruppen werden das Festgelände mit fröhlichen Klängen füllen. Auch die jüngsten Besucher werden beim Schmugglerfest nicht zu kurz kommen. Ein spezielles Kinderprogramm verspricht Spiel und Spaß für die Kleinen. Der Eintritt ist frei.
Die Recherchereise fand auf Einladung bzw. mit Unterstützung vom Tourismusverband Kaiserwinkl und Primo PR statt.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.