Martin Rurik ist einer der wenigen noch aktiven Zeesbootsegler auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst. Der gelernte Bootsbauer schippert regelmäßig Gäste in seinen hölzernen Oldtimern über den Bodden. Die richtige Arbeit beginnt jedoch erst, wenn der letzte Passagier der Saison von Bord gegangen ist. „Acht Tonnen Eiche unterm Hintern ist was anderes als eine Jolle.“ Ruhig und doch ein wenig angespannt richtet Martin Rurik seinen Blick auf die gute alte Martha. Behäbig hebt der eigens für diesen Akt gemietete Kran das massive Holzboot über die Kaikante des beschaulichen Neuendorfer Boddenhafens, um es kurz darauf auf einigen losen Holzbalken aufzupallen.
Martha ist eines von drei Zeesbooten, die Rurik sein Eigen nennt und die heute gemeinsam mit rund 90 anderen auf den Boddengewässern zwischen Ribnitz-Damgarten, Prerow und Barth unterwegs sind. „Insgesamt stehen 110 dieser Fahrzeuge im Schiffsregister. Ungefähr zehn existieren allerdings nicht mehr, weitere zehn Boote sind eingemottet an Land und warten auf ihre Schönheitskur“, sagt der 42-Jährige, der während seiner Ausbildung als Bootsbauer in einer Werft nahe Barth mit den für die Region typischen Zeesbooten in Kontakt kam und eine wahre Leidenschaft entwickelte. Dass er heute Urlauber über das flache Binnengewässer schippert, ist vor allem zufälligen Begegnungen, aber auch wirtschaftlichen Gründen zuzuschreiben: „Zeesboote sind fordernd. Und das in jeder Hinsicht. Wie bei Oldtimern fallen ständig Reparaturen an, die nicht immer schnell, einfach und vor allem günstig zu beheben sind. Die Zeesbootsegelei nur als ein reines Hobby zu betreiben, war für uns kaum möglich.“
Was Martin Rurik damit meint, wird klar, als Martha ihr Winterquartier am Hafen bezogen hat. „Dieser Winter wird hart“, murmelt er und verweist damit auf das Vorschiff, das eine komplett neue Verplankung erhalten soll. „Natürlich neben den Arbeiten, die sonst noch so anfallen.“ Zu diesen zählt bei dem bärtigen Bootsbesitzer zunächst die Standardkur, die auch Martha nicht erspart bleibt. Aussaugen, abkärchern und abdecken, „damit möglichst wenig Zugluft und Wasser von außen ins Boot eindringt und wieder neue Baustellen entstehen“, erklärt Martin Rurik, der bereits auf Luxusyachten zwischen Mallorca und Monaco Edelhölzer in Schuss hielt und sich zum echten Experten für Holzarbeiten entwickelt hat.
Und er wird hart, dieser Winter. Nicht nur die anhaltenden kalten Temperaturen bereiten Rurik Probleme, auch der straffe Zeitplan. „Spätestens in der ersten Aprilhälfte sollte das Boot wieder im Wasser sein, damit die zunehmende Wärme keine Schäden anrichtet. Bis dahin ist alles, was getan werden muss, abzuarbeiten – das ist die Kür und gleichzeitig die Krux an der ganzen Zeesbootgeschichte.“
Es vergeht kaum ein Tag, an dem der gelernte Bootsbauer, der nur gute 100 Meter vom Bodden entfernt in Fuhlendorf lebt, nicht an seiner Martha werkelt. Es wird gesägt, geschliffen, lackiert. Es werden Planken gebogen, Dichtungen gelegt und Löcher gefräst. Immer mit Blick auf den Arbeitsplan und doch mit einer Flexibilität, ohne die es laut Martin Rurik nicht geht: „Da ich unter dem freien Himmel arbeite, muss ich mich nach den Gegebenheiten richten, die Mütterchen Natur vorgibt. Ich brauche nicht an einem Nachmittag anfangen zu lackieren, wenn ich weiß, dass die Temperatur in der Nacht unter drei Grad Celsius fällt. Dann mache ich eben an einer anderen Stelle weiter“, sagt Rurik gelassen und fügt hinzu: „So geht das tagein, tagaus, bis der Kran wieder am Kai steht.“
Die Sonne strahlt, als der blaue Kraftprotz erneut seine Ausleger ausfährt und erst Martha, wenig später auch ihren mehr als zehn Meter langen, frisch gelackten Mast am Haken hat. Rurik freut sich auf die kommende Saison mit Urlaubern – und weiß zugleich: „Die To-do-Liste für den nächsten Winter ist bereits lang.“ Weitere Informationen unter www.fischland-darss-zingst.de/zeesboote.
Mortimer
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