Die Everglades – Floridas grüne Legende

Everglades
Geduldig wartet ein Alligator in den Everglades auf potentielle Fressopfer.

Die Indianer nannten das malerische Fleckchen Erde „Pahay-okee“, Fluss mit Gras. Tatsächlich erweisen sich die Everglades im Süden des US-Bundesstaates Florida als ein schier endloses Labyrinth aus Sümpfen, Brackwasser und Mangroven, das von unzähligen kleinen Bauminseln durchzogen ist. Die so genannten Hammocks sind bewachsen von Königspalmen, Sumpfzypressen, Lebenseichen, tropischen Gumbo-, Mahagoni- und Limbo-Bäumen, in denen sich Epiphyten, Orchideen und andere Luftwurzler in den Astgabeln breit machen. Die einzigartige Naturlandschaft der Everglades, die 1947 offiziell zum Nationalpark erhoben wurden und seit 1979 zum UNESCO Weltnaturerbe zählen, besteht zum Großteil aus einem nur 15 Zentimeter tiefen Fluss, der im Sommer etwa 100 Kilometer breit ist und dessen Wasser gerade einmal 30 Meter am Tag fließt.

Seit dem Jahre 1979 stehen die Everglades als welterbe unter dem Schutz der UNESCO.

„Das Gefälle misst nur knapp vier Meter auf der gesamten Länge von 80 Kilometern“, weiß Jeff u berichten. Der betagte Amerikaner mit dem schütteren Haar engagiert sich seit Jahren als ehrenamtlicher Helfer des Nationalparks. Mehrmals wöchentlich bringt er den Besuchern aus Teilen der Welt die Faszination dieses außergewöhnlichen Landstrichs näher. Und der rüstige Rentner mit der sonnengegerbten Haut versteht es exzellent, die eigene Begeisterung ansteckend zu vermitteln. Beim so genannten „Slough Slogging“ geht es mit dem Hobby-Ranger in den wilden Sumpf.

Zahlreiche Mangrovenwälder durchziehen die Sumpflandschaft.

„Entstanden sind die Everglades vor mehr als 10.000 Jahren am Ende der letzten Eiszeit“, gibt Jeff, der ursprünglich als Bankangestellter in Miami seine Brötchen verdiente, einen kurzweiligen Exkurs in die Entstehungsgeschichte des wohl schönsten Landstrichs des Sunshine-States. Das Abschmelzen der Eisschichten ließ den Meeresspiegel ansteigen und in dem riesigen Gebiet an der Grenze zwischen Süß- und Salzwasser entstand über Jahrtausende ein komplexes Ökosystem mit subtropischer Wildnis.

Prominentes Bewohner des Nationalparks sind die zahlreichen Alligatoren.

Auch statistisches Zahlenwerk hat der passionierte Hobby-Ranger parat: Als drittgrößter Nationalpark der Vereinigten Staaten mit einer Fläche von rund 6.100 Quadratkilometern beheimaten die Everglades über 2.000 Pflanzenarten, von denen 45 nirgendwo sonst auf der Welt wachsen. Kaum minder beeindruckend sind die allgegenwärtigen Schwärme von Silber- und rosa Löffelreihern, die ein Teil der überaus üppigen und vielfältigen Vogelpopulation mit mehr als 350 Arten bilden.

Auch zahlreiche Vogelarten sind in den Everglades heimisch.

„Achten Sie auf einen grauen, unförmigen Klumpen im Wasser“, verweist Jeff vor der Führung auf eine weitere Besonderheit des weltweit einzigartige Ökosystems: die Manatees. Die bis zu vier Meter langen Seekühe, die nur in Florida anzutreffen sind und keine natürlichen Feinde haben, bringen bis zu 900 Kilogramm auf die Waage und fressen täglich bis zu 15 Prozent ihres Körpergewichts an Wasserpflanzen. Fast unweigerlich macht daneben ein jeder Besucher mit den stechwütigen Mücken Bekanntschaft, die gleich millionenfach in den Everglades zu finden sind.

Ein Ranger watet durch das niedrige Wasser des Flusssystems.

„Für die nimmersatten Moskitos sind die Touristen nichts als Blutkonserven auf zwei Beinen“, flachst Jeff, der es längst aufgegeben hat, die täglichen Stiche zu zählen. Gleichzeitig verweist er auf den Nutzen der Insekten für das ökologische Gleichgewicht: „Die Eier und Larven der Moskitos sind ein unverzichtbarer Nahrungsbestandteil für Vögel und Fische, die wiederum zu den bevorzugten Leckerbissen von Panthern und Alligatoren zählen“, erklärt der Tour Guide aus Leidenschaft.

In Teil des riesigen Areals sind auch die harmlosen Seekühe zu finden.

Während die seltenen Florida Panther die Touristenpfade in der Regel weiträumig meiden, sind vielerorts die träge in der Sonne vor sich hin dösenden Alligatoren zu finden. Doch der Schein trügt. Denn das mit einer Länge von bis zu fünf Metern größte Reptil Nordamerikas ist ein überaus raffinierter Jäger. Blitzschnell erfasst der Alligator, der über kurze Strecke Geschwindigkeiten von 38 Stundenkilometern erreicht, seine Beute und zermahlt sie in Sekundenschnelle mit den mehr als 200 Kilogramm Druck, den die Schließmuskeln der Kinnladen erzeugen können. „Den niedlichen Lacoste-Tierchen sollten sie lieber nicht zu nahe kommen“, warnt Jeff und empfiehlt stattdessen den Besuch einer der vielen Alligator-Farmen, die sich entlang der Einfallstraßen zum Nationalpark tummeln.

Traditionell wird die Sumpflandschaft mit einem Air Boat erkundet.

Die Besonderheiten der Tier- und Pflanzenwelt der Everglades erläutert ein Film, der im Main Visitor Center an der State Road 9336 zu sehen ist. Dort sind auch nützliche Tipps für Wanderungen und Erkundungen auf eigene Faust zu erfahren. Innerhalb des Parks führen mehrere Lehrpfade auf Brettersteigen in die Sümpfe, von denen aus die einzelnen Vegetationszonen erkundet werden können. Besonders interessant sind der Anhinga Rail und der Gumbo-Limbo Trail, wo häufig Alligatoren, Schildkröten und Anhingas, die so genannten Schlangenhalskormorane, zu sehen sind. Überaus beliebt sind zudem die Fahrten mit dem Air Boat, dem Propellerboot. Unzählige Anbieter sind vor allem an der Alligator Alley, der Straße zwischen Miami und Naples zu finden und bieten unterschiedlich lange Ausflugstouren an.

Die Landschaft der Everglades ist überaus vielfältig.

Informationen: www.nps.gov/ever/index.htm

Reisezeit: Die beste Besuchszeit für die Everglades ist zwischen November und Mai, wenn die Zahl der Mücken gering ist und sich gleichzeitig die Tiere wegen Wassermangel an den wenigen verbleibenden Wasserstellen tummeln und so leichter beobachtet werden können.