Der Freistaat feiert den „Mythos Bayern“

Ein Stück Bilderbuch-Bayern: Schloss Neuschwarnstein.
Ein Stück Bilderbuch-Bayern: Schloss Neuschwarnstein.

Mythische Folklore umweht den jungen König Ludwig II., dessen Leben so tragisch wie rätselhaft endete und der so romantisch rückwärtsgewandt seine Traumschlösser Linderhof und Neuschwanstein erbaute. Auf dem Höhenflug seiner Weltflucht kaufte er 1873 die Herreninsel im Chiemsee und errichtete darauf das prächtige Schloss Herrenchiemsee: sein privates Versailles – Wunschwelt in Verehrung seines Idols, des französischen „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV.

Königlichen Glanz versprüht auch das Schloss Linderhof.

Der Bau ist nie ganz fertig geworden, das goldene Paradeschlafzimmer hat er immerhin – höchst selten – bewohnt. „Bewohnt ist übertrieben: Ludwig war Nachtmensch, das Schloss baute er sich für Dunkel- und Nachtzeiten. Und so wandelte Majestät lustvoll bei Mondlicht und im mystischen Schein von 1600 Kerzen allein durch die Gemächer und die 100 Meter lange Große Spiegelgalerie“, erzählt Veronika Endlicher, als Kastellanin Kennerin des Traumschlosses.

Königliche Verschwendungssucht

Herrenchiemsee – Ludwigs Prachtschloss inmitten des Chiemsees:

Ludwig war überschuldet, sein „Verschwendungswahn“ kam in München nicht gut an, und so zog eine Regierungskommission den „übergeschnappten“ Regenten staatsstreichartig aus dem Verkehr. Für Millionen aus aller Welt sind gerade seine Schlösser die Hauptattraktion einer Bayernreise.

Überbordend und prachtvoll zugleich: der Marmor-Treppenaufgang in Herrenchiemsee. (Foto Katharina Büttel)

Lange vor Ludwig war Herrenchiemsee schon mit dem Augustiner-Chorherrenstift besetzt und lange nach ihm tagten hier 1948 die Väter des Grundgesetzes. Und noch etwas macht den Chiemsee besonders: man kann ihn, das Wasser immer im Blick und die mächtige Kampenwand am Horizont, mit dem Rad umrunden und kommt dabei von einem Sehnsuchtsort zum nächsten – Prien, Seebruck, Bernau, hinüber bis Reit im Winkl.

Biergärten unter 1000-jährigen Eichen

Prunkvoller geht’s nimmer – König Ludwigs Paradeschlafzimmer. (Foto Katharina Büttel)

Gegenüber die Fraueninsel – klein, voll blühender Gärten, Biergärten unter 1000-jährigen Eichen und eine Benediktinerabtei, deren weißer Glockenturm weithin leuchtet. Das Kloster Frauenwörth bewahrt die Reliquien der heiligen Irmengard, Äbtissin und Schutzpatronin des Chiemgaus. Kultur, Religion und Tradition leben hier miteinander. Besucher lieben das Inselflair der „Chiemseemaler“.

Ludwig II. ist heute noch allgegenwärtig – wie hier an der Abfahrtsstelle zur Herreninsel. (Foto Katharina Büttel)

1828 entdeckte der Münchner Maximilian Haushofer am See und auf dem Eiland seine Motive. Ihm folgten in die herrliche Natur und kreative Ruhe Freunde und Künstler. Noch vor den Franzosen verließen sie ihre Stadtateliers und malten „in Licht und freier Luft“. Das Museum von Prien zeigt viele ihrer Werke.

Handwerker aus Tradition

Insel-Töpfer Georg Klampfleuthner vor seinen berühmten Ofen-Keramiken. (Foto Katharina Büzzel)

Die Handwerker! Könner sind sie alle. Der Keramiker Georg Klampfleuthner etwa, der aus der Gründerfamilie von 1609 stammt, töpfert schöne Gebrauchsdinge, dekorative und zeitlose Irdenware, originelle Kachelöfen und wunderschöne Bäder. „In der Abgeschiedenheit hat sich ein eigener Stil entwickelt. Bei meinen Unikaten muss man das Handgemachte spüren“, ist des Meisters Credo.

Die Fraueninsel im Chiemsee gehört zu den charmantesten Flecken in Bayern. (Foto Katharina Büttel)
Die Fraueninsel im Chiemsee gehört zu den charmantesten Flecken in Bayern. (Foto Katharina Büttel)

Auf der anderen Inselseite setzt die Fischerfamilie Lex auf Nachhaltigkeit und den Perlfisch, eine der seltensten Süßwasser-Fischarten der Welt. „Beim Laichen hat das Weibchen Bläschen wie Perlen am Kopf“, erzählt Florian Lex, Fischer in siebter Generation. „Aber unsere Gasthöfe punkten auch mit anderen Spezialitäten – Chiemgauer Mandelforelle, Renke, Knödel. Ein Chiemsee-Saibling als Steckerlfisch hat sogar Suchtpotential“.

Das Bier der Mönche

Einfach beeindruckend: Kloster Ettal, inmitten des Ammertals. (Foto Katharina Büttel)

Nicht minder lohnend ist ein Abstecher ins Ettal: seinen Durst kann man hervorragend mit den Bieren der Klosterbrauerei im Biergarten des Hotels „Ludwig der Bayer“ löschen. Dieser Ludwig verbot zwar 1317 das Bierbrauen, nach dem Gesetz zum Bierreinheitsgebot von 1516 jedoch konnte man wieder alles mälzern. 1609 errichteten die Benediktinermönche eine Brauerei. Herzstück ist das neue Sudhaus, das sich besonders zur Herstellung von Spezialbieren eignet. Frater Vitalis Sittenbauers Steckenpferd jedoch sind die Kräuterliköre, die gelben und die grünen aus mittelalterlicher Rezeptur. Und voller Stolz zeigt er seine Heu-, Hopfen- und Fruchtliköre und seine Gin-Mixturen.

Was wäre der Mythos Bayern ohne Bier aus dem Kloster Ettal? (Foto Katharina Büttel)

Die Klosterkirche birgt die kostbare, marmorne Gottesmutter aus dem Mittelalter, Maria, Patrona Bavariae. Sie lockt jährlich Hunderttausende an, die in und unter der sechzig Meter hohen Kuppel die schönsten Zeugnisse und Werke bayerischen Barocks sehen können.

Lüftlmaler und der Passionsfestspiele

Die Lüftl-Malerei gehört zu Bayern wie ein Maß Bier. (Foto Katharina Büttel)

Auf den Wiesen im Tal der Ammer weben weiße Margeriten, gelber Hahnenfuß, Rot- und Weißklee und blaue Glockenblumen einen farbenprächtigenTeppich. Ringsum stechen die schroffen Spitzen der Ammergauer Alpen in den weiß-blauen Himmel – mittendrin und umgeben von dichtem Wald liegt Oberammergau, das 5.000-Seelen-Dorf der Herrgottsschnitzer, der Lüftlmaler und der Passionsfestspiele.

Forstingenieur Anton Burghard kann auch Jesus – bei den Oberammergauer Passionsspielen 2000. (Foto Katharina Büttel)

Hier begegnen wir Förster Anton Burkhard. Schnell geht es mit der Laber-Bergbahn hinauf zum Gipfelkreuz. Das 360-Grad-Bergpanorama ist fantastisch –unter uns im Tal liegt der kleine Passionsort. Auf einem Spaziergang im dicken Schnee erzählt er engagiert von seiner Heimat, von den Veränderungen der Kulturlandschaft. „Eindeutig ist, dass Wind und Regen zugenommen haben, zwangsläufig auch die Schäden. Der Freistaat Bayern ist der größte Waldbesitzer Europas. Damit das so bleibt, müssen wir großen Wert auf Nachhaltigkeit legen“.

Das unvergessene Pestgelübde

Traditionelle Goldschmiedekunst – Florian Weidlichs einzigartige Gipfelkreuze. (Foto Katharina Büttel)

Und die Passionsspiele? Sie gehen zurück auf das Jahr 1633, als die Pest erneut über Europa kam. Die Oberammergauer lösten ein Jahr später ihr Pestgelübde ein, nämlich nach Verschwinden der Seuche alle zehn Jahre das „Leiden und Sterben Christi“ aufzuführen. Anton Burkhard wird 2020, wie schon sechsmal vorher, unter den zweitausend Darstellern wieder eine herausragende Rolle übernehmen. Leise und bescheiden bekennt er, dass er in der Milleniums-Aufführung den Jesus spielen durfte. „Ja, da war ich noch jung und zwanzig Kilo leichter“, lacht er nun mit einem Anflug von Stolz.

Bayern ist genussvoll und gemütlich wie hier in der Kamin-Lounge im Hotel Prinz-Luitpold-Bad. (Foto Katharina Büttel)

Nicht nur König und Handwerker, auch Menschen, die sich aufs „G‘schäftieren“ verstehen, haben dem Land ihren Stempel aufgedrückt. Da war der Prinz Luitpold, Onkel Ludwigs II. und späterer Prinzregent, der ins Allgäuer Revier Bad Hindelang zur Jagd kam und in der Schwefelquelle kneippte. Dem luchste 1888 einer der Zwischenbesitzer das Recht ab, sein Badehaus „Prinz Luitpold Schwefelmineralbad“ zu nennen. Das wirkte und ließ die Gäste bis zum heutigen Tage nur so „hersprudeln“. „Mit modernstem Ambiente allerdings kann unser Hotel nicht dienen, dafür mit Stil, guter Küche und einzigartigen Antiquitäten“, sagt Armin Gross, Juniorchef in 4. Generation.

Handgemachte „G’schichten“ in Riedering

Die Ur-Lederhose – modern interpretiert in Florian Weidllichs ‚Mamma Bavaria‘. (Foto Katharina Büttel)

A propos G‘schäftieren: Florian Weidlich im Gewerkehaus „Mamma Bavaria“ in Riedering bietet handgemachte „G’schichten“ an. Da gibt‘s hirschlederne Hosen mit dezenter Stickerei; modern interpretierte, edle Trachten; vor allem aber seine silbernen und goldenen Gipfelkreuze – als Halsschmuck für Männer. „Die Idee dazu kam mir auf einem Berggipfel. Gipfelkreuze symbolisieren die vier Himmelsrichtungen und die Mitte zwischen Himmel und Erde“, philosophiert er.

Der Allgäu glänzt mit malerischen Gipfeln. (Foto Katharina Büttel)

Die Reise zum Chiemsee, nach Ettal und ins Allgäu führt durch ein schönes, kraftvolles Stück Bayern, in dem alles zu finden ist, was zum Mythos beiträgt: Bodenständigkeit und Tradition, krachlederne Heimatliebe, Prunk und tiefe Frömmigkeit. Wie sagt es Florian, der Gipfelkreuzler: „Bayern ist für mich, wenn ich auf dem Berg sitze, das Wasser plätschert, der Wind bläst…“.

Die köstlichen Käsnudeln werden im Freistaat traditionell handgemacht. (Foto Katharina Büttel)

Weitere Informationen bei Bayern Tourismu unter www.bayern.by

Übernachten:‚Bayerischer Hof‘ in Prien, Telefon 08051-6030; www.bayerischerhof-prien.de

Stolz auf ihre Vorfahren – das Junghotelierpaar Arnim und Sabine Gross. (Foto Katharina Büttel)

Klosterhotel Ludwig der Bayer‘, 82488 Ettal, Telefon 08822-9150; www.ludwig-der-bayer.de

Hotel Prinz-Luitpold-Bad‘, 87541 Bad Hindelang, Telefon 08324-8900, www.luitpoldbad.de