Stromboli: Kein Tanz mehr auf dem Vulkan

Stromboli
Mit dem Boot geht es entspannt auf die Insel Stromboli. – Foto: Roswitha Bruder-Pasewald

Eine Insel, ein Vulkan: Für Urlauber gab es auf der italienischen Insel Stromboli kein größeres Vergnügen, als dem Vulkan aufs Dach zu steigen. Doch weil die Wanderung nicht ungefährlich ist, geht es jetzt nur noch zu einer Aussichtsplattform.

Der speiende Riese schläft nie. Sein wütendes Grollen, sein zorniges Grummeln begleitet die Wanderer auf Schritt und Tritt. Wenn sich die Dunkelheit über das Inselchen im Tyrrhenischen Meer senkt, beweist der Stromboli, dass er einer der aktivsten Feuerspeier der Welt ist. Das schwarze Ungetüm faucht und schnauft wie eine Dampfeisenbahn. Aus unzähligen Rissen und Spalten quillt ätzender Atem. Als wäre das nicht schon genug an göttlichem Feuereifer, spuckt der gurgelnde und prustende Wüterich einen Hagel rotglühender Lavabrocken aus, die die fast 1.000 Meter hohe steile Sciara del Fuoco hinunterkullern. Dort verglühen sie zischend und dampfend im Meer- so als wolle sich der Schoß von Mutter Erde von allem Überflüssigen entledigen.

Leuchtturm des Mittelmeers

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Die schwarzen Strände von Stromboli sind in den Sommermonaten vor allem bei Italienern beliebt. – Foto: Roswitha Bruder-Pasewald

„Der Stromboli ist wie eine Champagnerflasche, auf der obendrauf ein loser Korken liegt“, erklärt Bergführer Eduardo die Druckverhältnisse in den gewaltigen Magmakammern, die für Nachschub in den kleinen Schloten sorgen. Wie mit dem Lineal gezogen ragen die Umrisse des Vulkankegels aus dem azurblauen Meer; der größte Teil des Lavaspuckers liegt verborgen unter der Wasseroberfläche. Schon in der Antike war er als Leuchtturm des Mittelmeeres bekannt. Heute ist der tobende Bursche das reinste Experimentierfeld für Vulkanologen, die Theorien über Vorhersagen zur nächsten Eruption am lebenden Modell überprüfen. Der Stromboli, der fast die gesamte Insel einnimmt, ist verkabelt wie ein Patient auf der Intensivstation. Kein Zittern entgeht den Messgeräten, kein Beben und keine Erschütterung.

Doch die genauesten Vorhersagen ändern nichts an der Tatsache: Der Stromboli, wo schon Jules Verne seine fantastische „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ ein glückliches Ende finden ließ, ist ein ziemlich unsteter Geselle, der die paar Hundert Insulaner im gleichnamigen Hauptort und im Aussteigernest Ginostra regelmäßig in Angst und Schrecken versetzt. 2003 grummelte der Feuerspeier so heftig, dass zentnerschwere Gesteinsbrocken wie Bomben in Ginostra einschlugen und fast zehn Millionen Kubikmeter lockeres Geröll ins Meer rutschten. Die Flutwelle war noch im 60 Kilometer entfernten Sizilien zu spüren. Beim letzten Ausbruch, im Juli 2019, kam ein Wanderer aus Sizilien durch herausgeschleuderte Steine ums Leben; sein brasilianischer Begleiter wurde dehydriert und unter Schock stehend gerettet. „Es war, als wäre man in der Hölle, weil Feuerregen vom Himmel fiel“, schilderte ein Augenzeugen das Geschehen.

Verbotener Gipfelsturm

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Stromboli ist wunderbar wanderbar und besticht durch ein faszinierendes Landschaftsbild. – Foto: Roswitha Bruder-Pasewald

Seitdem ist der wohl spektakulärste Zeitvertreib auf Stromboli verboten: dem zuverlässig spuckenden Kegel aufs Dach zu steigen. Während sich die sonnenhungrigen Italiener lieber an den schwarzen Lavastränden aalen, wo man im Juni und August Spiegeleier braten könnte, schleppten sich sportliche Naturen – angeführt von einem Bergführer – zum 918 Meter hoch gelegenen Pizzo hinauf, um einen Blick ins glühende Herz von Mutter Erde zu werfen. Ein Spaziergang war die mehrstündige Tour über einen steilen Trampelpfad und glitschige Schlackefelder nie – zumal der Rückweg in stockdunkler Nacht eher einer Rutschpartie, denn einer Wanderung glich. Doch die Aussicht, das ohrenbetäubende nächtliche Feuerwerk direkt am Kraterrand zu erleben, lockte selbst Abenteuerlustige mit Höhenangst nach oben.

„Früher schliefen Rucksacktouristen sogar in der Nähe des Kraters“, erzählt Eduardo – ein ziemlicher Irrsinn, weil die Isomatte morgens mit kleinen Löchern übersäht war. Weil Strombolis Tourismus zu großen Teilen auf den Wüterich ausgerichtet ist, musste eine Alternative zur bisherigen Route her: Jetzt geht es per qualifizierten Guide nur noch bis auf 400 Meter Höhe, zur Aussichts-Plattform an der Sciara del Fuoco, der Feuerrutsche. Der Blick auf Lavafontänen aus dem Vorhof der Hölle, auf das rotglühende Spinnennetz auf dunklem Fels sowie auf feurigen Funkenflug gibt es dort völlig gefahrlos.

Filmischer Ruhm

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Noch heute ist Ingrid Bergmann auf Stromboli hoch verehrt. – Foto: Roswitha Bruder-Pasewald

Dass die zwölf Quadratkilometer große Vulkaninsel überhaupt in den Focus der Touristen gerückt ist, verdankt es einer schlagzeilenträchtigen Liaison, an die ein kleines Museum in einem recht unscheinbaren, roten Haus im Hauptort erinnert. Ende der 1940er Jahre war das kreisrunde Inselchen ein vergessener Flecken, seine Bewohner ärmer als jede Kirchenmaus. Nach den verheerenden Vulkanausbrüchen von 1930, die einen Großteil der landwirtschaftlich genutzten Terrassen zerstört hatten, mussten unzählige Insulaner nach Übersee, Sizilien oder die Nachbarinsel Lipari abwandern.

Doch dann kam Hollywood, schickte einen seiner größten Stars, der berührende Liebesgeschichten auf die Leinwand zu zaubern vermochte und die skandalträchtigste selbst inszenierte. Der melodramatische Schwarz-Weiß-Streifen namens „Stromboli“ war nicht gerade ein Kassenschlager. Doch die Liebesgeschichte zwischen Ingrid Bergmann und Regisseur Roberto Rossellini rauschte wie ein Tsunami durch die Boulevardblätter. Hier die schöne, blonde Schwedin, ein Star ohne Makel und mit scheinbar vorbildlichem Privatleben, dort der feurige Italiener, der kein Kostverächter war, was Frauen anging. Die beiden Hauptakteure waren verheiratet, nur nicht miteinander. Ihr Verhältnis war in den prüden 1950er Jahren ein ungeheurer Skandal. Als der gemeinsame Sohn Robertino geboren wurde, belagerten Paparazzi die Geburtsklinik.

Treff der Reichen und Schönen

Eine beeindruckende Laune der Natur sind die Fumerolen auf der Insel Vulcano. – Foto: Roswitha Bruder-Pasewald

Die sind längst aus Stromboli verschwunden, weil Italiens Schickeria eher auf der Nachbarinsel Panarea anzutreffen ist. Auf dem mondänen Eiland, der kleinsten und ältesten Vulkanformation des Archipels, legt der Jetset mit seinen millionenschweren Yachten an, streifen Tagestouristen durch die Überreste einer Siedlung aus der Bronzezeit. Auf den übrigen Schönheiten, die die Liparischen Inseln vor der Küster Siziliens formen, geht es deutlich bodenständiger zu. Lipari, das dicht besiedelte Herzstück des Archipels punktet mit typisch italienischer Lebensfreude, die allabendlich auf dem Corso Vittorio Emanuele zelebriert wird. Salina ist ein grünes Idyll, das ebenfalls schon als Filmkulisse diente. Alicudi und Filicudi sind die beiden Zwillinge im Westen, die so weltabgewandt sind, dass sich nur vereinzelt Touristen auf die Außenposten verirren.

Bliebe noch Vulcano, das drittgrößte und südlichste Eiland des Archipels, das in der römischen Mythologie als Schmiede des Feuergottes galt. Wer sich vom Geruch fauler Eier nicht abschrecken lässt und einen (Panorama-)Blick von den anderen Inseln und vom Ätna am Horizont ergattern möchte, der muss nach Vulcano. Spektakuläre Lavafontänen wie auf Stromboli gibt es auf dem Namensgeber aller Feuerberge zwar nicht, dafür jede Menge Fumerolen, aus denen heiße Gase strömen, sowie die Schlammbäder, die bei allen möglichen Zipperlein helfen sollen. Dass die Bewohner der Liparischen Inseln, die auch als Äolische Inseln bekannt sind, buchstäblich auf einem Vulkan sitzen, wurde ihnen im November vergangenen Jahres einmal mehr bewusst. Damals musste der Notstand über Vulcano verhängt werden. Die Hälfte der Einwohner wurde evakuiert, Touristen blieben ausgeschlossen. Die Gas-Konzentration in der Luft war so gefährlich angestiegen, dass einige Hauskatzen verendet waren.

Weitere Informationen in Kurzform

Überaus aussichtsreich: Der Blick vom Kraterrand auf Vulcano. – Foto: Roswitha Bruder-Pasewald

Allgemeine Informationen: Italienische Zentrale für Tourismus, Schaumainkai 87, 60596 Frankfurt am Main, www.enit.de

Anreise: Stromboli ist wie die anderen Liparischen Inseln nur per Boot zu erreichen, von mehreren Orten auf Sizilien. Auf die offiziellen Fahrpläne der Tragflügelboote und Autofähren, die beispielsweise ab Milazzo fahren, kann man sich nicht immer verlassen. Am einfachsten ist es, nach Catania zu fliegen, dort zu übernachten und am nächsten Tag mit dem Bus zum Hafen von Milazzo zu fahren. Die einfache Fahrt mit dem Tragflügelboot (Aliscafo), das bis nach Stromboli drei Stunden unterwegs ist, kostet 18 Euro pro Person. Billiger, aber auch langsamer geht es mit der Autofähre, die – wie auch das Tragflügelboot – noch einige andere Liparische Inseln ansteuert. Informationen unter www.usticalines.it und unter www.siremar.it.

Ungewöhnliches Vergnügen: Ein Schlammbad auf Vulcano. – Foto: Roswitha Bruder-Pasewald

Übernachten: Bed & Breakfast oder Vier-Sterne-Hotel? Stromboli hat Unterkünfte für jeden Geldbeutel. Während der italienischen Sommerferien ist allerdings das Preisniveau sehr hoch. Sehr viel günstiger sind die Monate Mai, Juni sowie September und Oktober.

Preisbeispiele: 15 Tage dauert die geführte Wanderreise „Vulkaninseln unter sizilianischer Sonne“ von Wikinger Reisen (Telefon (02331) 9046, www.wikinger-reisen.de). Die Tour führt nach Lipari, Vulcano, Salina, Stromboli, Panarea und Filicudi. Kosten: ab 1998 Euro pro Person. Im Preis inbegriffen sind der Flug, die Fährüberfahrten, Übernachtung mit Halbpension sowie die geführten Wanderungen.

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Stromboli besticht durch seine weißgetünchten Häuser. – Foto: Roswitha Bruder-Pasewald

Wer weniger Zeit hat: Die achttägige Wanderreise von Abenteuerwege (Telefon (0681) 41097680, www.abenteuerwege.de) führt nach Stromboli, Lipari, Salina und Vulcano sowie nach Taormina. Kosten: ab 995 Euro pro Person. Im Preis inbegriffen sind Übernachtung mit Frühstück sowie die geführten Wanderungen. Der Flug nach Catania sowie Fährkosten kommen noch dazu.