Schiffshebewunder am Canal du Centre

Mit 66,5 Kilometern mutet Belgiens Nordseeküste eher beschaulich an. Dennoch erfreut sich das Transitland im Dreieck zwischen Deutschland, Frankreich und den Niederlanden seit jeher einer großen Bedeutung für die Schifffahrt. Durchzogen wird das Land durch eine Reihe an bedeutenden europäischen Wasserwegen. Allen voran durch den Canal du Centre, der Lebensader der Provinz Hennegau. In Strépy-Thieu ragt direkt an dem mehr als 200 Jahre alten Kanal ein gigantischer Betonklotz gen Himmel. Wie ein gestrandetes Raumschiff wirkt das Schiffshebewerk unweit der Provinzhauptstadt Mons – und doch ist das monumentale Bauwerk der Stolz einer ganzen Region. Nach rund 20jähriger Bauzeit wurde das Millionenprojekt im Jahre 2002 fertig gestellt. Eine technische Meisterleistung, mit deren Hilfe Binnenschiffe auf der Fahrt durch die Wallonie nicht nur mehr als vier Stunden Zeit sparen, sondern auch binnen von knapp sieben Minuten einen Höhenunterschied von sage und schreibe 73 Metern überwinden können. Die beiden Tröge an den Seiten des so genannten Senkrecht-Doppel-Hebewerkes wiegen jeweils 8.000 Tonnen, sind 112 Meter lang, 12 Meter breit und acht Meter tief. Jeder Trog hängt an 144 Stahlseilen und kann Schiffe mit einem Volumen von bis zu 1.350 Tonnen heben.

Nur wenige Kilometer von dem größten Schiffshebewerk der Welt wartet der historische Seitenarm des Canal du Centre mit einem faszinierenden Kontrast auf. Mit dem Bau des Kanals zwischen 1882 und 1917 entstanden hier hydraulische Schiffsaufzüge, deren Eisenkonstruktion mit ihren vielen Stützen und Verstrebungen ein wenig an den Pariser Eiffelturm gemahnen.

Von der „Cantine des Italiens“, den ehemaligen Wohneinheiten italienischer Gastarbeiter in Houdeng-Goegnies, starten zweieinhalbstündige Bootstouren, in deren Verlauf zwei der historischen Schiffshebewerke passiert werden. Die Hydraulikvorrichtung der beiden hoch aufragenden Eisenkonstruktionen, die 1998 von der UNESCO in den Status des Weltkulturerbes erhoben wurden, ermöglicht den Schiffen jeweils einen Höhenunterschied von 17 Metern zu bewältigen. Dazu fahren die Ausflugsboote in Badenwannen ähnliche Tröge ein. Mit Hilfe des Gegengewichts, das allein durch den Zu- beziehungsweise Abfluss des Kanalwassers gesteuert wird, senken sich die Schiffe ganz langsam in die tief liegende Ebene, wo am Hebewerk 3 noch ein Blick in Maschinenraum gewährt wird.

Längst wird das Weltkulturerbe ausschließlich für touristische Zwecke in Anspruch genommen. Dies liegt auch darin begründet, dass die Traglast der historischen Schiffshebewerke mit maximal 300 Tonnen pro Trog um mehr als das vierfache geringer ist als im nahe gelegenen Strépy-Thieu.

Eine weitere technische Sehenswürdigkeit ist die „schiefe Ebene“ von Ronquière am Kanal von Charleroi nach Brüssel. Der Schiffverkehr wird an dieser Stelle, um einen Höhenunterschied von 68 Metern zu überwinden, in Trögen auf Schienen über die Strecke dieser schiefen Ebene fortgesetzt. Eine Art mobile Schleuse.

In Ronquière gibt es zudem eine Ausstellung über die Flussschifffahrt und das Leben der Binnenschiffer. Im  neuen Besucherzentrum mit gläsernen Fußgängerstegen und Panoramablick (unter anderem von der Turmspitze aus) bekommt man einen Eindruck von der technischen Funktionsweise der Anlage und das Ein- und Ausfahren der Schiffe. Der Besucher kann im Boot die schiefe Ebene passieren und einen Ausflug bis zur Schleuse von Ittre unternehmen.

Allgemeine Informationen: Belgien-Tourismus Wallonie-Brüssel, Cäcilienstraße 46, 50667 Köln, Telefon 0221-277590, info@belgien-tourismus.de, www.belgien-tourismus.de

Anreise: Das Hennegau (französisch: Hainut) liegt im westlichen Teil der Wallonie unweit der französischen Grenze und kann mit dem Auto über die Europastraße Lüttich – Paris (E42) bequem erreicht werden. Von Brüssel und Lüttich gibt es zudem Zugverbindungen nach Mons und Tournai. Die nächstgelegenen Flughäfen sind Charleroi sowie Lesquin (Frankreich).

Weiterführende Internetseiten: www.hainut.be (deutsch); www.visithainaut.be (deutsch); www.canal-du-centre.be (französisch)


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