Schiffshebewunder am Canal du Centre

Canal du Centre
Das Maschinenhaus am historischen Canal du Centre dient heute als Museum. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Mit einer Länge von gerade einmal 66,5 Kilometern mutet Belgiens Nordseeküste eher beschaulich an. Dennoch erfreut sich das Königsreich im Dreieck zwischen Deutschland, Frankreich und den Niederlanden seit jeher einer großen Bedeutung für die Schifffahrt. Durchzogen wird das Land von einer Reihe an bedeutenden europäischen Wasserwegen. Allen voran durch den Canal du Centre, der Lebensader der Provinz Hennegau. In Strépy-Thieu ragt direkt an dem mehr als 200 Jahre alten Kanal ein gigantischer Betonklotz gen Himmel. Wie ein gestrandetes Raumschiff wirkt das Schiffshebewerk unweit der Provinzhauptstadt Mons – und doch ist das monumentale Bauwerk der Stolz einer ganzen Region.

Canal du Centre
Strépy-Thieu galt lange als größtes Schiffshebewerk der Welt. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Nach rund 20-jähriger Bauzeit wurde das Millionenprojekt im Jahre 2002 fertig gestellt. Eine technische Meisterleistung, mit deren Hilfe Binnenschiffe auf der Fahrt durch die Wallonie nicht nur mehr als vier Stunden Zeit sparen, sondern auch binnen von knapp sieben Minuten einen Höhenunterschied von sage und schreibe 73 Metern überwinden können. Die beiden Tröge an den Seiten des so genannten Senkrecht-Doppel-Hebewerkes wiegen jeweils 8.000 Tonnen, sind 112 Meter lang, 12 Meter breit und acht Meter tief. Jeder Trog hängt an 144 Stahlseilen und kann Schiffe mit einem Volumen von bis zu 1.350 Tonnen heben.

Hebewerke als Weltkulturerbe

Die historischen Schiffshebewerke am Canal du Centre sind Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Nur wenige Kilometer von dem lange Zeit größten Schiffshebewerk der Welt wartet der historische Seitenarm des Canal du Centre mit einem faszinierenden Kontrast auf. Mit dem Bau des Kanals zwischen 1882 und 1917 entstanden hier zwei hydraulische Schiffsaufzüge, deren Eisenkonstruktion mit ihren vielen Stützen und Verstrebungen ein wenig an den Pariser Eiffelturm gemahnen.Die Hydraulikvorrichtung der beiden hoch aufragenden Eisenkonstruktionen, die 1998 von der UNESCO in den Status des Weltkulturerbes erhoben wurden, ermöglicht den Schiffen jeweils einen Höhenunterschied von 17 Metern zu bewältigen.

Der Faszination der gigantischen Stahlkonstrukte kann sich kaum jemand entziehen. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Längst wird das Weltkulturerbe ausschließlich für touristische Zwecke in Anspruch genommen. Dies liegt auch darin begründet, dass die Traglast der historischen Schiffshebewerke mit maximal 300 Tonnen pro Trog um mehr als das Vierfache geringer ist als im nahe gelegenen Strépy-Thieu. Entsprechend fahren nur noch Touristenboote in die Badenwannen ähnlichen Tröge ein. Mit Hilfe des Gegengewichts, das allein durch den Zu- beziehungsweise Abfluss des Kanalwassers gesteuert wird, senken sich die Schiffe ganz langsam in die tief liegende Ebene, wo am Hebewerk 3 noch ein Blick in Maschinenraum gewährt wird.

Schiefe Ebene für die Schifffahrt

In Ronquière werden die tonnenschwere Schiffe in Trögen über Schienen transportiert.

Eine weitere technische Sehenswürdigkeit ist die „schiefe Ebene“ von Ronquière am Kanal von Charleroi nach Brüssel. Der Schiffverkehr wird an dieser Stelle, um einen Höhenunterschied von 68 Metern zu überwinden, in Trögen auf Schienen über die Strecke dieser schiefen Ebene fortgesetzt. Eine Art mobile Schleuse. In Ronquière gibt es zudem eine Ausstellung über die Flussschifffahrt und das Leben der Binnenschiffer. Im  Besucherzentrum mit gläsernen Fußgängerstegen und Panoramablick (unter anderem von der Turmspitze aus) bekommt man einen Eindruck von der technischen Funktionsweise der Anlage und das Ein- und Ausfahren der Schiffe. Weitere Informationen unter  www.canalducentre.be und unter www.belgien-tourismus.de.

Canal du Centre
Blick auf den historischen (links) und den neuen Canal du Centre bei Strépy-Thieu. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Karsten-Thilo Raab

berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.