Savoir-vivre pur an Frankreichs Opalküste

Opalküste
Frankreichs Opalküste begeistert mit ungeahnter Vielfalt, charmanten Städtchen, der obligatorischen Meeresbrise sowie mit viel Kultur und Genuss. – Foto: Ulla Wolanewitz

Spontaner Kurzurlaub gefällig? Wie wäre es mit der Opalküste, der französischen Küstenlinie, die ihre Gäste mit ihrem irisierenden Blau und einem mystischen Grün zu verzaubern weiß? Das stetig wechselnde Farbenspiel begeisterte schon Anfang des 20. Jahrhunderts den Maler Edouard Lévêque, so dass er diesen 120 Kilometer langen Landstrich – von Dunkerque bis zur Mündung der Somme – mit dem Titel „Côte d’Opale“ adelte. Das Beste: Die Opalküste, ist auch – ohne Flieger – gut mit dem Auto oder der Bahn zu erreichen. Etwa fünf Stunden braucht es mit dem Zug ab Köln, bis die erste frische Seeluft inhaliert werden kann.

Die Comic-Kapitale Brüssel begrüßt Reisende mit einem Tim-und-Struppi-Wandgemälde. – Foto: Ulla Wolanewitz

Unterwegs beim Umstieg in Brüssel lauert eine amüsante Begegnung mit Tim und Struppi, die der Belgier Hergé hier aus dem Zug steigen ließ. Das großflächige Wandgemälde im Bahnhofsgebäude zieht einem die Mundwinkel hoch und amüsiert im Vorbeigehen. Gute Laune macht auch der Zwischenstopp im französischen Lille, der „Hauptstadt von Flandern“. Vor allem für Zeitgeister, die Kunst im öffentlichen Raum mögen, lohnt sich das Verweilen ganz besonders. Auf dem Vorplatz vom historischen Bahnhofsgebäude Lille-Flandres ist es die Frauenskulptur „Romy“, die die Reisenden aus aller Welt einlädt, sich bei ihr anzulehnen.

Kulturelles Flair in einstigen Kulturhauptstadt

Mit einem ungewöhnlichen Blickfang werden Passagiere am Bahnhof in Lille-Flandres begrüßt. - Foto: Ulla Wolanewitz
Mit einem ungewöhnlichen Blickfang werden Passagiere am Bahnhof in Lille-Flandres begrüßt. – Foto: Ulla Wolanewitz

Die Universitäts- und Handelsstadt Lille trumpfte vor allem Im Jahre 2004 als Kulturhauptstadt Europas. Seitdem gibt es alle drei Jahre ein Kulturfestival mit bis zu 800 Veranstaltungen. In diesem Sommer stand das Thema „Utopia“ im Fokus. Keine Mars-, sondern sympathische Moosmenschen, auf einem erhabenen Sockel drapiert, gibt es hier noch bis Oktober auf dem Weg in die Altstadt zu sehen. Mit diesen Märchenfiguren aus einer imaginären Welt setzt der finnische Künstler Kim Simonsson einen wunderbaren Kontrast in diese geschichtsträchtige Kulisse durch die das Flanieren eine große Freude ist. Von hier aus sind es noch etwa 110 Kilometer bis an die Opalküste.

Moosmenschen bereichern derzeit die Straßenszenerie in der einstigen Kulturhauptstadt Lille. – Foto: Ulla Wolanewitz

Achtung: Fauchend, Wasser und Rauch speiend kommt er daher, wenn er erstmal frei gelassen ist – der Koloss von Calais. Seit 2019 bewegt sich der 72 Tonnen schwere Drache im Tempo von vier Stundenkilometer über die Strandpromenade. Das Urvieh stammt aus der Werkstatt der Künstlergruppe „La Machine“. Seine „Gepettos“, François Delarozière und Pierre Orefice, haben schon dem überdimensionalen Elefanten in Nantes und der gigantischen Spinne in Liverpool mobiles Leben eingehaucht.

Calais erfindet sich neu

Opalküste
An der Opalküste sind scheinbar die Urzeitviecher zurück. – Foto: Ulla Wolanewitz

Calais möchte das Image des Migrantendschungels schon lange loswerden. Daher investierten Stadt, Region und Staat 46 Millionen Euro in die Neugestaltung dieser Strandpromenade. Im Stadtbild wird es in naher Zukunft zehn weitere bewegliche Landwirbel- und Schuppenkriechtiere zu entdecken geben. „Calaisfornia“ arbeitet verstärkt daran, zur fantasievollsten Hafenstadt Frankreichs zu avancieren und lässt sich den beweglichen Tierpark weitere 27 Millionen Euro kosten.

Der Faszination des rollenden Drachens kann sich in Calais wohl niemand entziehen. – Foto: Ulla Wolanewitz

Nein, einen Namen trägt der mächtige, 3,2 Millionen Euro schwere Drache, der 600 Quadratmeter kunstvoll geschnitztes und bemaltes Holz auf sich vereint, noch nicht. Schwindelfrei sollte er jedoch schon sein, der hauptberufliche Kapitän, der auf dem erhobenen Haupt des Drachens von 25 Metern Länge thront und ihm via Joystick sozusagen Beine macht. Die Drachenfreunde erreichen die Besucherplattform auf 15 Metern über den Schwanz und können hier die wunderbare Aussicht auf den Ärmelkanal – mit Dover „gegenover“ – genießen.

An- und aussichtsreich

Der gigantische Drache wird mit einem Joystick gesteuert. – Foto: Ulla Wolanewitz

Apropos schöne Aussicht. Ab zum Cap. Die weiße Nase, das „Cap Blanc Nez“, etwa 15 Kilometer südwestlich von Calais entfernt, ist eine Landspitze an Frankreichs Ärmelkanalküste. Zusammen mit der grauen Nase, dem „Cap Gris Nez“, bildet es die Gegend der zwei Kaps. Die Hafenstadt Boulogne-sur-Mer schließt dieses Naturreservat „Site de deux Caps“ mit zahlreichen attraktiven Wander- und Radwegen im Süden ab.

Die Opalküste vereint Genuss und frische Meeresbrise. – Foto: Ulla Wolanewitz

Beim Flanieren durch die Altstadt von Boulogne-sur-mer, dem größten Fischereihafen Frankreichs, ist es auch hier die Kunst, sind es Wandgemälde, die die Aufmerksamkeit des Betrachtenden auf sich ziehen. Die kleinen Sträßchen mit ihren vielen Stufen eignen sich bestens zur Erprobung der eigenen Fitness. Es heißt, in den kleinen Häusern in Hafennähe, die in den Felsen geschlagen wurden, wohnten teilweise bis zu 19 Personen. Heute bieten ihre Wandfassaden Künstlern die schönsten Gestaltungsflächen wie „Madame Matilote“, die Frau des Seemanns, mit ihrem traditionellen Spitzenhut gerne unter Beweis stellt. Im Rahmen des Festivals „Parcours d’Art urban – Street Art“ entstanden in der Stadt in den letzten Jahren 54 großformatige Kunstwerke an Privathäusern.

Europas größtes Meeresaquarium

Fangfrischer Fisch steht in der Küstenregion traditionell ganz oben auf der Speisekarte. – Foto: Ulla Wolanewitz

Nicht zu übersehen ist, dass am weitläufigen Hafengebäude heftig der Zahn der Zeit nagt. Nach der Eröffnung des Tunnels von Frankreich nach England, reduzierten sich die Schiffsverbindungen drastisch und dieser „Fährbahnhof“ hatte damit seine Schuldigkeit getan. Geplant ist es, den oberen Teil des Gebäudes in eine Promenade mit einem attraktiven Aussichtspunkt zu verwandeln. Daneben soll eine Veranstaltungs- und Kongresshalle entstehen.

Tierische Begegnungen sind in Europas größtem Meeresaquarium an der Tagesordnung. – Foto: Ulla Wolanewitz

In unmittelbare Nachbarschaft befindet sich das Reich für 1.600 verschiedenen Tierarten. „Nausicaá“ ist das größte Meeresaquarium Europas, das sich dem Erhalt der Ozeane verschrieben hat. Hier leben in fünf Millionen Litern Meereswasser mit Mantarochen, den größten Rochen der Welt, der bis zu acht Meter groß und 1,8 Tonnen schwer werden kann, auch Hammerhaie, Muränen und Laternenfische, eine symbolträchtige Spezies der kolumbianischen Malpelo-Inseln.

Stippvisite von Victor Hugo

Zahlreiche überdimensionale Wandbilder garantieren Kunstgenuss im Vorbeigehen. – Foto: Ulla Wolanewitz

Die Besucher bewegen sich bei ihrer Meeres-Exkursion rund um das Becken, das acht Meter hoch, 60 Meter lang und 30 Meter breit ist. Es dauerte sechs Wochen, um dieses Aquarium mit der notwendigen Wassermenge zu befüllen. Die Scheibe für den „Showroom“, aus Rom hierher transportiert, misst 20 Meter mal fünf Meter bei einer beachtlichen Stärke von 38 Zentimetern und wiegt 45 Tonnen.

Charmante Straßen und Gässchen laden entlang der Opalküste zum Flanieren ein. – Foto: Ulla Wolanewitz

Zum Abtauchen in das malerische, mittelalterliche Ambiente der Region empfiehlt sich ein Abstecher ins Hinterland. Montreuil-sur-mer galt einst als strategischer Hafen, um gut nach Paris zu gelangen. „Ruelle“ heißen die kleinen pittoresken Gässchen, die im 14. Jahrhundert entstanden und heute gerne und häufig als Filmkulisse genutzt werden. Nicht zuletzt war es Victor Hugo, der diesem Ort zu einer gewissen Berühmtheit verhalf. Der Schriftsteller war nur wenige Stunden hier zu Gast.

Gigantisches Straßenschaupsiel

In Le Touquet finden sich zahlreiche prachtvolle Villen – darunter ein Domizil von Frankreichs Präsident Macron. – Foto: Ulla Wolanewitz

Dieser Eindruck reichte ihm jedoch aus, um den Hauptteil seines Romans „Les Misérables – Die Elenden“, der von sozialen Unruhen in der Zeit der französischen Revolution und zwei Männern auf der Suche nach Glück und Erlösung erzählt, hier anzusiedeln. Jedes Jahr verwandelt sich der Ort in der letzten Juli- und ersten Augustwoche in eine große Open-Air Bühne, auf der bis zu 400 Schauspieler dieses Spektakel, für 2.500 Besucher täglich, inszenieren. Auch gilt der Zwei-Sterne-Koch Alexandre Gauthier als Botschafter der Region. Vor allem sein Restaurant „Anecdote“ im rustikalen „industrial style“ im ehemaligen Hospital der Augustinerinnen, ist nicht nur wegen seiner Menükarte interessant.

Opalküste
Auch in der kälteren Jahreszeit lassen sich entspannte Stunden an den Stränden der Opalküste verbringen. – Foto: Ulla Wolanewitz

Zurück an die Opalküste: Le Touquet schmückt sich gerne mit dem Namen „Paris-Plage“. Denkmalgeschützte Villen und Architektur im Zuckerbäckerstil sowie Porsche, Mustang, Maserati und Tessla auf den Straßen machen schnell deutlich, dass hier weniger „Les Misérables“ als „Le Beau et le riche“ unterwegs sind. Warum die Villa Monéjan von Polizisten bewacht wird? Weil der französische Präsident Macron hier gelegentlich mit seiner Frau residiert.

Die weitläufigen Strände laden im Herbst dazu ein, Drachen steigen zu lassen. – Foto: Ulla Wolanewitz

Wo sich der Strand schon in der Ortsmarke widerspiegelt, fordert er selbstverständlich auch einen Besuch ein. Besonders am Abend empfiehlt sich die Einkehr in eine Strandbar. Wenn dann irgendwann die Farben des Sonnenuntergangs wunderbar mit denen im Aperitif harmonieren, ist das Savoir-vivre pur. Weitere Informationen unter www.nordfrankreich-erleben.com oder unter www.atout-france.fr.

Ein im wahrsten Sinne des Wortes ausgezeichneter Genusstempel: Das Anecdote. – Foto: Ulla Wolanewitz

Essen & Trinken: Zwei-Sterne-Küche von Alexandre Gauthier im Restaurant „Anecdote“ in Montreuil-sur mer

Übernachtungstipps:La Matelote“ in Boulogne-sur-mer und „Les Hauts Montreuil“ in Montreuil-sur-mer