
Sanfte Hügel, soweit das Auge reicht. Anhöhen, an deren Flanken sich Dörfer mit weithin sichtbaren Türmen schmiegen. Langhe-Roero und Monferrato, Weinbaugebiete in der norditalienischen Region Piemont, sind malerische Landschaften, in denen Weinkultur seit Jahrhunderten zuhause ist. Für Genuss-Reisende gibt es jetzt noch mehr zu entdecken.
Wer die Regionalhauptstadt Turin in südöstlicher Richtung verlässt, erreicht nach etwa einer Autostunde die Langhe. Im Herzen dieses Landstrichs in Italien liegt das Dorf, das einem großen Wein den Namen gab – Barolo. Der charaktervolle Rote aus der Nebbiolo-Rebe wird in der internationalen Spitzengastronomie hochgeschätzt. In seiner Heimat nennt man ihn „den König der Weine“. Wo es einen König gibt, darf ein Schloss natürlich nicht fehlen. Im Zentrum von Barolo trotzt Castello Falletti dem Zahn der Zeit.

Heute beherbergt es ein Wein-Museum. Auf spannende Weise wird dort Wein-Kulturgeschichte präsentiert – von den Bestattungsritualen im alten Ägypten über die Bankette im antiken Griechenland bis zum Siegeszug des Weins in Mitteleuropa, der dem Einfluss der Römer zu verdanken ist, reichen die Stationen der musealen Zeitreise. In der Schloss-Önothek stellen rund 200 lokale Produzenten ihre Weine vor. Denn nicht nur in Barolo, auch in den reizvollen Orten La Morra, Novello, Monforte d’Alba, Serralunga d’Alba und Diano d’Alba wird Barolo produziert. In La Morra, Novello und Diano d’Alba laden kommunale Weinkeller zum Probieren ein.
Ein Erbe, von dem es zu erzählen lohnt
Barolo ist eine von 20 Gemeinden in den Weinbaulandschaften des Piemont, die sich zusammengeschlossen haben, um Genuss- und Kulturtouristen eine Fülle attraktiver Angebote zu machen. Burgen, Weinkeller und andere historischen Bauwerke öffnen nun regelmäßig. Das gemeinsame Projekt trägt den Namen „un patrimonio da raccontare“ (ein Erbe, von dem es zu erzählen lohnt).

Nur ein paar Autominuten von Barolo entfernt wartet mit Castello Grinzane Cavour das nächste Highlight. Im Inneren laden das Museo delle Langhe und die erste Önothek der Region Piemonte ein, das Wissen über das flüssige Kulturgut zu intensivieren. Castello Grinzane ist auch Sitz der „Cavalieri del Vino e dei Tartufi“ (Ritter des Weins und der Trüffel) und hier findet alljährlich im Herbst die „Asta Mondiale del Tartufo Bianco d’Alba“ (Internationale Trüffel-Versteigerung) statt.
Noch mehr „Piemont“ im Glas
Barbaresco DOCG ist ein weiteres Aushängeschild piemontesischer Weinkultur. Auch dieser große Rotwein trägt den Namen einer kleinen Ortschaft. Als mittelalterliche Siedlung in strategisch günstiger Lage über dem Fluss Tanaro hat sich das charmante Barbaresco einst entwickelt. An die Zeit, als hier um Landbesitz und Hoheitsrechte gekämpft wurde, erinnert der 36 Meter hohe Turm. Er kannbesichtigt werden und bietet weiten Blick ins Land. Um Barbaresco herum produzieren mehr als 80 Weingüter den Wein, der ebenso wie der Barolo ausschließlich aus Nebbiolo-Trauben produziert wird und der Kenner in aller Welt begeistert. Auf einer Entdeckertour sollte auch ein Stopp in Neive nicht fehlen. Das Dorf besticht mit einem mittelalterlichen Ortskern, dem Uhrenturm und sehenswerten Kirchen.

Nizza Monferrato, Castelnuovo Calcea, Vaglio Serra, Agliano Terme sind Orte im Anbaugebiet des Barbera. Noch so ein „B“, das aus der piemontesischen Weinlandschaft nicht wegzudenken ist. Schriftliche Überlieferungen bezeugen, dass diese rote Rebsorte mindestens seit dem 13. Jahrhundert im Piemonte beheimatet ist. Die Enoteca Regionale in Nizza Monferrato macht Interessierte auch mit dem Nizza DOCG bekannt. Unter diesem Namen firmiert ein reinsortiger, besonders eleganter Rotwein aus Barbera-Trauben, der die mikroklimatischen Besonderheiten und den Charakter des Terroirs vollendet zur Geltung bringt.
Unterirdische Kathedralen und Edelschaumwein
Canelli in der italienischen Provinz Asti ist für seine „unterirdischen Kathedralen“ bekannt. Um echte Kirchen handelt es sich dabei keineswegs. Den weichen Stein des Monferrato, aus Ablagerungen eines urzeitlichen Meeres entstanden, haben die Menschen Jahrhunderte lang zum Bauen verwendet. Dadurch sind im Laufe der Zeit unterirdische Hohlräume entstanden, die an Kirchenschiffe erinnern – und die sich hervorragend als Weinkeller eignen. Sommers wie winters herrscht hier eine konstante Temperatur von etwa 14 Grad. Ideale Bedingungen, um auch doppelt auf Hefe vergorene Edelschaumweine zur Vollendung reifen zu lassen. An Gelegenheiten, den einen oder anderen „Spumante metodo classico“ zu probieren, mangelt es nicht. Cantina Bosca, Cantina Coppo, Cantina Gancia und Cantina Contratto bieten Führungen durch ihre „unterirdischen Kathedralen“ und Degustationen an.
Wein aus der Hölle

Auch die „Infernot“ gehören zu den Besonderheit der Wein- und Baukultur des italienischen Monferrato. Weil der steinige Boden vergleichsweise weich ist, haben Menschen einst unter ihren Häusern Vorratskammern in den Untergrund gehöhlt. Dabei haben sie nicht nur den Raum, sondern auch das Interieur – Tische und Regale – direkt in den Stein modelliert. Wegen der notwendigen Schufterei werden diese Kellerkammern „Infernot“ genannt – was mit „Hölle“ zu übersetzen ist. War so eine „Hölle“ erst einmal fertiggestellt, profitierten Generationen davon. Wein kann hier Jahrzehnte lang lagern, ohne an Qualität einzubüßen. Bis heute gilt das Motto „zur Geburt eingekellert, zur Hochzeit entkorkt“. In Frassinello Monferrato, Vignale Monferrato und Rosignano Monferrato bietet sich reichlich Gelegenheit, selbst einmal in so eine Hölle hinabzusteigen.

Der Buchtipp nicht nur für Wein-Liebhaber
Realität ist der Zustand, der aus Mangel an Alkohol entsteht, lehrt eine irische Trinkweisheit. Frei übersetzt bedeutet dies wohl, dass das Leben – nüchtern betrachtet – nur besoffen zu ertragen sei. Aber wir wollen die Vorliebe zum Alkohol nicht bewerten. Das muss ein jeder mit sich und seiner Leber alleine ausmachen.
Gleichwohl kommt es immer wieder vor, dass der eine oder andere mal einen über den Durst trinkt. Dies bleibt zumeist ohne Folgen. Sieht man einmal von der Tatsache ab, dass sich so mancher in solchen Fällen den zuvor konsumierten Alkohol noch einmal durch den Kopf gehen lässt und dass das Bett mit einem Karussell zu fahren scheint.
Die Trinkgewohnheiten und -vorlieben vieler Zeitgenossen flossen dann auch in die augenzwinkernde Hommage an alle, die durchaus dem Alkohol nicht völlig abgeschworen haben, ein. So oder so dürfte bei den Geschichten rund um Bier, Wein, Champagner und andere hochgeistige Getränke, die Mortimer-Reisemagazin-Redakteur Karsten-Thilo Raab in seinem neuen Buch unter dem Titel Ich trinke, dann kannst du fahren zusammengetragen hat, kein Auge trocken bleiben.
So erfährt nicht nur der trinkfreudige Leser wie lange die Menschen rund um den Erdball für ein Glas Bier arbeiten müssen, wie viel Bier in den Schnäuzer dieser Welt hängen bleibt und wieso Wein sowohl die Intelligenz fördern können soll als auch vor intensiver Sonneneinstrahlung schützt. Daneben geht es beispielsweise um Kuriositäten wie Bier aus Käse oder Bier für Hunde oder um die Frage, warum auf Kreuzfahrten der Alkoholkonsum deutlich ansteigt.
Erhältlich ist Ich trinke, dann kannst du fahren (ISBN 978-3-7115-2765-3) von Karsten-Thilo Raab ab für 18 Euro sofort im Buchhandel.

Mortimer
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