
An der Costa Smeralda im Nordosten von Sardinien liegt die Villa des im Februar verstorbenen Karim Aga Khan. Anfang der 1960er Jahre entdeckte der Brite das noch unberührte Fleckchen Erde mit seinen traumhaften Buchten, den schneeweißen Stränden und dem türkisfarbenen Wasser. Der von seinen Anhängern auch „Halbgott der Ismaeliten“ genannte Khan war mit Freunden auf einem Segelboot unterwegs. Die Bilderbuchlandschaft der Costa Smeralda sah er vom Meer aus. Die Küste war damals fast menschenleer, weil die Sarden als Hirten und Bauern im Binnenland der Insel lebten. Der reiche Prinz, dem der Titel „seine Hoheit“ im Jahr 1957 von Königin Elizabeth II. verliehen wurde, erwarb rund 30 Quadratkilometer Land mit 55 Kilometern Küste und erschuf die „Costa Smeralda“ als geschützte Marke.
Nachhaltigkeit par excellence

Sein Ziel war es, Tourismus aus einem Guss zu planen und zugleich die Schönheit der Landschaft zu erhalten. Das ist ihm gelungen. Noch heute wird das Prinzip der Nachhaltigkeit hier par excellence gefeiert: Obwohl die Hotels und Grundstücke des Aga Khans inzwischen längst verkauft wurden, traut sich niemand, die Küste rücksichtslos zu kommerzialisieren. Bis in die Gegenwart hinein dürfen alle Bauten die Hügel der Gegend nicht überragen. Neue Anlagen nahe dem Meer sind verboten. Schutz bietet vor allem die eingetragene Marke „Consorzio Costa Smeralda“, der sich jeder Investor zu beugen hat. Ein unkontrollierter Bauboom ist somit bis heute ausgeschlossen.
Kunstsammler aus vielen Ländern

Mit dem Vater von Davide Solinas begann im Jahr 1928 die Schmiede-Kunst im Dörfchen San Pantaleo im Hinterland der Smaragdküste. Schon als Kind arbeitete der Vater in der heimischen Werkstatt mit. Später sollte der unbekannte Dorfschmied zum Vorbild einer ganzen Generation werden. Aga Khan besuchte in den 1960er Jahren das Dorf und die Schmiede. Von Solinas Objekten war er begeistert. Fortan zierten die Stücke nicht nur die Villa des Ismaeliten-Halbgottes, sondern auch die Anwesen seiner reichen und berühmten Freunde. Die Formationen von „Onkel Bastiano“, wie man den Vater liebevoll im Dorf nannte, und Sohn Davide zieren auch heute noch die exklusiven Hotels, wie die Luxus-Herberge Cala di Volpe. Hier wurde 1977 der James Bond-Film „Der Spion, der mich liebte“ gedreht.
Unverwechselbarer Stil

Den 62-jährigen Davide trifft man täglich in seiner Werkstatt Lu Fraili an. Den Beruf des Schmiedes hat er von Vater Bastiano übernommen. Jährlich kommen Kunstsammler aus vielen Ländern, um seine neuen Kreationen zu bewundern und zu kaufen. Weiterhin gehören dabei auch die Nachfahren des Aga Khan zu den treuesten Kunden. Genau wie seinem Vater faszinierte Solinas das Schmiedehandwerk von Kindheit an. Statt in eine Kunsthochschule zu gehen, blieb er zuhause, um in der Familien-Werkstatt zu lernen und zu arbeiten. Er war es, der bunte Farben integrierte und den unverwechselbaren Stil der Solinas-Objekte schaffte. Über seinen Vater lernte er schließlich Aga Khan sowie dessen Freunde und Wegbegleiter kennen.
Religion und Spiritualität

„Mein Vater hat mir meine künstlerische Freiheit immer gelassen“, sagt Davide Solinas heute. Kunsthandwerk bedeute für ihn auch, an die Zukunft zu denken und sich auf sie einzulassen. „Ich arbeite aber immer noch wie im Mittelalter, mache alles mit der Hand.“ Vor dem Modernen laufe er eher weg, um das Alte zu bewahren.

Das Dorf San Pantaleo ist dem Heiligen Pantaleon geweiht, einem frühchristlichen Märtyrer, der zugleich Patron der Ärzte und Hebammen ist. Davide Solinas wurde christlich erzogen. Vor ein paar Jahren fand er den Sinn seines Lebens in der Spiritualität. Seitdem gehe er nicht mehr in die Kirche, besuche auch keine Gottesdienste mehr, denn der Heilige Geist sei überall, in jeder Form des Lebens. „Die Energie, die Christus umgibt, kommt aus der Natur“, sagt Solinas, der fest an die Wiedergeburt glaubt.
Meditation als Kreativitätsquelle

Ihm bedeute Einsamkeit sehr viel. Hier spüre er die Energie der Erde. „Ich meditiere für meine Kreativität und habe eine enge Verbindung zu meiner Umwelt. „Es gibt eine Welt in meiner Seele, die ein Produkt der mich umgebenden Natur ist“, betont der ehemalige Trekkingführer. „Meist kommen meine künstlerischen Ideen in der Nacht. Als Ausdruck dieses Gefühls!“

Bäume und Wurzeln sind zentrale Bestandteile seiner Kunst. „Einmal habe ich beim Aufstieg in die Berge ein Wacholdergewächs gesehen. Seine Wurzeln steckten tief in den kargen Felsen.“ In Solinas entstand der Wunsch, die Stärke des kleinen Baumes in Objekten auszudrücken. Und fortan gehörten Wurzeln zum zentralen Bestandteil seines Schaffens. Seine Lieblingsfarben sind türkis und blau. Er deutet über die Berge in Richtung Meer, das in den schimmernden Tönen von Smaragden leuchtet.
Wissenswertes in Kurzform

Anreise: Fährüberfahrt von verschiedenen italienischen Häfen mit Moby Lines. Vorteil: Mitnahme des eigenen Autos.
Lage: San Pantaleo und die Costa Smeralda liegen nur 30 bis 45 Fahrt-Minuten von Olbia entfernt.

Tipp: Markttag finden in San Pantaleo donnerstags vormittags zwischen dem 1. Mai und 15. Oktober statt.
Übernachten: Felix-Hotel in Olbia; Hotel Parco degli Ulivi in Arzachena (Costa Smeralda), Ferienappartements in Cannigione

Die Recherche fand auf Einladung / mit Unterstützung von Moby Lines statt.

Sabine Ludwig
ist deutsche Journalistin und Reiseautorin. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht und war als Kriegsberichterstatterin in Afghanistan, Südsudan, Irak und Mali. In ihrer Freizeit widmet sie sich neben diversen Sportarten ihrem Blog sl4lifestyle.com und ihrem Hund Brad. - Foto: Nicola Mesken