29 Kilometer Länge und 14 Kilometer Breite – das klingt übersichtlich. Zumal das Inselreich in großen Teilen durch eine knapp 50 Kilometer lange Ringstraße erschlossen wird. Eine Rundstrecke, die in Teilen wie eine Ameisenstraße anmutet. Unzählige Motorroller bestimmen das Straßenbild auf Thailands beliebter Ferieninsel Koh Samui.
Dabei sorgt die nicht enden wollende Zweirad-Lawine immer wieder für Kopfschütteln und Gelächter. Denn nicht selten kreuzen Roller mit drei, vier oder noch mehr Leuten darauf auf. Andere sind zum motorisierten Lastenesel umfunktioniert. Mit fast schon künstlerischem Geschick werden am Sitz und Gepäckträger ganze Schränke, Tisch oder Fernseher befestigt, andere transportieren ein paar Dutzend Hühner gleichzeitig – lebende in Käfigen, tote an Stangen.
„Ach, Du fährst sonst nur Auto? Kein Problem. Roller fahren ist wie Fahrrad fahren – nur schneller und mit Blinker“, flachst Weerayoot. So ein Motorroller habe auch nur zwei Räder und man müsse nicht strampeln, ergänzt der emsige Verkäufer, verbunden mit der Hoffnung, mich als Kunde gewinnen zu können.
Zugegeben, der Preis von umgerechnet knapp 6,50 Euro für einen Tag mutet wie ein Superschnäppchen an. Zumal eine Rollertour auf Koh Samui nach Abenteuer klingt. Vor allem nach Straßenabenteuer im Linksverkehr. Denn auf dem holperigen Asphalt herrscht offenbar chronisch ein Stück weit Anarchie.
Weerayoot hat ein feines Gespür für die Situation. Scheint Skepsis und Angst förmlich zu riechen. Entsprechend hat er noch schnell ein paar Tipps parat: „Wenn vor dir jemand unvermittelt bremst oder einfach aus einer Parklücke zieht, fahr entspannt weiter. Dies gilt auch, wenn jemand auf dich zuzukommen scheint.“
Empfehlungen, die nicht gerade dazu angetan sind, einfach mal Gas zu geben. Im Gegenteil, schon kommen wieder größere Zweifel auf. Wäre eine Inselrundfahrt mit dem Taxi oder im Bus nicht doch die bessere Alternative? Oder ist es wirklich so babyeinfach in dem nicht abreißen wollenden Verkehrsstrom einfach mit zu schwimmen?
„Ach ja, noch was“, unterbricht Weerayoot die Gedankenspiele: „egal, was passiert, thailändische Auto- und Rollerfahrer schimpfen und fluchen eigentlich nie – entsprechend haben sie auch kein Verständnis, wenn es Ausländer dies tun.“
Was logisch klingt, gelten die Thailänder doch als extrem höflich und zurückhaltend, auch wenn Letzteres auf den Straßen nicht unbedingt zu spüren ist. Glücklicherweise ist Koh Samui nicht Bangkok. Zwar gibt es Abschnitte, in denen sich der Verkehr etwas drubbelt, aber dann wiederum gibt es Strecken, auf denen man fast alleine unterwegs zu sein scheint. Und wo gibt es sonst schon einen Tag Nervenkribbeln für nur 250 Baht?
Also, Helm auf – auch wenn sonst niemand auf der Insel trotz gesetzlicher Vorschrift einen zu tragen scheint – Anlasser tätigen, Bremse lösen und los geht’s.
Schnell wird klar: Slalomfahren und Gleichgewicht halten, sind die Grunddisziplinen, die ein Rollerfahrer auf Koh Samui beherrschen muss. Nerven wie Drahtseile gehören ebenfalls mit dazu. Und ein gutes Auge, um zu sehen, ob man zwischen den Autos und anderen Rollern noch irgendwie hindurch passt.
Von Bophut aus rolle ich erst einmal zur im wahrsten Sinne des Wortes größten Attraktion der Insel. Zwölf Meter ist ihr Gardemaß. Von oben hatte ich den Koloss bereits beim Landeanflug gesehen, doch aus der Nähe ist der Big Buddha am 1972 erbauten Wat Phra Yai Tempel ungleich beeindruckender. Nur einen Steinwurf entfernt findet sich mit dem Wat Plai Leam eine weitere, faszinierende Tempelanlage mit kunstvollen Statuen.
Schon geht es auf dem knatternden Zweitakter weiter nach Chaweng, dem touristischen Herzstück von Thailands drittgrößter Insel. Sechs Kilometer Strand scheinen hier die Massen magnetisch anzuziehen. An der Beach Road drängen sich Souvenir- und Juwelier-Geschäfte neben Bars, Restaurants und Cafés. Kitsch und Kunst werden hier gleich tonnenweise neben (vermeintlichen) Markenklamotten und preiswerten T-Shirts feilgeboten.
Auch entlang der Hauptverkehrsachsen von Chaweng herrscht eine Art Straßendarwinismus: wer zögert, verliert. Oder anders ausgedrückt, frech kommt weiter. Da wird der höfliche Thai schon mal zum Lückenspringer.
Ein Zickzackkurs, der vom gemeinen Europäer höchste Aufmerksamkeit verlangt. Zumal Richtungswechsel in der Regel nicht angezeigt werden. Blinker sind kaum mehr als ein hübsches Accessoire. Ein Stück Rollerdekoration, das gleichzeitig signalisiert, wie breit das Gefährt ist.
Vorbei an kleinen Sandstränden und verträumten Buchten mit türkisblauem Wasser geht es weiter südlich Richtung Lamai, das sich rühmen kann, über den zweitgrößten Strand von Koh Samui zu verfügen. Zahllose Hotels und eine Reihe von Strandbungalows finden sich hier neben Bars und Restaurants entlang der vier Kilometer langen Bademeile wie an einer Perlenschnur aufgezogen. Hier wird auch die Bandbreite an Unterkünften – wie sie typisch für Koh Samui ist – vom Luxushotel bis hin zur Billigabsteige für umgerechnet zwei, drei Euro die Nacht deutlich.
In der Ortsmitte fliegen immer samstags abends die Fäuste (und Füße) beim Muay Thai Boxen – und dies bei freiem Eintritt. Die sportliche Prügelei ist nicht unbedingt etwas für Zartbeseidete. Die flüchten sich lieber in einer der rund um den Ring gruppierten Bars, um sich ein kühles Bierchen oder einen Cocktail schmecken zu lassen.
Etwas südlich von Lamai Beach finden sich die Großmutter- und Großvater-Felsen, Hin Ta und Hin-Yai. Eine Laune der Natur, die optisch an einen Penis und eine Vagina gemahnen und nicht nur täglich tausendfach mit der Kamera auf den Digitalchip gebannt werden, sondern auch zu zotigen Witzen einladen.
Wie ein Witz mutet auch die besondere Form des Tankens auf Koh Samui an. Viele kleine Geschäfte, aber auch Bauern bietet vor ihren Häuser literweise Benzin an. Dieses ist in Plastik- oder Glasflaschen gefüllt, die einfach schnell umgestülpt und im Tank des Rollers entleert werden können. Ob da mal ein paar Tröpfchen daneben gehen, kümmert hier niemanden.
Auch um den Nachwuchs kümmert sich zumindest in Sachen Verkehrserziehung niemand. Fast scheint es, als ob die kleinen Thais, sobald sie auf eigenen Füßen stehen können, mit dem Roller Gas geben. Da sind Dreikäsehochs am Lenkrad, die ganz sicher ihren eigenen Namen noch nicht schreiben können, geschweige denn irgendwelche Verkehrsregel kennen.
Während die Ringstraße für ein Stück landeinwärts schwenkt, wartet auf dem Weg Richtung Nathon mit dem Wat Khunaram eine weitere Besonderheit: in dem Tempel findet sich hinter Glas die mumifizierte Leiche eines Mönchs. Luong Por Daeng verstarb 1973 im Alter von 79 Jahren während der Meditation im Lotussitz und wurde in dieser Haltung konserviert.
Wie eingefroren wirkt auch ein glatzköpfiger Mönch in orangefarbener Kutte, der vor dem Tempel neben seinem Motorrad kauert. Wohl wissend, dass er so als Fotomotiv kaum minder begehrt ist als sein verstorbener Glaubensbruder.
Mit Vollgas geht es nun zu den beiden Wasserfällen von Na-Muang. Diese sind zwar nicht sonderlich hoch, bilden aber herrliche Pools aus und laden zu einem erfrischenden Bad ein. Vorbei an der Inselkapitale Nathon, die zugleich die wichtigste Hafenstadt auf Koh Samui ist, führt die Tour zu den schönen Stränden von Mae Nam bevor mit Bophut pünktlich zur früh einsetzenden Dämmerung wieder der Startpunkt der kleinen Rundtour erreicht ist.
Ein perfekter Zeitpunkt. Denn mit seinem populären Fisherman’s Village ist Bophut einer der Hotspots für Shopping und Nightlife auf Koh Samui – und der richtige Ort, um bei einem kühlen Bier die vielen Eindrücke der Rundtour Revue passieren zu lassen.
Allgemeine Informationen: www.thailandtourismus.de
Anreise: Thai Airways bietet täglich Direktflüge ab Frankfurt nach Bangkok (Suvarnabhumi) an, von wo mehrmals täglich Weiterflüge nach Koh Samui starten. Die Flugzeit beträgt von Frankfurt nach Bangkok rund zehneinhalb Stunden, von Bangkok nach Koh Samui rund 50 Minuten. Preise für Hin- und Rückflug beginnen bei etwa 650 Euro.
Einreise: Für die Einreise genügt ein mindestens noch sechs Monate gültiger Reisepass. Ein Visum wird direkt am Flughafen ausgestellt.
Geld: Landeswährung ist der Baht. Ein Euro entspricht etwa 38,9 Baht.
Reisezeit: Koh Samui ist ein Ganzjahresziel
Motorradverleih: Samuipedia, Central Festival, Chaweng Beach Road, Entrance 3, 209-209/1-209/2, Moo 2, Bophut, 84320 Koh Samui, Suratthani, Thailand, Telefon 0066-77-413660, info@samuipedia.com, www.samuipedia.com. 125-Kubik-Roller werden ab 250 Baht pro Tag angeboten.
BNB Rent, 127/118 Moo 3 T. Maret, Lamai, Koh Samui, Suratthani, Thailand, Telefon 0066-937328105, info@bnb-rent.com, www.bnb-rent.com. 125-Kubik-Roller werden ab 200 Baht pro Tag angeboten.
Essen & Trinken: Barracuda Restaurant, The Wharf Samui, 62/9 Moo. 1, Tambon Bophut, Koh Samui, Suratthani 84320, Thailand, Telefon 0066-77-430003, info@barracuda-restaurant.com, www.barracuda-restaurant.com. Meeresfrüchte und Fische kommen auf den Tisch des Hauses.
Coco Tam’s, 99/1 Moo 1 Bophut, Koh Samui, Surathani 84320, Thailand, Telefon 0066-817123333. Eine der beliebtesten Strandbars der Insel mit großer Cocktailkarte, Livemusik und Feuershows.
Übernachten: Mövenpick Resort Laem Yai Beach, Koh Samui, 57/6-7 Moo 5 Angthong, 84140 Koh Samui, Suratthani, Thailand, Telefon 0066-77-421722, resort.samuilaemyai@Movenpick.com, www.moevenpick-hotels.com. Direkt am Lam Yai Beach im Nordwesten der Insel gelegen, hält das 2014 eröffnete Hotel 50 stilvolle und luxuriöse Villen und Räume vor, die (inklusive Frühstück) bei 6.000 Bhat beginnen.
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Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.