Herbst-Glück barrierefreie für alle

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Barrierefrei lassen sich zahlreiche Wanderwege in der Sächsischen Schweiz erleben. – Foto Czechvibes

Zugvogelschwärme, Laubfärbung, Nebelschwaden, warmes Licht: Im Herbst zeigt sich Deutschlands Natur noch einmal besonders romantisch. Und weder Kinderwagen noch Rollstuhl sollten der Begegnung mit ihr im Wege stehen. Dass auch Menschen, die in ihrer Beweglichkeit oder auf andere Weise eingeschränkt sind, Anteil an ergreifenden herbstlichen Naturerlebnissen haben können, beweisen die nationalen Vorreiterregionen im barrierefreien Tourismus. Das sind ihre Tipps für die kommenden Wochen und Monate – für Menschen mit und ohne Behinderungen.

Ostfriesland: Zugvogeltage und Herbst-Markt

Es ist ein faszinierendes Naturschauspiel: Mehr als zwei Millionen Zugvögel legen im Herbst am Niedersächsischen Wattenmeer eine Rast ein. Dann ist das UNESCO-Weltnaturerbe eine der vogelreichsten Gegenden der Welt. Ringelgans, Sandregenpfeifer, Heringsmöwe, Flussseeschwalbe und andere kommen hierher, um ihre Energiereserven vor dem Weiterflug nach Afrika aufzustocken. Für manche ist es die einzige Rast auf dem langen Weg in den Süden.

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Immer ein Erlebnis: Die Zugvögel in Ditzumerverlaat in Ostfriesland. – Foto www.ostfriesland.travel

Der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer lädt ein, mehr über das rätselhafte Naturphänomen Vogelzug zu erfahren. Bis zum 18. Oktober veranstaltet er die Zugvogeltage mit über 250 Angeboten. Zu den barrierefreien Veranstaltungen gehört die Exkursion „Zugvögel und ihren Rastplatz Wattenmeer ungehindert erleben“ am 17. Oktober in Wittmund-Harlesiel in Ostfriesland. Mit Spektiven und Ferngläsern können die Vögel beobachtet werden. Dazu erklärt Nationalparkführer Joke Pouliart, welche Bedeutung das Wattenmeer für den Ostatlantischen Vogelzug hat.

Auch die Nationalparkhäuser an der ostfriesischen Küste und auf den Inseln beteiligen sich mit Führungen und Workshops an den Zugvogeltagen. Zudem bieten sie ganzjährig Ausstellungen zum Lebensraum Wattenmeer. Alle 14 sind nach dem bundeseinheitlichen Kennzeichnungssystem „Reisen für Alle“ zertifiziert. Darüber hinaus begleiten das Nationalpark-Haus Dornumersiel sowie andere Anbieter Menschen im Rollstuhl zu barrierefreien Wattwanderungen.

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Strandrollstühle – wie hier auf der Nordseeinsel Langeoog – ermöglichen Menschen mit Gehbehinderungen die Teilnahme an Strandspaziergängen und Wattwanderungen. – Foto Deutsche Bahn AG/Hans-Dieter Budde

Fernab der Nordseeküste, im Landesinnern von Ostfriesland, lockt der barrierefreie Park der Gärten in Bad Zwischenahn am 18. Oktober erstmalig zum Herbst-Markt. 25 Aussteller präsentieren regionale Produkte. Vereine und Institutionen informieren zum Umweltschutz. Mit dem Markt beendet der Park auch die Saison. Bis dahin sind Duftarena, Blindenbrunnen und Klanginseln noch zu erleben.

Eifel: Walderkundungen und Erlebnisausstellung

Tiere beobachten, in den Wald hören, in die Baumwipfel schauen und erleben, wie sich die Wildnis ein Stück Deutschland zurückholt: Das ist im Nationalpark Eifel gerade im Herbst barrierefrei möglich. Auf dem 1,5 Kilometer langen barrierefreien Naturerkundungspfad „Wilder Weg“ entdecken Menschen mit und ohne Behinderungen die Nationalparkphilosophie „Natur Natur sein lassen“. Ein breiter Holzsteg führt mitten durch den Mischwald, in dem noch immer die Bäume liegen, die der Sturm Kyrill im Jahr 2007 entwurzelte. Das Totholz ist ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems. Zehn, meist interaktive Stationen, wie ein begehbarer Baumstammtunnel oder tastbare Holzpilze informieren über Wildnis, Waldentwicklung und die biologische Vielfalt im Nationalpark Eifel.

Waldführer Joseph Noel begleitet eine Gruppe von Rollstuhlfahrern mit ihren Angehörigen und Betreuern auf dem barrierefreien Naturerkundungspfad „Wilder Weg“ in der Eifel. – Foto Hans-Dieter Budde

Ergänzend dazu liefert die Erlebnisausstellung „Wildnis(t)räume“ im Nationalparkzentrum im historischen Forum Vogelsang IP weitere Hintergründe zu den Wäldern, Wasser-, Tier- und Pflanzenwelten der Eifel. Tierpräparate ertasten, Pflanzendüfte riechen, Tiergeräusche hören: Die nach „Reisen für Alle“ zertifizierte Schau lädt zum Mitmachen ein. Alle Inhalte stehen in Leichter Sprache, in Gebärdensprache und als Audiodeskription zur Verfügung. Ein taktiles Leitsystem weist blinden Menschen den Weg. Und auch für Rollstuhlfahrer sind alle Bereiche gut zugänglich.

Handbike-Touren in der Sächsische Schweiz

Auch am genau entgegengesetzten Ende Deutschlands, im östlichen Grenzland zwischen Sachsen und Böhmen ist eine faszinierende Naturlandschaft zu finden: der Nationalpark Sächsische Schweiz. Es ist mit ihren Tafelbergen und bizarren Felsentürmen eine der bekanntesten Felsenlandschaften Europas. Dass auch eine Region wie diese barrierefrei zugänglich sein kann, mag überraschen.

Zu den landschaftlich beeindruckenden Herbsttouren gehört die rund zehn Kilometer lange Handbike-Route durch die Hintere Sächsische Schweiz. Startpunkt ist die Neumannmühle im wildromantischen Kirnitzschtal, an mächtigen moosbewachsenen Felsen vorbei geht es zur Nationalpark-Informationsstelle „Zeughaus“, die über eine Rampe zugänglich ist. Sie widmet sich der historischen Jagdnutzung und der Bedeutung des Nationalparks. Nationalparkführer Veit Riffer, der selbst auf Handbike oder Rollstuhl angewiesen ist, zeigt auf seinen Touren in verschiedenen Schwierigkeiten, wie unverhofft dicht man auch auf Rollen und Rädern an die Wildnis kommen kann.

Die Sächsische Schweiz lässt sich in vielen Teilen auch mit dem Rollstuhl erleben. – Foto Florian Trykowski

Im traditionsreichen Kurort Bad Schandau erklärt das Nationalparkzentrum wie die bizarre Felsenwelt entstanden ist und welche Tiere und Pflanzen sich hier heimisch fühlen. Die interaktive Ausstellung ist für Rollifahrer barrierefrei zugänglich. Für Menschen mit Sehbehinderungen, Hörschädigungen und Lernbehinderungen sind Führungen nach Vereinbarung möglich.

Und neben dem einzigartigen Naturschatz verbirgt sich in der Sächsischen Schweiz auch ein spannender Geschichtenschatz. Von Mythen, Sagen und wahren Geschichten um Burgen, Schlösser und Raubritteranwesen erzählt die Lichtbilderreise „Burglichter“ am 20. November und 18. Dezember. Sie findet bei trockenem Wetter im für Rollifahrer zugänglichen Rathaushof in der Burgstadt Hohnstein statt.

Rostock: Handbiketour und Entdeckerpfad

Die Rostocker Heide zeigt sich im herbst von ihrer schönsten Seite. – Foto Hansestadt Rostock Stadtforstamt

Nordöstlich der Hanse- und Universitätsstadt Rostock erstreckt sich der mit 6000 Hektar größte zusammenhängende Küstenwald Deutschlands, die Rostocker Heide. Einst war sie Jagdrevier und Rohstofflieferant für den Haus- und Schiffbau. Heute genießen Besucher beim Radfahren und Wandern das wohltuende Klima aus Wald- und Meeresluft. Der Radweg zwischen den Ostseebädern Warnemünde und Graal-Müritz ist varrierefrei und daher auch für Handbikefahrer geeignet. Unterwegs kommen Radler am Jagdschloss Gelbensande sowie an Karls Erlebnisdorf vorbei. Hier lädt ein barrierefreier Bauernmarkt mit Schaumanufakturen und Restaurants zur Einkehr ein.

Was es mit Plumpsfrüchten, Spülsäumen und Waldmedizin auf sich hat, erfahren Besucher auf dem Entdeckerpfad in der Rostocker Heide. Der 2,8 Kilometer lange Rundweg auf festen Waldwegen ist für Rollstuhlfahrer bei gutem Wetter weitgehend selbstständig befahrbar. Eine Begleitperson für eventuelle Hilfestellungen wird empfohlen. An zehn interaktiven Stationen wie einem befahrbaren Grashalm-Labyrinth kommen die Besucher kleinen und großen Naturwundern auf die Spur.

Ruppiner Seenland: Moorwanderungen und Bratäpfel

Beliebte Anlaufstelle im Ruppiner Seenland: das Naturparkhaus Stechlin. – Tourismusverband Ruppiner Seenland e.V.

Mit dem Rollstuhl ins Moor? Auch das Ruppiner Seenland, nördlich von Berlin, macht ein überraschendes barrierefreies Angebot. Die wasserreiche Region beheimatet einige dieser schützenswerten Feuchtgebiete. Am Dagowsee bei Neuglobsow ist ein neuer barrierefreier Stahl-Holz-Steg über den Dagowseebruch entstanden. Von hier aus können Besucher beobachten, wie aus einem ehemaligen See ein Moorwald entsteht. Seltene Pflanzen wie Moosbeere und Sonnentau haben sich angesiedelt.

Auch der Moorerlebnispfad Menz nimmt Besucher in die Welt der Feuchtgebiete mit. Die beeindruckendste Station ist ein weit in das Moor ragender Steg am Großen Barschsee. Sie ist für Rollstuhlfahrer von Menz aus über den Stechlinsee-Radweg erreichbar. Nach der letzten Eiszeit entstand hier ein See, der langsam verlandete und sich zu einem Kesselmoor entwickelte. Auf einem Bohrkernmodell kann man einen Blick in den 12 000 Jahre alten Moorboden werfen.

Am Ausgangspunkt des Weges liefert das barrierefrei zugängliche Naturparkhaus Stechlin in Menz in einer Erlebnisausstellung Hintergrundwissen zu den Lebensräumen Wald, Wasser und Moor. Ab Herbst wird auch der alte Kachelofen angeheizt. Hin und wieder zieht dann der Duft frischer Bratäpfel durch das Haus.

Diese und weitere barrierefreie Naturerlebnisse stellt die Arbeitsgemeinschaft Leichter Reisen – Barrierefreie Urlaubsziele in Deutschland unter www.leichter-reisen.info vor.