Happy Birthday! Tschechien wird 100 Jahre alt

Das Denkmal am Prager Veitsberg erinnert an den Hussitenführer Jan Žižka. Die Statue wurde 1931 aufgestellt. – Foto CzechTourism/Upvision

Der Erste Weltkrieg veränderte die politische Landkarte Europas. Die Tschechoslowakei gehörte zu den Staaten, die 1918 neu auf den Plan traten. Vor 25 Jahren trennten sich Tschechen und Slowaken friedlich voneinander, doch beide Länder feiern gemeinsam die offizielle Gründung des ersten tschechoslowakischen Staates am 28. Oktober 1918. In ganz Tschechien wird mit Festen, Konzerten und Ausstellungen an das bedeutsame Ereignis erinnert.

Rechtzeitig vor dem runden Jubiläum wurde am 28. September in Prag die weltberühmte astronomische Uhr im Alten Rathaus wieder in Betrieb genommen. Sie musste in den vergangenen Monaten gründlich überholt worden. Das Prager Nationalmuseum wird nach einer mehrjährigen Generalüberholung am 28. Oktober mit einer neuen Ausstellung wiedereröffnet. Sie ist der Gründung der Tschechoslowakei gewidmet und wurde von Tschechien und der Slowakischen Republik gemeinsam entwickelt.

Volksfest im Herzen von Prag

Im Prager Messepalast zeigt eine Dauerausstellung moderne Kunst der Zwischenkriegszeit. – Foto CzechTourism/Upvision

Vor dem Prager Gemeindehaus, dem Obecní dům, wo vor 100 Jahren die neue Republik ausgerufen wurde, findet vom 26. bis 28. Oktober ein großes Volksfest mit Kunsthandwerk, Kulinarik und Infoständen statt. Die Vereinigung der tschechischen Köche lädt zum „Festival des tschechischen Essens“ ein, bei dem Besucher die Trends der tschechoslowakischen Küche von vor 100 Jahren neu entdecken können.

Besucher Prags können an den letzten Sonntagen im Oktober und November einige der architektonischen Juwelen des jungen Staates kostenlos besuchen. Die Organisation „Open House Praha“ öffnet sonst geschlossene Türen für die Öffentlichkeit. Am 28. Oktober können Neugierige unter anderem im monumentalen „Haus der Landwirtschaftsbildung“, im 1934 erbauten Landwirtschaftsmuseum oder dem 1925 neu gestalteten Sitz der Turnerbewegung Sokol (Falke) hinter die Kulissen schauen. Sonderführungen gibt es auch im Waldstein-Palais, dem Sitz des Tschechischen Senats.

Aufbruch in Kunst und Kultur

Autos von Škoda entwickelten sich zum Exportschlager des neuen Staates. Historische Modelle zeigt das Firmenmuseum in Mladá Boleslav. – Foto: CzechTourism/Havas

Im Prager Messepalast, einem Glanzstück der funktionalistischen Architektur der jungen Republik, widmet sich eine neue Dauerausstellung der Nationalgaleried em Aufbruch in Kunst und Kultur in der Zwischenkriegszeit. Zu sehen sind dort auch Buchillustrationen oder Grafikdesign aus der Zeit zwischen 1918 und 1938. Die Ausstellung widmet sich auch den wichtigen Kulturzentren des jungen Staates, zu denen neben Prag auch Brno (Brünn) oder Bratislava (Preßburg) gehörten. Das Werk des avantgardistischen Malers Josef Šíma wird ab 26. Oktober in der Mährischen Galerie in Brünn gezeigt. Noch bis Januar ist zudem im Museum für Moderne Kunst in Olomouc (Olmütz) eine Ausstellung über die künstlerische Avantgarde in Mitteleuropa in der Zeit von 1908 bis 1928 zu sehen.

Die ersten zwei Jahrzehnte des neuen Staates waren auch eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte. Schuhe von Bat’a, Autos von Škoda oder böhmisches Kristallglas eroberten die Weltmärkte. Daran erinnert eine neue Ausstellung im Nationalen Technikmuseum in Prag unter dem Titel „Made in Czechoslovakia“. Der industriellen Produktion in Mähren von 1908 bis 1928 widmet sich ab 22. Oktober eine weitere Ausstellung im Technischen Museum von Brünn. Im Komenský-Museum in UherskýBrod (Ungarisch Brod) erhalten Besucher unter dem Motto „Kleider machen Leute“ ab dem 26. Oktober einen Einblick in den Wandel der Bekleidungsbranche und die wichtigsten Modetrends der jungen Tschechoslowakei.

Made in Czechoslovakia

Auf dem Bat’a-Kanal sollte Kohl zu Kraftwerk von Bat’a transportiert werden. Heute wird der Kanal nur touristische genutzt. Foto – CzechTourism/Upvision

Im nahegelegenen Zlín stieg Tomáš Bat’a in der Zwischenkriegszeit zum weltweit führenden Schuhproduzenten auf. Er holte namhafte Architekten des Funktionalismus nach Zlín und ließ den kleinen Ort binnen weniger Jahre zu einer der modernsten Städte Europas umbauen. In seiner Fabriksiedlung können Besucher in einer Schauwohnung in die sich verändernden Lebenswelten der arbeitenden Bevölkerung des neu gegründeten Staates eintauchen. Am Abend des 28. Oktober wird die Fassade des Bat’a-Instituts auf dem Fabrikgelände als Leinwand für ein Videomapping zum Staatsgeburtstagdienen.

Gefeiert wird die Unabhängigkeit in vielen tschechischen Städten. So verwandelt sich die Innenstadt der westböhmischen Metropole Plzeň (Pilsen) vom 26. bis 28. Oktober in eine große Festmeile. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten werden am 28. Oktober kostenlos oder für einen symbolischen Betrag geöffnet sein. Gäste können an historischen Stadtführungen mit Retro-Guides teilnehmen und normalerweise unzugängliche Orte wie die Türme der Großen Synagoge erleben. Höhepunkt der Feiern stellt der feierliche Lichterumzug in den Farben der Staatsflagge dar. Auf dem Platz der Republik findet ein großes Abschlussfeuerwerk ebenfalls in den Staatsfarben statt. Während der dreitägigen Feier können Besucher im historischen Rathaus zudem das Originalmanuskript der tschechischen Nationalhymne „Kde domov můj“ (Wo ist meine Heimat?) sehen.

Unabhängigkeitsfeier im Zeichen von Leoš Janáček

In Pilsen richtete Adolf Loos mehrere Wohnungen ein, die zum Teil bis heute erhalten blieben. – Foto CzechTourism/POPE

In der mährisch-schlesischen Metropole Ostrava (Mährisch Ostrau) stehen die Feierlichkeiten zur Unabhängigkeit ganz im Zeichen des großen Komponisten Leoš Janáček, der dort vor 90 Jahren starb. So findet am 18. Oktober im Mährisch-Schlesischen Theater eine Aufführung von Janáčeks Oper „Osud“ (Schicksal) statt. Vom 25. bis 28. Oktober organisiert die Philharmonie Ostrava einen „Janáček-Marathon“ in der Stadt und ihrer Umgebung.Vier Tage, 17 Konzerte und 40 Titel aus der Feder des Komponisten – so die Kurzformel des Festivals.

Auch in Deutschland werden „100 Jahre Tschechoslowakei“ gefeiert. So veranstalten die tschechische und die slowakische Botschaft am Vorabend des Jahrestags gemeinsam ein Galakonzert in der Berliner Philharmonie.Das Slowakische Kammerorchester unter Ewald Danel präsentiert den geladenen Gästen Werke bekannter tschechischer und slowakischer Komponisten. Informationen rund um die 100-Jahr-Feiern finden sich auf der deutschsprachigen Website www.czechandslovakcentury.com; weitere Infos zu Tschechien unter http://www.czechtourism.com.