Han-sur-Lesse: Träumen auf den Bäumen

Han-sur-Lesse
Ein ungewöhnliches Schlaferlebnis garantieren die Baumzelte im Parc Animalier von Han-sur-Lesse. – Foto Karsten-Thilo Raab

Nur wenige Hundert Meter entfernt streifen die mächtigen Braunbären durch das Gelände. Gleichwohl wiegen einen das Rauschen der Blätter und der sanfte Wind in dieser sternenklaren Nacht unaufgeregt und sanft in den Schlaf. Mit Anbruch der Dämmerung übernimmt das Gezwitscher der Vögel die Funktion eines natürlichen Weckers. Und der Tag beginnt in drei Metern Höhe beim vorsichtigen Öffnen des Reißverschlusses des Baumzelts, wie der vorherige geendet ist: Mit faszinierenden Blicken auf den Parc Animalier, den Tierpark im belgischen Han-sur-Lesse, der sich rühmen darf, mit Bär, Wolf, Luchs, Bison und Vielfraß die europäischen „Big Five“ zu beheimaten.

Von der kleinen Plattform vor dem Tree Tent fallen aber eher andere Tiere in den Blick. Denn in diesem Teil des weitläufigen Parks mit seinen drei Dutzend Tierarten tummeln sich vorwiegend Hirsche, Rehe, Auerochsen, Przewalski Pferde oder Mufflons. Doch auch dies sorgt zusammen mit den fast 170 Vogelarten, die in der Wallonie anzutreffen sind, für tierische Begeisterung bei Klein und Groß. Und den „Big Five“ lässt sich bei einem entspannten Spaziergang ebenfalls binnen Minuten ein Besuch abstatten.

Grotten von Han-sur-Lesse

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Meister Petz lässt sich im Wildpark von Han-sur-Lesse aus nächster Nähe in Augenschein nehmen. – Foto Karsten-Thilo Raab

Der ungewöhnliche Schlafplatz im weiten Tal der Lesse, des 94 Kilometer langen Nebenflusses der Maas, sorgt abseits jeglichen städtischen Lärms im wahrsten Sinne des Wortes für natürliche Entspannung. Auch auf das obligatorische Smartphone lässt sich hier gut verzichten. Empfang gibt es eh nicht. Daher dient das Handy allenfalls dazu, Schnappschüsse zu erstellen oder mit der Taschenlampen-Funktion in der Dunkelheit der Nacht den Weg zum Toilettenhäuschen zu finden.

Mit der historischen Schmalspurbahn geht es zu den Grotten von Han-sur-Lesse. – Foto Karsten-Thilo Raab

Der weitläufige Parc Animalier liegt inmitten des 915 Quadratkilometer großen UNESCO Global Geoparks Famenne-Ardenne und befindet sich dabei in exzellenter Nachbarschaft. Denn direkt angrenzend avancieren die Grotten von Han-sur-Lesse nicht von ungefähr zu einer der größten Attraktionen in der von tiefen Wäldern, steilen Schieferfelsen und Kalkterrassen geprägten Region.
„Die Gesteinsformationen des riesigen Höhlensystems bildeten sich während des Devons aus, also vor mehr als 360 Millionen Jahren“, weiß Isabelle Köchli zu berichten.

Unteriridische Ton- und Lichtshow

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360 Millionen Jahre alt sind die Gesteinsformationen in der Grotte von Han-sur-Lesse. – Foto Karsten-Thilo Raab

Im gleichen Atemzug verdeutlicht die Mitarbeiterin der Domaine des Grottes de Han, dass die beeindruckten Tropfsteinhöhlen im Laufe der Jahrtausende insbesondere durch das Wasser der Lesse geformt wurden.

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Noch heute sind die Gesteinsformationen einem permanenten Wandel ausgesetzt., – Foto Karsten-Thilo Raab

„Ziemlich geräumig, aber auch ein bisschen feucht die Bude“, flachst ein Jugendlicher, während ansonsten entlang fast 2,5 Kilometer langen Wegs durch die Kalksteingrotten überwiegend „Ahs“ und „Ohs“ als Ausdrücke des kollektiven Erstaunens zu vernehmen sind. Zum Teil gigantisch große Stalaktiten und Stalagmiten prägen die bizarre Gesteinswelt rund 110 Meter unter dem Erdboden ebenso wie riesige Säle. Deren größter, der Salle du Dôme, weist eine 62 Meter hohe Kuppel auf und dient als Projektionsfläche für „Origin“, einer fesselnden Ton- und Lichtshow von Künstler Luc Petit.

Ständige Veränderungen

Am Ausgang der Grotten erreicht auch der Fluss Lesse wieder das Tageslicht. – Foto Karsten-Thilo Raab

Auch unabhängig davon sind die Grotten, die von Han-sur-Lesse aus seit dem Jahre 1906 bequem mit einer historischen Schmalspurbahn zu erreichen sind, überaus faszinierend. Bizarre Gesteinsformationen wechseln mit filigranen Tropfsteinstangen. In den vielen kleinen Wasserstellen und Seen spiegeln sich die mal von unten nach oben und mal von oben nach unten wachsenden Säulen.

Mächtige Bisons sind im Wildpark unweit der Grotten von Han-sur-Lesse anzutreffen. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Durch die Auflösung der Kalklagen entstanden im Laufe der Jahrtausende in Folge des permanent eindringenden Wassers und durch mechanische Verwerfungen unzählige Gänge und Höhlen“, entdeckt selbst Isabelle Köchli beim Gang durch die Grotten immer wieder Neues oder Verändertes.

Vielfältiger UNESCO Geopark

Naturwunder wie die Antiklinale von Durbuy lassen sich überall im Geopark entdecken. – Foto Karsten-Thilo Raab

Die außergewöhnliche Karstgrotten liegen inmitten des ersten (und bislang einzigen) UNESCO Global Geoparks in Belgien. Im Jahr 2018 erhielt die Region Famenne-Ardenne den prestigeträchtigen Ritterschlag durch die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation.

Das charmante Durbuy ist der Touristenmagnet in der Region Famenne-Ardenne. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Im Geopark finden sich mehr als 1.000 Karststandorte, an denen Grotten, Dolinen und Quellaustritte entdeckt werden können“, verweist Alain Petit auf die ungeahnte Vielfalt der Region auch abseits der Tropfsteinhöhlen von Han-sur-Lesse.

Die (vermeintlich) kleinste Stadt der Welt

Das Chateau d’Ursel ist das markanteste Bauwerk in Durbuy. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Der Geopark ist in keiner Form begrenzt oder umzäunt. Jeder kann sich hier frei bewegen“, unterstreich Alain Petit, dass Eintrittsgelder lediglich für Attraktionen wie Schlösser oder Höhlen gezahlt werden müssten. Mit dem Fokus auf die Natur, so der Geopark-Mitarbeiter weiter, wäre es überaus wünschenswert, wenn möglichst viele die Region zu Fuß oder per Rad erkunden würden – doch die Topgraphie der Ardennen führe leider verständlicherweise dazu, dass die meisten das Auto nutzen, um den landschaftlich faszinierenden UNESCO Geopark zu erkunden.

Es fällt nicht schwer, sich in Durbuy sauwohl zu fühlen. – Foto Karsten-Thilo Raab

Pulsierendes Herzstück der Region Famenne-Ardenne ist mit Durbuy die vermeintlich kleinste Stadt der Welt. Obschon auch das kroatische Hum und das schleswig-holsteinische Städtchen Arnis den Titel für sich reklamieren, stimmen die Menschen in der Wallonie eindrucksvoll mit den Füßen ab. Tagsüber herrscht in den charmanten wie malerischen Gassen mit ihren Kalkstein- und Fachwerkhäuschen drangvolle Enge.

Größter Formgarten der Welt

Dr Parc des Topiaires zeigt, was sich alles aus Buchsbäumen zaubern lässt. – Foto Karsten-Thilo Raab

Über allem thront das Chateau d’Ursel. Das Schloss ist noch heute im Besitz des gleichnamigen Grafen und öffentlich nicht zugänglich. Dafür aber der am gegenüberliegenden Ufer der Ourthe gelegene größte Formgarten der Welt. Der Parc des Topiaires präsentiert auf 10.000 Quadratmetern mehr als 250 pflanzliche Kunstwerke, die überwiegend aus Buchsbaumgewächsen bestehen.

Der Parc des Topiaires zähl gut 250 pflanzliche Kunstwerke. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Bei allem dem Trubel lässt sich in Durbuy dennoch die Faszination des Geoparks hautnah erleben“, so Alain Petit weiter. Denn am Rande des Städtchen erhebt sich oberhalb eines Teichs ein mächtiger, fast kegelförmiger Berg. Die sogenannte die Antiklinale (= geologischer Sattel) von Durbuy bildete sich im Laufe der Jahrtausende durch Falten und Verwerfungen aus. Sichtbarer werden Millionen von Jahren der Erdgeschichte wohl kaum.

Wissenswerte zum Geopark Famenne-Ardenne in Kurzform

Charmante und verträumte Häuserzeilen prägen das Gesicht von Durbuy. – Foto Karsten-Thilo Raab

Informationen: www.belgien-tourismus-wallonie.de

Geopark: UNESCO Global Geopark Famenne-Ardenne, Place Théo Lannoy 2, B5580 Han-sur-Lesse, Tel. 0032-84-367930, www.geoparkfamenneardenne.be/de

Durbuy zeichnet sich auch durc ein großes gastronomisches Angebot aus. – Foto Karsten-Thilo Raab

Wissenswert: Der UNESCO Welt-Geopark Famenne-Ardenne misst eine Fläche von 915 Quadratkilometern und umfasst die Gemeinden Beauraing, Durbuy, Hotton, Marche-en-Famenne, Nassogne, Rochefort, Tellin und Wellin mit ihren verschiedenen Dörfern und Städten, in den rund 68.000 Menschen Zuhause sind.

Domaine des Grottes de Han mit Parc Animalier: Rue Joseph Lamotte, 2, 5580 Han-sur-Lesse, Tel. 0032-84-377213, www.grotte-de-han.be/de

Mal eben auf den Baum…

Han-sur-Lesse
Acht Baumzelte stehen im Parc Animalier von Han-sur-Lesse zur Verfügung. – Foto Karsten-Thilo Raab

Baumzelte: Die insgesamt acht Baumzelte können von April bis November freitags und samstags, von Mitte September bis Mitte Oktober auch donnerstags und sonntags während der Brunftzeit der Hirsche gebucht werden. Jedes Zelt bietet bis zu vier Personen Platz. Die Übernachtung kostet pro Person 159 Euro (Kinder bis 11 Jahre: 89 Euro) und umfasst Abendessen sowie Frühstück, eine geführte Tour mit einem Ranger im Wildpark sowie freien Eintritt in die Tropfsteinhöhlen von Han-sur-Lesse sowie in den Wildpark. Informationen unter Tel. 0032-84-370152; reservations@grotte-de-han.be

Der Parc des Topiaires gibt sich durchaus elefantös. – Foto Karsten-Thilo Raab

Parc des Topiaires, Rue Haie Himbe 1, B-6940 Durbuy, Tel. 0032-(0)86-219075, www.topiaires.be. Geöffnet ist der Parc des Topiaires vom 15. Februar bis 31. Oktober täglich von 10 bis 18 Uhr, im November von 10 bis 17 Uhr, im Dezember von 10 bis 16 Uhr. Der Eintritt beträgt 4,50 Euro beziehungsweise für Kinder von sechs bis zwölf Jahren 1 Euro.

Gaumen- und Genussfreuden

Essen und Trinken: Sept, Rue des Récollectines 5, 6940 Durbuy, Belgien, Tel. 0032-86-840713, www.septbyjuliette.be. Belgische Spezialitäten und Tapas-Gerichte stehen auf der Speisekarte.

In Durbuy wird sogar ein eigenes Bier hergestellt. – Foto Karsten-Thilo Raab

Le Pavillon, Rue des Marronniers 1, 5580 Han-sur-Lesse, Belgien, Tel. 0032-(0)84-377390, www.grotte-de-han.be/de/gastronomie/le-pavillon. Direkt an den Grotten gelegenes Restaurant, das typische belgische Gerichte und Biere serviert.

Le Fou du Roy, Rue Comte d’Ursel 4, B-6940 Durbuy, Tel. 0032-(0)86-210868, www.lefouduroy.com. Wechselnde Drei-Gänge-Menüs bestehend aus lokalen Spezialitäten wie Ardennenschinken, Perlhuhn mit Flusskrebsen und Spinat-Ziegenkäse-Küchlein kommen auf den Tisch des Hauses.

Sich entspannt betten

In Durbuy und Umgebung findet sich für jeden Geldbeutel die passende Unterkunft. – Foto Karsten-Thilo Raab

Übernachten: Hotel Victoria, Rue des Récollectines 5, 6940 Durbuy, Belgien, Tel. 0032-212300, www.hotel-victoria.be. Kleines Hotel mit 13 Zimmern im Herzen von Durbuy. Doppelzimmer werden ab 120 Euro pro Nacht angeboten.

Au Vieux Durbuy, Rue Jean de Bhême 6, B-6940 Durbuy, Telefon 0032-(0)86-213262, www.sanglier-des-ardennes.be. Doppelzimmer mit Frühstück kosten in dem Vier-Sterne-Haus je nach Wochentag zwischen 110 und 150 Euro.

Karsten-Thilo Raab

berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.