Irgendwie lässt James Bond bei dieser Landpartie grüßen. Geschüttelt, nicht gerührt, wird das halbe Dutzend Passagiere in dem weißen Minibus, der sich mit rasantem Tempo den Weg über die Erdstraße quer durch ein gigantisches Zuckerrohr-Anbaugebiet bahnt. Soweit das Auge reicht finden sich hier in der Provinz La Altagracia Felder mit dem Süßgras, das gerne zur Zuckergewinnung genutzt wird.
Gleichzeitig bildet das 70 Quadratkilometer große Areal einen jähen Kontrast zu den Urlaubsparadiesen an der Küste der Dominikanischen Republik – insbesondere rund um Punta Cana. Rund 2.000 Menschen leben in ärmlichen Verhältnissen in dem riesigen Areal in speziellen Siedlungen, die Batey genannt werden. Die meisten kommen aus dem benachbarten Haiti.
Entbehrungsreiches Leben im Batey
„Manche Familien leben schon seit Generationen hier. Sie verrichten als Erntehelfer die Arbeiten, die keiner von den Einheimischen machen will“, weiß Norbert Edrich zu berichten. Der Reiseführer aus der Pfalz lebt seit mittlerweile 18 Jahren in diesem Teil der Karibik und kennt entsprechend Land und Leute.
„Den Familien geht es nicht sonderlich gut, aber zumindest deutlich besser als in Haiti“, fährt Edrich fort, während der Minibus überaus einfache Holzhütten mit Wellblechdächern passiert. Männer, Frauen und Kinder sitzen davor auf Plastikstühlen oder kauern sich unter schattigen Bäumen auf dem Boden. Dazwischen laufen viel zu dünne Hunde aufgeregt hin und her. Der eine oder andere Landarbeiter hebt die Hand lässig zum Gruß, während einige Kinder wild winkend ein Stück neben dem Minibus herlaufen. Wohl auch, weil das Gefährt für viele die einzige Abwechslung in einem tristen Alltag darstellt.
Voodoo-Geister an den Wänden
Schließlich kommt der Bus in einem namenlosen Batey vor einer schlichten Holzhütte, deren Farbe weitgehend abgeblättert ist, zum Halt. Im Inneren sind rund zwei Dutzend einfache Schemel in einem Halbkreis angeordnet. Es ist schummerig. Ein paar Kerzen brennen und durch Löcher in den Wänden dringt etwas Tageslicht. Die Augen müssen sich erst für einen Moment an die Lichtverhältnisse gewöhnen. Es gibt weder eine Klimaanlage, noch Lampen in dem stickigen Holzverschlag.
„Das gehört dazu. Sonst könnten wir zum Voodoo-Musical auf den Broadway gehen“, so Norbert Edrich mit Blick auf die skeptischen Blicke einiger seiner Mitreisenden. Die Wände zieren Bilder verschiedener Loa, Voodoo-Geister, denen wie Heiligen gehuldigt wird. Ein Stuhl mit Lehne steht an einem Ende des Raums. Auf dem Boden davor finden sich einige merkwürdige Zeichen, die mit Kreide aufgetragen wurden. Drei Männer kauern mit Trommeln zwischen den Beinen auf dem Boden. Im Raum herrscht aufgeregtes Geschnatter.
Edward, der Schamane
„Wenn Edward den Raum betritt, bitte nicht mehr reden. Und bitte, bitte, sprecht ihn nicht an“, gibt Norbert Edrich letzte Instruktionen. Und der waschechte Pfälzer ergänzt: „Ihr könntet ihn sowieso nicht verstehen. Die hier lebenden Haitianer sprechen meistens nicht wie die Dominikaner Spanisch oder gar Englisch, sondern nur Kreol, eine Art Sklavensprache.“
Dann schiebt sich ein Vorhang zur Seite und ein großer, dunkelhäutiger Mann mit grauem Hemd, grauer Hose, langem schwarzen Mantel und Strohhut mit schwarzem Kopftuch darunter betritt den Raum. Es ist Edward. Der 33-jährige Vater von drei Kindern ist der Schamane des Bateys. Er ist Heiler, Bürgermeister, Schlichter und oberster Richter in Personalunion.
Zwischen Trance und Unverwundbarkeit
„Das hier ist keine Show, sondern echter Voodoo“, beteuert Edrich, der den Schamanen zur Begrüßung eine Flasche Cleren, einen Zuckerrohrschnaps mit 80 Prozent Alkohol, überreicht. Begleitet von den Klängen der Trommler demonstriert Edward, der sich selber auch in Trance versetzen kann, seine Stärke und Unverwundbarkeit. Er läuft durch Feuer und Scherben, lässt sich von mehreren Gästen ein spitzes Schwert in den Bauch drücken.
Dann beginnt ein Reinigungsritual. Der Schamane macht mit einer Schale Wasser die Runde, und ein jeder muss die Hände kurz in das Behältnis eintauchen, Arme und Gesicht benetzen. Anschließend nebelt der grimmig drein blickende Edward die Anwesenden mit Holzkohlerauch ein. Die Nebenschwaden kratzen unweigerlich in Nase und Hals. Mit einer brennenden Kerze zwischen den Zehen reibt der 33-jährige anschließend allen Besuchern über Kreuz über die Arme und versieht deren Handgelenke mit einem bunten Bändchen mit schwarzen Kugeln daran.
Abruptes Ende des Zaubers
Parallel dazu wird der Klang der Trommeln immer lauter. Als das Dröhnen in den Ohren kaum noch zu ertragen ist, kehrt schlagartig Ruhe ein. Der Schamane verschwindet sofort hinter einem Vorhang.
„So – alle schnell raus“, ruft Edrich fast schon panisch und treibt die kleine Gruppe in den wartenden Minibus. Alle sind ein wenig irritiert, rätseln nicht nur angesichts des überstürzten Aufbruchs darüber, wen oder was Edward und seine Männer wohl heraufbeschworen haben könnten?
„Edward hat uns alle gesegnet und die Geister gebeten, uns Gesundheit zu schenken“, versichert Edrich, während der Fahrer das Gaspedal dezent durchtritt. Die Hütte des Schamanen verschwindet in der Staubwolke, die der Minibus aufwirbelt. Der Besuch bei Edward bleibt ein irgendwie Mysterium. Fast ist der eine oder andere geneigt zu glauben, er hätte nur zu tief ins Glas geschaut. Wäre da nicht das ominöse Armband als Handgelenk, das wie ein stummer Zeuge die Rückfahrt nach Punta Cana mit antritt.
Individuelle Wünsche
„Jedes Bändchen ist mit bestimmten Wünschen für jeden einzelnen verbunden“, beteuert Edrich, ohne konkreter werden zu können. Für ihn ist damit die Fragestunde beendet. Stattdessen verteilt er Becher mit Rum und Cola. Und so bleiben der Voodoo-Zauber und der Schamanenbesuch ein rätselhafter Ausflug in eine andere Welt. Eine Welt inmitten von Zuckerrohr-Plantagen, die irgendwie auch ein Teil der DomRep ist, aber denjenigen, die sich nur an den prachtvollen Karibikstränden Strand rumrekeln, verborgen bleibt.
Wissenswertes in Kurzform
Informationen: www.godominicanrepublic.com
Ausflug: Die Landpartie mit Norbert Edrich, „Island Explorer“ genannt, kostet 99 US-Dollar pro Person inklusive Abholservice vom Hotel und Mittagessen. Neben einem Besuch in Higüey gehören ein Abstecher auf eine Kakao- und Kaffeeplantage, eine Fahrt auf dem Bocca Yuma Fluss und der Besuch des Schamanen zum Programm. Buchbar ist das Ganze im Voraus über FTI in Deutschland (Telefon 089-710451498) oder auch vor Ort unter Telefon 018098316041.
Übernachten: Royal Suites Turquesa, Avda. Francia s/n, Playas de Bavaro Higuey, Punta Cana 23000, Dominikanische Republik, Telefon 01-80-92218149. Das direkt am Strand gelegene Adults-only Fünf-Sterne-Haus. FTI bietet zwei Wochen im Royal Suites Turquesa mit All-Inclusive-Verpflegung und Flug ab 1.900 Euro pro Person an.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.