Die Entdeckung der grünen Gelassenheit – per Drahtesel durch die Ammerländer Parklandschaft

Auch wenn es anders aussieht: Die 170 Kilometer lange Radtour durch das Ammerland ist eine Tour durch die reale Welt. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
Auch wenn es anders aussieht: Die 170 Kilometer lange Radtour durch das Ammerland ist eine Tour durch die reale Welt. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Eine Parklandschaft, zwei Reifen, drei Tage Zeit und eine 170 Kilometer lange Rundtour – so heißt das einfache wie geniale Rezept für alle, die Spaß am Genussradeln haben. Und für alle, die ihren Akku dringend mal wieder aufladen müssen. Dass man die Strecke fast ganz für sich alleine hat, ist ein weiteres Plus. Rund 170 Kilometer misst die Ammerlandroute, die auch normal geübte Radfahrer bequem an drei Radtagen absolvieren können. Durch eine gepflegte Parklandschaft und drei ganz unterschiedliche Landschaftstypen führt die Tour. Und durch Grün-Töne in allen Facetten, in die die Sonne goldene Tupfen strahlt. Das Relaxen steht dabei stets im Mittelpunkt.

Man kann im Ammerland, das im Nordwesten von Niedersachsen liegt, getrost einen Gang runterschalten. Und das nicht nur, weil die Landschaft flach ist wie eine Flunder. Auch die ammerländer Lebensart, die sich durch eine große Gelassenheit und viel Zeit für den ein oder anderen „Klönschnack“ auszeichnet, trägt ihren Teil zur Entspannung bei. Seinen Kopf durchpusten lassen kann man hier zudem auch deshalb so gut, weil nicht nur am Startpunkt, im Luftkurort Rastede immer eine frische Brise weht. Auch auf dem Rest der Tour weht stets ein laues bis raues Lüftchen. Kommt der Wind  dann gefühlt immer von vorne, oder aber von allen Seiten gleichzeitig, dann nimmt man die „Lüftchen“ als einzige sportliche Herausforderung der Strecke gerne an.

Start- und Zielpunkt für die Ammerlandroute ist Rastede mit dem pittoresken Palais. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
Start- und Zielpunkt für die Ammerlandroute ist Rastede mit dem pittoresken Palais. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

„Als Gott das Ammerland erschuf, muss er an die Radfahrer gedacht haben – und an die Gärtner.“ lacht der Fahrradverleiher im Startort Rastede als er die Tourenräder raus schiebt. Recht soll er behalten. Die Radtour durch Marsch, Geest und Moor ist ein einfaches wie vollkommenes Glück. Die Strecke ist flach, abwechslungsreich und sehr gut ausgeschildert. Bis zu acht Windstärken sorgen an unserem Starttag jedoch dafür, dass wir doch ab und an mal kräftig in die Pedale treten müssen und dafür, dass die weißen Wattewölkchen in erstaunlichem Tempo über den weiten blauen Himmel düsen.

Das Tagwerk für heute ist erfrischend überschaubar. Entspannung pur heißt: Morgens wissen, wo man abends ermattet in die Federn sinken wird. Ansonsten den ganzen Tag nichts anderes tun als Radfahren, Augen blau auffrischen und die Weite genießen. Die einzigen, vorab festgelegten Tagespunkte heißen: Geest, Marsch und Moor erleben. Dazwischen reell essen. Danach gut schlafen. Und, nicht zu vergessen: Die Parklandschaft eingerahmt betrachten. Möglich machen dies fünf im Jahre 2002 gebaute und schlau durchdachte Landschaftsfenster, die auf dieser Tour als Etappenziele dienen.

Tierische Begegnungen sind im Ammerland an der Tagesordnung. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
Tierische Begegnungen sind im Ammerland an der Tagesordnung. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Landschaftsfenster – Parklandschaft eingerahmt

Die rund 170 km lange Ammerlandroute beschreibt einen Kreis, an dem wie an einer Halskette fünf Landschaftsfenster wie Perlen aufgereiht sind. Diese bilden die natürlichen Zwischenziele und bieten einen Perspektivwechsel sowie einen tieferen Einblick in die Elemente, die die Natur in der Parklandschaft Ammerland prägen. Praktischerweise hat der Westersteder Architekten Ulrich Recker bei den charmanten wie bodenständigen Backsteinbauten gleich pragmatisch gedacht, und jeweils eine einladende, geschützte Picknickecke mit eingebaut.

„Eben van de Been av“ (Eben von den Beinen runter) – so geht Müßiggang auf ammerländisch eben auch während einer obligatorischen Wochenend-Fahrradtour. Dass das gut tut und durchaus zu der Gesundheit beiträgt, das beweist die Ammerländer Bevölkerung durch Radtauglichkeit bis ins Greisenalter. Wer hier eine Besorgung zu machen hat, der schwingt sich aufs Hollandrad und parkt gemütlich direkt vor dem Eingang von Arztpraxis, Baumarkt oder Drogerie. Dass an den Landschaftsfenstern auch immer für Fahrradständer gesorgt wurde, versteht sich von selbst. Bildet der Drahtesel doch das zentrale Fortbewegungsmittel in der Region.

Überall entlang der Ammerlandroute finden sich prächtige Bauerhöfe und mit Reet gedeckte Häuser. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
Überall entlang der Ammerlandroute finden sich prächtige Bauerhöfe und mit Reet gedeckte Häuser. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Von Rastede nach Bad Zwischenahn

Den Auftakt des Tages bildet für uns das beschauliche Örtchen Rastede. Die heutige Tour ist nur rund 30 Kilometer lang. Genug Zeit also, gleich zu Beginn der Tour ein wenig im Residenzort Rastede mit seinem romantischen wie fotogenen Palais zu verweilen. Es ist gegenüber dem Schlosses gelegen, welches beispielhaft für den Oldenburger Klassizismus ist. Sehenswert ist ebenfalls die trutzigen St. Ulrichs-Kirche aus dem Jahre 1059 mit ihrer einzigartigen romanischen Krypta. Bereits vor Jahrhunderten wählten die Herzöge und Grafen Oldenburgs die so genannte „Gute Stube des Ammerlandes“, um ihre prachtvollen Residenzen hier erbauen zu lassen.

Auch an den beschaulichen, gepflegten Bauernhöfen und den Baumschulen bleibt unterwegs ausreichend Gelegenheit zur Pause. Genug Zeit auch für nette Begegnungen mit den Einheimischen. Die Räder sausen vorbei an Alleen aus knorrigen Eichen, top-gepflegten Gärten und Häusern zum neidisch werden. Der Wind weht sachte durch die Eichenblätter. Ab und an kommt es zu einer Begegnung mit einem anderen Radfahrer. Das freundliche, melodisch gesprochenes „Moiiiiiiiin!“, das einem dabei entgegen gerufen wird, ist dabei obligatorisch.

Maritimes Flair entfaltet die Ammerlandroute am Zwischenahner Meer. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
Maritimes Flair entfaltet die Ammerlandroute am Zwischenahner Meer. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Die Gärten, an denen die Urlauber vorbeirollen, sind zum danieder knien: Gerne möchte ich an jeder zweiten Wegbiegung bremsen, an den Blumen schnuppern und mir die raffinierten Buchsbaum-Schnitte von Nahem ansehen. Auch die Straßennamen, wie zum Beispiel „Am Klünmoor“ verströmen Charme und Urlaubsflair.

Weiter geht es über gut befahrbare Wege mit minimalem Autoverkehr durch das blitzblank gepflegte Örtchen Bokel mit seiner umgebauten Mühle. Die Reifen rattern munter über rotes Backsteinpflaster. Hier wartet mit dem Remonte Reiterhof schon bald das nächste Fotomotiv. Man wirbt nämlich mit einem nach gebauten Ortsschild: „Pferdehof 0,05 km“. Und durchgestrichen: „Reale Welt“. Hier scheint das Leben doch noch ein Ponyhof zu sein.

In Boken begrüßt eine gut erhaltene Windmühle die Radfahrer. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
In Boken begrüßt eine gut erhaltene Windmühle die Radfahrer. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Bei Baumschulen sausen wir Pedalritter an den bis zum Horizont fein säuberlich aufgereihten Zierbüschen vorbei, die zu rechteckigen, mannshohen Säulen geschnitten sind. Hier ist gärtnern Passion, das sieht man. „Wusstest Du, dass vor der Kremlmauer, auf dem Champs Élysées und auch vor dem Reichstag Bäume aus Ammerländer Baumschulen stehen?“, fragt mich meine Begleiterin und nickt in Richtung einer Reihe von riesigen Bonsais. Bald ist dann der erste kulinarische Stopp angesagt. In der Fischräucherei Rabben, die direkt zwischen Radroute und dem Ufer des Zwischenahner Meeres gelegen ist und einen beliebten Biergarten vorhält, sind ofenwarmer Räucheraal, Makrele und frische Forellen der Renner.

Wir schwingen uns dann nur für ein paar wenige Pedaltritte wieder in die Sättel, denn schon bald ist „Dreibergen“ erreicht. Hier gibt es neben den drei Namens gebenden Erdhügelchen eine weitere unwiederstehliche Einkehrmöglichkeit. Die mit rot-weiß-karierten Tischdecken eingedeckten Tischchen, die Buchenhecken und die blau-weiß gestreiften Strandkörbe des reetgedeckten „Fährkroogs“ mit seinen Butzenfenstern bilden ein so einladendes Ambiente, dass man an einem Kännchen Tee und gedeckten Apfelkuchen kaum vorbei kommt. Eine leichte Brise weht vom See herüber. Segler, Ausflugsboote und die Kellner in flotten Ammerländer Trachten bilden die perfekte Kulisse zum durchatmen. „Wenn ich den See seh`, brauch ich kein Meer mehr“, seufzt die Damen im Nachbarstrandkorb. Sonst ist es still, bis auf das Dingeln der Segelboote, die im Hafen vertäut liegen.

Herrlich gelegen, einladend und ein idealer Pausenort für durstige und hungrige Radfahrer: (Foto: Ulrike Katrin Peters)
Herrlich gelegen, einladend und ein idealer Pausenort für durstige und hungrige Radfahrer: Der Fährkroog in Dreibergen. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Auftanken in Bad Zwischenahn

Die Ammerländer Geest ist eine historische Siedlungsinsel. Im Zentrum des Gewässernetzes liegt das Zwischenahner Meer. Fast automatisch landet man im Zentrum des Kurortes hier in dem Freilichtmuseum mit seinem reetgedeckten, historischen Gebäuden, die zum Teil begehbar sind. Hier kann man sich ein anschauliches Bild von den Lebensbedingungen in alten Zeiten machen. Auch der Kurpark, der sich am Ufer erstreckt, lädt mit seinen Skulpturen, Strandabschnitten, Spielplätzen, Bänken und Bootsverleihen zum Lustwandeln ein.

Gut ausgebaute Radwege und wenig befahrene Nebenstraße kennzeichnen die 170 Kilometer lange Ammerlandroute. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
Gut ausgebaute Radwege und wenig befahrene Nebenstraße kennzeichnen die 170 Kilometer lange Ammerlandroute. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Die abgeradelten Kalorien am Abend wieder aufzuladen, fällt in Bad Zwischenahn nicht schwer. Die Restaurantdichte im Kurort kann mit jeder Strandpromenade eines Seebades durchaus mithalten. Wer es richtig ammerländisch will, der geht in den Spieker. Dieses Nebengebäude des Ammerländer Bauernhauses ist Teil des open-air-Museum. Hier genießt man Smoortaal, geräucherten Aal, eine Spezialität aus dem Bad Zwischenahner Meer. Damit der doch recht fettige Fisch auch im Magen gut schwimmt, stößt man im Anschluss an das Mahl mit einem Ammerländer Löffeltrunk an. Dieser Kornbrand wird aus Zinnlöffeln getrunken, die man mit der gesamten linken Faust umschlossen halten muss. Zu der Trinkzeremonie gehört ein plattdeutscher Spruch, der im Dialog gesprochen wird: „Ick seh di.“ (Ich seh`Dich). „Dat freit mi.“(Das freut mich). „Ik sup di to!“ (Ich proste Dir zu!) beginnt der typische Trinkspruch.

Wer die heutige, recht kurze Etappe doch in den Knochen spürt oder sich für den kommenden Tag fit machen möchte, für den steht noch der Besuch des Wellenbades auf dem Programm. Herrlich wiegt das warme Wasser den wohlig ermatteten Körper während der Blick über die weiten des Binnenmeeres und die am Ufer sachte im Wind wehenden Gräser, streift.

Von Bad Zwischenahn nach Westerstede

Diese zweite Tagestour startet mitten im Luftkurort Bad Zwischenahn. Gleich zu Beginn der Radetappe steht Radelgenuss pur an. Schließlich geht es über den stillgelegten Bahndamm der ehemaligen Kleinbahn – leicht erhöht, eine Schatten spendende Allee über den Köpfen und ein Asphalt, der nur so unter den Reifen schnurrt. Dann heißt es, den stillgelegten Bahndamm, der es verdient hätte, mit der „Goldene Speiche“ ausgezeichnet zu werden, zu verlassen und in die „Goldene Linie“ einzubiegen.

So oder so bereitet die Ammerlandroute tierischen Spaß. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
So oder so bereitet die Ammerlandroute tierischen Spaß. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Bald kommt mit der Edewechter Mühle ein weiteres feines Fotomotiv in den Blick. Nach Verlassen des lebendigen Örtchens, das die Mühle auch in seinem Wappen führt, wird die Landschaft weiter. Die klare, würzige Luft lässt bereits die Nähe zur Küste erahnen, zahlreiche Moore, die heute zu ausgedehnten Ausflügen einladen, blicken auf eine lange Tradition der Torfstecherei zurück. Straßennamen wie „Klümorsweg“ und „Jenseits“ zeugen vom plattdeutschen Einschlag aber auch vom Humor der Edewechter.

Mit lautem Getöse kündigt sich eine Erntemaschine an – wer hier wem auszuweichen hat, ist schnell klar – ist doch der Radler um ein vieles Kleiner als der Silo-King, dessen Fahrer zum Gruß und dankend kurz die Hand hebt. Insgesamt spürt man die Gelassenheit und das nette, nachbarschaftliche Miteinander der Einwohner des Ammerlandes an jeder Ecke. Brauchtum wird hier noch groß geschrieben. Kein Wunder – wo nichts los ist, muss man eben was los machen. Sei es, um eine Goldene Hochzeit oder das „Schachtelfest“ zu begehen. Bei diesem wird die obligatorische Rhododendrenhecke vor dem Haus der „Alten Schachtel“ (25-jährige Frau, unverheiratet) mit einer Girlande aus aufwändig aufgefädelten Zigaretten- und anderen Schachteln behangen.

Die famosen Landschaftsfenster vermitteln Eindrück wie gemalt. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
Die famosen Landschaftsfenster vermitteln Eindrück wie gemalt. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Nach dem Feriengebiet Karlshof mit Badesee rollen die Radler an Feldern entlang auf einem malerisch verschlungenen, kurvigen, schmalen Pfad aus fest gefahrener Erde. Erwartungsvoll treten die Urlauber nun in die Pedale, um endlich das erste Landschaftsfenster als Pausenstation zu erreichen. Diese fünf Landschaftsfenster bilden die im wahrsten Sinne des Wortes die Höhepunkte der Radrundtour. Schließlich muss, wer durch die Fenster schauen will, immer erst ein paar Stufen erklimmen. Die rechteckigen Aussparungen bilden den Rahmen für jeweils ein Stück perfekt Natur, das für ein Element, das das Ammerland prägt, symbolisch stehen soll.

Die Ausblicke sind mal mehr mal weniger spektakulär. Über den weiten Moorlandschaften sammeln sich heute die Wildgänse zum Flugunterricht. Die steife Brise bietet offensichtlich gute Trainingsbedingungen und der leichte Jaucheduft, das Rauschen der Blätter unterstreichen den Landerlebnischarakter, der uns Städter so angenehm erdet. Nicht nur das Stück eingerahmte Landschaft ist von herber Schönheit. Schilfrohr, Sonnentau und Sumpflauskraut bieten hier optimale Bedingungen für Wildvögel so weit das Auge reicht. Neben Stockenten erkennt das geübte Auge Teichrohrsänger und den Großbrachvogel. In schnellem Schritt eilt nun ein „flotter Dreier“ über die schmale Straße – drei Fasane schlagen sich schnell wieder vom Pflaster in die tiefgrüne Marschlandschaft.

Die markante Klappbrücke liegt am Knotenpunkt der Ammerland- und der Feehnroute. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
Die markante Klappbrücke liegt am Knotenpunkt der Ammerland- und der Feehnroute. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Bald ist mit einer kleinen weißen Klappbrücke nicht nur ein weiteres malerisches Fotomotiv erreicht, sondern auch der Knotenpunkt zwischen der Ammerlandroute und der Feehnroute, einer weiteren beliebten Radstrecke in Niedersachsen.

An und um Tange steigt die Baumschuldichte wieder beträchtlich – zur Linken Heide, bis zum Horizont. Grün und Fuchsia-farben gestreifte Felder. Zur Rechten Zierbäume in allen Farben und Formen. Daneben Buchsbaumkugeln, so groß wie Fußbälle für Riesen und Big Bonsais, die aussehen wie Kellner mit Tabletts auf drei ausgestreckten Armen.

Wer eine Pause braucht und ein Stück „Ostfriesentorte“ vertragen kann, für den kommt der Ort Augustfehen wie gerufen. In der „Dampfbäckerei Berlinius“, ein paar Meter ab von der Hauptroute, ist man auch ruck-zuck wieder mit ein paar Einheimischen im Gespräch.

Die Landschaftsfenster im Ammerland laden zu Ein- und Aus- sowie Rundumblicken ein. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
Die Landschaftsfenster im Ammerland laden zu Ein- und Aus- sowie Rundumblicken ein. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Mit Erreichen des Etappenziel Westerstede befindet man sich in der Kreisstadt des Ammerlandes. Das Zentrum der gepflegten Stadt bildet ohne Zweifel der blitzblank geputzte Marktplatz, der zum Verweilen und zu einem Restaurantbesuch einlädt. Als Rhododendronstadt im Ammerland gilt Westerstede besonders im Mai, wenn die „Rhodos“, wie sie hier liebevoll genannt werden, in voller Blüte stehen, als beliebtes Reiseziel für Pflanzenliebhaber.

Von Westerstede nach Rastede

Westerstede verabschiedet uns Radler auf eine sehr gelassen Art. Es geht an einem Flüsschen entlang, das mittels einer elegant geschwungenen Holzbrücke gequert werden muss. Die Räder rattern sanft über die Holzplanken. Dann sausen wir auf einem festgefahrenen Erdweg durch ein Wäldchen, bevor es anschließend für ein gutes Stück an der Landstraße entlang geht. Hier werden wir ständig schräg von der Seite angeguckt. Wir stehen unter der freundlich-neugierigen Beobachtung der zahllosen schwarz-weiß gefleckten Milchkühe, die über die Zäune muhen.

Blitzblank und von Backsteinbauten geprägt ist Westerstede. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
Blitzblank und von Backsteinbauten geprägt ist Westerstede. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Meterlange Rhodohecken säumen den Radweg immer wieder. Gerade in den Monaten Mai und Juni bilden diese eine blühende Symphonie in grün, weiß und pink. Die riesigen Höfe und die Milchwirtschaft florieren hier, den Ammerländern geht es gut, das sieht man. Die Scheunentore sind im typischen grün stets frisch gestrichen, die Gärten gepflegt.

Zwischen Wester- und Wiefelstede liegen rund zwanzig Radkilometer. Und sehr viel Grün. Das tut nach Verlassen der „Zivilisation“ in Form der Kreisstadt mit ihren 22.000 Einwohnern erstmal ganz gut. Schließlich ist der Radler nach der schönen Vortagesetappe richtig angefixt, was grün, Landschaft, Ruhe und Weite angeht. Aber das Örtchen Wiefelstede mit seinen gepflegten roten Klinkerhäusschen kriegt mit seinen Cafes und einladenden Restaurants irgendwie die perfekte Mischung zwischen Ruhe und den Vorzügen einer Siedlung hin.

Das Wahrzeiuchen von Wiefelstede ist die markante Kirche. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
Das Wahrzeiuchen von Wiefelstede ist die markante Kirche. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Das trutzige Wiefelsteder Gotteshaus mit seinem separat stehenden Glockenturm verströmt wunderbare Backstein-Romantik, zwei Bänke davor liegen in schönstem Sonnenschein und laden zum Verweilen auf der „Sonnen-Bank“ ein. Die im Jahre 1057 geweihte St.-Johannes-Kirche ist die älteste, ursprünglich bereits aus Stein errichtete Kirche des gesamten Ammerlandes. Neben der Kirchentür fallen Grabsteine aus dem 17. und 18. Jahrhunderts ins Auge, dessen Inschriften in Plattdeutsch gehalten sind und auch über die Todesumstände Auskunft geben. Frisch gestärkt von den Sonnenstrahlen und mit aufgestockten Wasservorräten machen wir uns weiter, auf den Weg nach Wemkendorf.

Wer hier auf die Wemkenstraße trifft, der sollte in die Bremsen treten und den Blick nach rechts wenden. Das Kunstwerk der Ammerländer Künstlerin Barbara Jaros aus dem Jahre 2011 zeigt eine überdimensionale Gewandnadel. Die Künstlerin hat diese als Beispiel für in alten Zeiten übliche Grabbeigaben ausgewählt, da sich unweit ein Hügelgrab befindet. Wer mehr hierüber erfahren möchte, hat, wie an einigen anderen Orten entlang des Radweges, die Möglichkeit, sich an der „Hörstation“ mittels eines Anrufes über das eigene Mobiltelefon allerhand Wissenswertes vermitteln zu lassen.

Prachtvoller Blickfang: Die Mühle in Edewecht. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
Prachtvoller Blickfang: Die Mühle in Edewecht. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Am Kunstwerk muss nach rechts von der Ammerlandroute abweichen, wer zum Landschaftsfenster „Wallhecken“ gelangen möchte. Ein paar Stufen führen hinauf in die begehbare Skulptur. Der Blick schweift über die leicht abfallende Landschaft zu den Wallhecken. Die Landschaft in diesem Gebiet zwischen Nuttel und Wemkendorf weist ein für das Ammerland auffallend dichtes Netz aus Wallhecken auf. Diese schützen nicht nur vor Wind. Sie friedeten in früheren Jahrhunderten auch Äcker und Höfe ein und lieferten Holz. Darüber hinaus bietet die Mischung aus Sträuchern, Bäumen und Kräutern einen perfekten Unterschlupf für Igel, Eulen, Rehe, Hasen, Rebhühnern, Insekten sowie kleinere Reptilien.

Grillen zirpen, Vögel zwitschern, der kräftige Wind schiebt die weißen Wattewolken über eine knallblaue Leinwand. Das saftige Grün der Wiese harmoniert hervorragend mit dem herben dunkelgrün auf den Wällen. Im unteren Teil des solide gebauten roten Backsteinturmes befindet sich ein geschützter Rastplatz inklusive Dach über dem Kopf, Bank, Tisch und weiteren kleinen Fenstern. Der Architekt Ulrich Recker hat diesem Landschaftsfenster auch „Turm eines Poeten“ genannt und so kommen wir schwerzend ins dichten: „Ammerland, mein Herz schlägt für das Ammerland…“.

Zu einer echten Landpartie wie hier im Ammerland gehören auch ausgedehnte Felder entlang der Route. (Foto: Tedda Roosen)
Zu einer echten Landpartie wie hier im Ammerland gehören auch ausgedehnte Felder entlang der Route. (Foto: Tedda Roosen)

Kurze Zeit später wartet die erste kleine fahrerische Herausforderung auf Räder und Radler. Denn der vor uns liegende Sandweg kann bei sehr trockener oder sehr feuchter Witterung selbst für geübte Fahrer zu einer echten Schlitterpartie werden. Dafür liegt die Wiedergutmachung direkt im Anschluss sozusagen schon auf dem Weg bereit. Denn nach Nethen rollen die Räder wie von selbst. Es geht nämlich das erste Mal für ein ordentliches Stück bergab. Genüsslich kurvt man seinen Drahtesel über die schmale, so gut wie nicht befahrene Landstraße, an geduckten Höfen vorbei bergab.

Wer bei sommerlichen Temperaturen auf der wilden Fahrt bergab ins Schwitzen gekommen sein sollte, dem bietet sich im Hahn-Lehmdener Naturbad die Gelegenheit zum Sprung ins kühle Nass. Ein idyllisches Kleinod, das zum Abkühlen wie zum Verweilen im Strandkorb einlädt. Erfrischt kann man nun den Endspurt in Angriff nehmen und im Zick-Zack bis zur Doorpstraat in Delfshausen in die Pedalen treten. Das Hankhauser Moor schließlich zeigt sich von seiner rauen, ursprünglichen Seite. Hierzu gehört auch, einen kleinen – und einzigen Anstieg der Ammerlandtour – zu meistern. Sozusagen als „Krönung“ wartet oben ein weiteres Landschaftsfenster darauf, entdeckt zu werden. Dessen Thema ist der Geestrand, den man soeben in den eigenen Waden zu spüren bekommen hat. Erklimmt man die Treppe hinauf auf den „Turm eines Malers“, so ist leicht die Bewegung des Ammerlandes am Geestrandes zu erkennen.

Schön, schöner, Ammerland - keine Frage die Ammerlandroute lässt die Herzen von Naturfreunden höher schlagen. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
Schön, schöner, Ammerland – keine Frage die Ammerlandroute lässt die Herzen von Naturfreunden höher schlagen. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Der Ortsteil Hankhausen liegt auf dem oldenburgisch-ostfriesischen Geestrücken, einem Überbleibsel aus der Eiszeit. Dieser Geestrücken bildet die Wasserscheide innerhalb der Ammerländer Parklandschaft in Richtung Ems oder in Richtung Weser. Von dem Landschaftsturm schaut man Richtung Wesermarsch. Eindrucksvoll ist der Höhenunterschied des Landschaftsüberganges von der Ammerländer Geest zur Marsch der Weser von bis zu 20 Metern zu erkennen.

Die Ammerlandroute ist eine runde Sache. Deshalb kommen wir wieder dort an, wo wir losgefahren sind, am Ausgangspunkt Rastede. Energie geladen hüpfe ich vor dem Fahrradfachgeschäft aus dem Sattel. Die Rechnung ist aufgegangen: Drei Tage im Sattel, 170 Kilometer unter die Reifen genommen – ich bin gleichzeitig zur Ruhe und in Bewegung gekommen. Als besonders erholsam zeigt sich dabei auch die Tatsache, dass man streckenweise nicht mal Internetverbindung hat. Emails-checken am Landschaftsfenster? Fehlanzeige. Vielmehr gilt es, das eigene Akku wieder aufzuladen. Das geht im Ammerland hervorragend -mehr Land geht nicht. Downshifting würde das wohl bei unseren englischsprachigen Nachbarn heißen. Hier heißt es, mit den Worten des Radverleihers: „Immer sachte, min Deern.“

Auch Ungewöhnliches wie diesen Kirchenbau in Edewecht gibt es entlang der Ammerlandroute zu entdecken. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
Auch Ungewöhnliches wie diesen Kirchenbau in Edewecht gibt es entlang der Ammerlandroute zu entdecken. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Allgemeine Informationen: Die Ammerland-Touristik: hält Kartenmaterial und zahlreiche weitere Infos vor, hier können Radreisen auch als Pakete gebucht werden: Ammerland-Touristik, Ammerlandallee 12, 26655 Westerstede, Telefon 0049-4488- 561790, www.ammerland.de. Die Website bietet alle wichtigen Infos zum Radfahren und Urlauben im Ammerland inklusive Download-Möglichkeit von Kartenmaterial und GPS-Daten der Tour.

Fahrradverleih: Zweirad August Stückemann, Oldenburger Straße 76, 26180 Rastede Hankhausen, Telefon 04402-92500, www.stueckemann.de, Das Auto kann hier in der Nähe problemlos geparkt werden und auf die Rückkehr der Radler warten.

170 Kilometer lang und exzellent ausgeschildert ist der Ammerlandroute. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
170 Kilometer lang und exzellent ausgeschildert ist der Ammerlandroute. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Essen & Trinken: Spieker, Am Hogen Hagen 4, 26160 Bad Zwischenahn, Telefon 04403-2324, www.spieker-gaststaette.de. Aammerländische Spezialitäten in urgemütlicher Atmosphäre,

Fährkroog, Dreiberger Straße 25, 26160 Bad Zwischenahn-Dreibergen, Telefon 04403-8360, www.faehrkroog-dreibergen.de. Reetgedecktes Haus mit Butzenfenstern, Ammerländer Spezialitäten, herrlicher, windgeschützter Biergarten.

Krömerei, An der Krömerei 2, 26655 Westerstede, Telefon 04488-5204290, www.kroemerei.de. Leckere Speisen – spannende Mischung zwischen modern und historisch, ambitionierte Küche, im Sommer herrlicher Biergarten,

Rhodos, August-Hinrichs-Straße 12, 26215 Wiefelstede, Telefon 04402-60220, www.rhodos-wiefelstede.de. Griechische Speisen in modernem Ambiente, frisch, appetitlich, viele Stammgäste.

Bauernhofcafé, Janßen Hof, Pantinenweg 6, 26180 Rastede, Telefon 04402-2482, http://janssen-hof.de. Die besten Torten des Ammerlandes, hausgebacken,

Aussichts- und Picknick-Platz in einem: Die Landschaftsfenster im Ammerland. (Foto: Ulrike Katrin Peters)
Aussichts- und Picknick-Platz in einem: Die Landschaftsfenster im Ammerland. (Foto: Ulrike Katrin Peters)

Übernachten: Residenz-Hotel Zum Zollhaus, Kleibroker Straße 139, 26180 Rastede, Telefon 04402-9381 0, www.zumzollhaus.de. Ruhig am Ortsrand gelegen, gepflegt, gute Küche,

Hotel Petersen, Auf der Wurth 6, 26160 Bad Zwischenahn, Telefon 04403-93 330, www.hotel-petersen.de. Direkt an der Ammerlandroute gelegen, überdachte Radstellplätze, modern, top-gepflegt, persönliche Atmosphäre,

Hotel Altes Stadthaus, Albert-Post-Platz 21d, 26655 Westerstede, Telefon 04488-84710, www.hotel-altes-stadthaus.de. Nur wenige Meter abseits der Ammerlandroute gelegen, am malerischen Markplatz, historisches Ambiente, gemütlich, historisch, sehr gepflegt, urgemütlicher Biergarten hinter dem Haus.

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Mortimer

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