Die vielen Seiten des Mittelalters – Literarisches zum Konstanzer Konzil-Jubiläum

Blick auf den Konstanzer Hafen mit der Imperia und dem Konzil-Gebäude. (Foto:
Blick auf den Konstanzer Hafen mit der Imperia und dem Konzil-Gebäude. (Foto:

Der Mittelalterpoet Oswald von Wolkenstein beschreibt Konstanz vor 600 Jahren als „wunnikliches Paradis“. Damals kamen die Kleriker und Intellektuellen in die Stadt, um hier bei einem Konzil die Kirche zu einen. Weitgehend unbekannt ist, dass auch die weltlichen Schreibstuben Hochkonjunktur hatten, als das Herz Europas am Bodensee schlug. Dante Alighieris Göttliche Komödie wurde in Konstanz gleich dutzendfach kopiert und trat von hier aus ihren Siegeszug in die Wohnzimmer des Bildungsbürgertums an. Heute dient das Konzilgeschehen als Kulisse für mehrere historische Romane: Neben dem Bestseller „Die Wanderhure“ gibt es einen neuen Konzilkrimi, literarische Events und Führungen. Konstanz zwischen den Zeilen entdecken – das ging noch nie so gut wie jetzt zum Konziljubiläum.

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Oswald von Wolkenstein

Nun soll Konstanz ein weiteres Mal der Ort werden, an dem Schriftsteller und andere kluge Köpfe sich treffen und ihre Ideen in die Welt hinaus tragen. Vom 11. bis 14. September 2014 nehmen sich Literaten aus sechs Ländern aktuelle Fragen und Probleme vor. Bei dem vom Kulturbüro Konstanz veranstalteten Literaturfestival „Aufs Äußerste, Europa!“ steht die Suche nach Wurzeln und nach neuen, funktionierenden Identitäten in einer globalisierten Welt im Mittelpunkt. Die modernen Glaubensfragen drehen sich weniger um Religion als um Krieg und Frieden oder die Vereinbarkeit von Arbeit und Familien. Der Vorverkauf für internationale Tandem-Lesungen, Gespräche und Diskussionen läuft bereits beim Konstanzer Kulturbüro.

Die literarische Tradition der Stadt ist lang, bereits das Konstanzer Konzil vor 600 Jahren hatte einen aktuellen Berichterstatter: Ulrich Richental. Der Konstanzer Bürger schrieb seine Beobachtungen auf, 16 zum Teil illustrierte Abschriften und frühe Drucke seiner Chronik sind bis heute erhalten. Richentals Ambitionen reichen durchaus auch ins Literarische, er sammelte Anekdoten und schweifte für eine gute Story auch einmal ein bisschen ab. Für die Neuauflage der Konstanzer Abschrift wurde ein hochauflösender Scan gemacht, das Ergebnis ist ein gut drei Kilo schwerer, farbenfroher Prachtband.

Bisher eignete sich die Konzilchronik für die meisten allerdings nur als mittelalterliches Bilderbuch. Erst im Juni kam die Übersetzung des Textes in ein heutiges Deutsch auf den Markt. Erschienen ist sie unter dem Titel „Augenzeuge des Konstanzer Konzils“. Übersetzt hat Konzilexperte Henry Gerlach. Er hat gemeinsam mit seiner Frau Monika Küble auch den ersten Konzilkrimi geschrieben, „In Nomine Diaboli“. Sechs Jahre tüftelten die beiden an dem in historische Fakten eingebetteten Plott, in dem es um ein ungewöhnliches Ermittlertrio geht. Der junge Bäcker Cunrat Wolgemut, sein italienischer Kollege Giovanni Rossi und der venezianische Humanist Poggio Bracciolini decken gemeinsam eine Mordserie auf. Der Gmeiner Verlag musste bereits vier Mal nachdrucken lassen.

So soll dereinst Ulrich Richental ausgesehen haben. (Fotos: Tourist Information Konstanz)
So soll dereinst Ulrich Richental ausgesehen haben. (Fotos: Tourist Information Konstanz)

Weniger faktentreu, aber auch rund ums Konzil in Konstanz hat Iny Lorentz ihre Geschichte der Wanderhure angesiedelt. Dem Bestseller folgten weitere Bände, eine Verfilmung – und inzwischen führt eine Schauspielerin regelmäßig als Wanderhure durch die Stadt. 700 Hübschlerinnen hat Ulrich Richental in seiner Chronik gezählt, eine Zahl, die bei keiner Stadtführung unterschlagen wird. Einer literarischem Vorlage bediente sich auch der Skandal-Bildhauer Peter Lenk bei der leicht bekleideten Gallionsfigur der Stadt. Für seine neue Meter hohe Dame im Konstanzer Hafen stand „Die schöne Imperia“ aus Honoré de Balzacs Tolldreisten Geschichten Pate.

Die Vielfalt der literarischen Quellen rund ums Konstanzer Konzil stellt den geneigten Leser vor die Qual der Wahl. Was lesen, wo anfangen? Das Lesebuch zum 600-jährigen Jubiläum „Die Gans ist noch nicht gebraten“ versammelt Auszüge von verschiedenen Autoren unter einem Buchrücken. Frühe Chroniken finden sich hier ebenso wie literarische Zeugnisse der Folgejahre bis in die Gegenwart. Die aktuellste ist aus dem Jahr 2014, denn auch die Macher des Konziltheaterstücks „Konstanz am Meer“ gaben den Herausgebern Siegmund Kopitzki und Waltraut Liebl eine Textprobe zur Veröffentlichung. Weitere Informationen unter www.konstanz-tourismus.de.

Buchtipp: Mike Bartel: Torkelnd um den Bodensee – Schräge Menschen in ihrem natürlichen Umfeld, ISBN: 978-3-939408-20-8, Westflügel Verlag. Erhältlich ist die amüsante Reise um den Bodensee für 11,95 Euro im Buchhandel oder direkt unter www.westfluegel-verlag.de.

Tipp: Die schönsten Impressionen aus der Region hat Autor Karsten-Thilo Raab unter dem Titel „Faszination Bodensee“ in einem Wandkalender zusammengestellt. Erhältlich ist dieser in den Formaten A2 bis A5 je nach Größe für 18,90 bis 49,90 Euro im Buchhandel sowie unter anderem bei Amazon oder im Kalendershop des Mortimer Reisemagazins.

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