Wandeln auf Pfaden der Vergangenheit, wohnen wie ein König, träumen im Himmelbett, tafeln wie ein Fürst – Schlossleben in Burgund! Kein frommer Wunsch für Besucher der historischen Bauten und Anlagen, auch der unbekannteren. Nah beieinander, doch unverwechselbar sind sie wahre Schatztruhen, randvoll mit Kultur: Kunst, Konzerte, open-air-Spektakel, Jagdausflüge bringen Leben in die Prachtbauten, und auch die immens wichtigen Euros zur Instandhaltung.
Im stillen Saint Fargeau gleich hinter dem Markt stoppen das Auge zwei kompakte Rundtürme mit einer hohen Eingangstür zum eleganten, weitläufigen Ehrenhof des Château Saint-Fargeau. Von der Freitreppe kommt die besondere Architektur des 1.000 Jahre alten Festungsschlosses in den Blick. Aus einer befestigten Jagdhütte wurde Jahrhunderte später die fünfeckige Anlage mit sechs Türmen, 750.000 Dachpfannen und 350 Zimmern.
Im 17. Jahrhundert wirbelte die junge „Wilde“, Anne-Marie Louise d’Orléans, das Schlossleben gewaltig auf. Die Cousine des minderjährigen Königs Ludwig XIV. revoltierte mit anderen Adligen gegen das Königshaus. Auf die königliche Armee soll sie sogar Kanonen abgefeuert haben. Das brachte ihr die Verbannung vom Hofe und fünf Jahre Exil in Saint Fargeau.
Ein weiteres Ärgernis, sie ließ sich partout nicht verheiraten! „Schön war sie nicht, aber reich“, schmunzelt Schlossführerin Francoise. Als Erbin des Herzogtums Montpensier wurde „La Grande Mademoiselle“ die reichste Frau Frankreichs und hat mit ihrem Geld die Burg in eines der schönsten Schlösser im Stil des französischen Klassizismus verwandelt.
Die Schlossherren heute, die Brüder Jacques und Michel Guyot, widmen ihr ganzes Leben dem Château. Jede Eintrittskarte zu den Privaträumen und dem 120 Hektar großen englischen Park ist vier Ziegel wert. Michel hatte auch die Idee, eine mittelalterliche Burg nachzubauen. Seit nunmehr 24 Jahren mauern, tischlern und malern Menschen aus der Gegend um Guédelon mit großer Leidenschaft und ausschließlich mit Materialien aus der Region und mit Werkzeugen nach historischen Vorbildern.
Weiter geht es nach Vermenton. Es grüßt das Zisterzienserkloster Abbaye de Reigny aus dem 12. Jahrhundert, eine Gründung Bernhards von Clairvaux, damals mächtig und wohlhabend mit zeitweise 300 Mönchen. Inmitten leuchtender Buchsbaumhecken winkt Gastgeberin Béatrice Mauvais ihre Gäste heran, souverän und höchstcharmant.
„Was würden Sie machen, wenn sie von den Schwiegereltern eine Abtei mit 120 Hektar Waldfläche über Nacht erben, die auch noch stark nach Restaurierung schreit?“, fragt sie lächelnd während unseres Rundgangs. Die Familie – Ehemann Louis-Marie und vier Kinder – entschied, von Paris hierher ins Departement Yonne umzusiedeln – keiner hat es bereut.
Mit Stil und Liebe zum Detail verwandelten die Mauvais das Kloster in ihr Domizil sowie in ein Guesthouse mit fünf Zimmern, mit antiken Möbeln, intim, menschlich. Das Ambiente gefiel auch Coco Chanel, der Mode-Ikone der Dreißiger. Nach ihren Jagdausritten träumte sie in „ihrem“ Eckzimmer vielleicht von ihrem berühmten „Kleinen Schwarzen“.
Im gotischen Refektorium finden Hochzeiten und rauschende Bälle einen würdigen Rahmen. In der Küche kreiert Louis-Marie Gerichte als kulinarische Spiegelbilder der Landschaft zwischen Orléans und Dijon. Desserts werden gern auf der Terrasse serviert mit Blick auf Taubenturm, die Eichen, Buchen und Kiefern. Nahe gelegen ist das romanische Glanzstück, die Kirche Sainte-Madeleine in Vézelay.
Bei Chablis, in einem 50 Hektar großen Park, leuchtet auf quadratischem Grundriss die helle Fassade des Château Ancy-le-Franc im italienischen Renaissancestil. Ein Meisterwerk des Italieners Serlio, als bester Architekt der Renaissance gerühmt. Prunk und Pracht überall: im Innern eine der größten Sammlungen von Wandmalereien in Frankreich; Wohnräume, Skulpturensaal, alles Meisterstücke. Marquis von Louvois, Kriegsminister des Sonnenkönigs, machte das Schloss Ende des 17. Jahrhunderts zu seinem Versailles.
Weiterfahren, riechen, reden, schauen. Auf einer Hochebene in einer Schleife des Armancon thront Saumur en Auxois, ein mittelalterlicher 4.000-Seelenort mit roten Dächern und historischer Altstadt. Man spaziert auf altem Pflaster, passiert kleine Fachwerkhäuser, lauschige Plätze und einen gewaltigen Belfried. Abends auf einer Terrasse mit Blick auf die wuchtigen Türme der Burg wird ein 5-Gänge-Menü mit Chablis serviert, vorab ein Aligoté mit einem Schuss Crème de Cassis, dem schwarzen Johannesbeerlikör der Côte d’Or.
Graf Roger de Rabutin war der Casanova von Burgund! Sein „Unwesen“ trieb der Soldat, Höfling und Schriftsteller im 17. Jahrhundert auf dem Renaissance-Feudalschloss Bussy-Rabutin. Dorthin wurde er verbannt, weil er verschlüsselt Liebesgeschichten des Hofes ausgeplaudert hatte. Die Liebe war ewig sein Thema: er flirtete mit den Hofdamen, verführte seine schöne Cousine Madame de Sévigné. Die Liebe hatte zu Zeiten des Sonnenkönigs keine Geheimnisse mehr!
Die Konservatorin begrüßt die Gruppe im Hof von Burg Chateauneuf-en-Auxois südlich von Dijon. Burgherr Chaudenay ließ im 12. Jahrhundert für seinen jüngsten Sohn einen viereckigen Wohnturm errichten. Das war der Anfang der Burgfeste mit riesigen Mauern und zwei viergeschossigen Türmen. Sie gilt als eins der besten Beispiele mittelalterlicher Militärarchitektur. Der Herzog von Burgund belehnte später seinen Kämmerer Philippe Pot, der die Feste in eine komfortable Residenz verwandelte, an der gesellschaftliches Leben wie am Hofe von Versailles stattfand.
Chateauneuf – 82 Einwohner! – war schönstes Dorf Frankreichs, nicht weit von den Lagen großer Weine der Côte. Die strengen Fassaden der Häuser aus groben Natursteinen lockern Galerien, Treppen, Türmchen auf, was auf wohltuenden Reichtum schließen ließ. Bauherren waren nicht Bauern oder Handwerker, es waren reiche Weinhändler und Kaufleute aus Beaune und Dijon.
Dijon – die Hauptstadt von Burgund! Die Großen Herzöge brachten ihr Land im ausgehenden Mittelalter zu einer europäischen Großmacht. „Welch herrliche Stadt, die Stadt der hundert Kirchtürme“, soll König Franz I. gerufen haben, als er erstmals vor ihren Toren stand. Dabei hatte der Monarch die beeindruckende Fassade der Kirche Notre Dame und das Stadtpalais der Herzöge mit seinen Gärten und Parkanlagen noch gar nicht gesehen.
Nirgendwo ist man dem „leben wie Gott in Frankreich“ näher als in burgundischen Restaurants. Weine wie Aloxe Corton, Meursault, Vosne-Romanée oder Corton Charlemagne haben den Weltruhm der Provinz im Herzen Frankreichs begründet. Egal, wo man sein Geld lässt – eine Enttäuschung wird man kaum erleben. Wer einmal ein Boeuf Bourgignon, ein Filet de Porc à la Moutarde oder den legendären Coq au Vin gekostet hat, kehrt zurück, wieder und wieder…
Informaionen: www.de.bourgognefranchecomte.com; www.france.fr
Anreise: Per Flieger nach Paris Orly, weiter mit dem TGV; bequemer mit dem Auto/Mietwagen in die Bourgogne Franche Comté; Rückreise von Dijon mit dem TGV zum Flughafen Paris Charles de Gaulle.
Wohnen: Stilvoll wohnen können Reisende in historischen Hotels: z.B. Hôtel de la Côte d’Or; Relais du Châteaux, Herrenhäuser, z.B. Les grands chênes in St. Fargeau; in der Abtei de Reigny in Vermenton; Hôtel Philippe Le Bon in Dijon u.a.
Rumkommen: In den Regionen überall gute Restaurants: z.B die „Cuisine de la Fontaignotte“ in Semur en Auxois; die „Auberge du Marronier“ in Chateauneuf; sehr gut auch die Hotel-Restaurants.
Mitbringsel: Wein bei den Winzern, günstiger in Einkaufszentren. Aus Dijon Senf, Gewürzbrot, die berühmten Nonnettes, handgeschöpfter Käse, Kastanienhonig.
Reiseführer: DuMont-Kunst-Reiseführer „Burgund“, 25,90 Euro; Baedeker „Burgund“ mit großer Reisekarte, 22,99 Euro
Katharina Büttel
lebt und arbeitet als freie Reisejournalistin in Berlin. Über 30 Jahre reist sie für ihre Reportagen und Fotos um die Welt – seit vielen Jahren veröffentlicht sie auch im Mortimer-Reisemagazin.