Zu Besuch in Istanbuls Cağaloğlu Hamam – 60 Minuten, die sich gewaschen haben

Seit ottomanischer Zeit weitgehend unverändert: das Cağaloğlu Hamam in Istanbul. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Seit ottomanischer Zeit weitgehend unverändert: das Cağaloğlu Hamam in Istanbul. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Früher waren es vornehmlich Gläubige und Menschen ohne eigenes Bad, die hierher kamen. Später folgten die Stars und Sternchen, Reichen, Gekrönten und Gefönten aus Adel, Politik, Sport und Showbusiness. Der Bogen spannt sich von Kaiser Wilhelm II., Englands König Edward VIII. und Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk über Komponist Franz Liszt, Rennfahrer Jenson Button, Queen-Gitarrist Brian May und Supermodel Kate Moss bis hin zu Schauspielern wie Omar Sharif, Tony Curtis, John Travolta oder Cameron Diaz. Sie alle ließen sich im Cağaloğlu Hamami in die Geheimnisse der türkischen Badekultur einführen.

Das Badehaus mit seiner prächtigen Hauptkuppel ließ Sultan Mahmut I. im Jahre 1741 einen Steinwurf entfernt vom Großen Basar im Herzen der türkischen Millionenmetropole Istanbul errichten. Mit den Einnahmen sollte die Bibliothek des Herrschers in der Hagia Sophia finanziert werden. Und obschon der Zahn der Zeit im Laufe der Jahrhunderte hier und da unverkennbar an dem Prachtbau nagte, gilt das nach Plänen von Süleyman Ağa errichtete Hamam nicht von ungefähr als eines der schönsten weltweit. Wohl auch, weil das Gros des Gebäudes seit osmanischer Zeit unverändert blieb.

Ein Tellak wartet auf seinen nächsten Badegast. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Ein Tellak wartet auf seinen nächsten Badegast. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Früher gingen alle gläubigen Türken regelmäßig in den Hamam, heute ist dies für uns auch eher Luxus und Entspannung“, verweist Faruk Ayaz auf die Tatsache, dass in längst vergangenen Zeiten viele kein eigenes Bad besaßen, aber als Gläubige rein sein mussten und schon deshalb die Badehäuser aufsuchten. Vor allem freitags vormittags waren die türkischen Badehäuser stark frequentiert von Männern, die sich reinigen wollten, bevor sie zum wichtigsten islamischen Gebet in die Moschee gingen, erläutert der in Nordenham geborene Deutsch-Türke.

„Lange Zeit war der Hamam für viele Männer und Frauen einer der wichtigsten Treffpunkte. Hier wurden Geschäfte gemacht und von den Müttern gerne auch die potentiellen Schwiegertöchter einmal ohne Schleier und Klamotten prüfend in Augenschein genommen“, betont der in Istanbul lebende Familienvater die soziale Komponente des Gemeinschaftsbades. Und tatsächlich gehören zum Hamambesuch – anders als beispielsweise bei einem Saunagang in Deutschland, wo Wert auf große Ruhe gelegt wird – ein gepflegter Small Talk ebenso wie eine tüchtige Abreibung. Doch dazu später mehr.

Wie die meisten historischen Badehäuser ist Cağaloğlu ein so genanntes çifte hamam, ein Doppelbad mit separatem Bereich für Männer und Frauen. Von der Straße aus führen von dem eher unscheinbaren Eingang ein paar Stufen hinunter in einen schlauchförmigen Gang. Dieser mündet im Camekan. Unter der mächtigen Kuppel des Eingangsportals befinden sich neben einem zentralen Brunnen der Kassenbereich, aber auch auf zwei Ebenen abschließbare Holzeinbauten als Umkleidekabinen. Die kleinen Kammern sind schlicht und schmucklos, verfügen über eine kleine Liege, einen Spiegel und ein paar Kleiderhaken. Auf der Pritsche liegt ein dünnes, kariertes Tuch, das Peştemal, eine Art Lendenschurz, den man sich so um den Körper wickeln sollte, dass die intimsten Stellen verdeckt sind. 

Der Eingangsbereich des Cağaloğlu Hamam vereint des Glanz längst vergangener Jahrhunderte. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Der Eingangsbereich des Cağaloğlu Hamam vereint des Glanz längst vergangener Jahrhunderte. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Vor der Umkleide stehen ein paar Holzlatschen bereit. Yuzuf, ein Bademeister mit stattlichem Bäuchlein, nacktem Oberkörper und Beinen sowie einem Handtuch um die Hüften wartet schon vor der Tür. Deutsch und Englisch gehören nicht zu den Stärken des „Tellak“, wie die Mischung aus Bademeister und Masseur offiziell heißt. Und so deutet er mit einem Lächeln und der ausgestreckten Hand den Weg zum Soğukluk, dem Kaltbaderaum, an. Kalt ist es in dem von sieben Tonnengewölben überdeckten Raum beileibe nicht. Bei 28 bis 30 Grad Celsius folgt hier zunächst die Vorreinigung, bevor es in das Herzstück des Hamam, in den Hararet, den Schwitzraum, geht.

„Einen Hamam zu besuchen, ist ein Fest für die Seele und Entspannung pur“, schwärmt der inzwischen schweißgebadete Faruk. Eine Viertelstunde gilt es, im rund 40 Grad heißen Hararet auszuhalten, um so die Hautporen richtig zu öffnen.

Der Besuch des Hamams ist eine Wohltat für Leib und Seele.
Der Besuch des Hamams ist eine Wohltat für Leib und Seele.

„Nach der Schwitzkur wird man entweder mit einem Handschuh aus verwobenem Ziegenhaar, Kese genannt, oder mit einer getrockneter Zucchini sauber geschrubbt, was durchaus schmerzhaft sein kann“, gibt Faruk einen Ausblick auf die Dinge, die da kommen. Die skeptischen Blicke der Hamam-Novizen sind ihm aber scheinbar nicht entgangen. Sofort schiebt er ein paar beschwichtigende Worte nach: „Keine Angst, mit Touristen gehen die Bademänner und -frauen deutlich wenige rau um, als mit Einheimischen“, verspricht Faruk eine Wohltat für Leib und Seele mit Peeling-Effekt. Und er soll Recht behalten.

Wie aus dem Nichts taucht wenig später Yuzuf in den Nebelschwaden des Hararets wieder auf. Mit einem kleinen Wink bittet er zurück in den Soğukluk, genauer gesagt in einer der kleinen Waschnischen. Sofort begibt sich der wortkarge Tellak ans Werk. Mit dem Ziegenhaarlappen schrubbt er den gesamten Körper ab. Und Faruk sollte Recht behalten. Dies ist alles andere als schmerzhaft, sondern eine im wahrsten Sinne des Wortes willkommene Abreibung – was für Yuzuf durchaus eine schweißtreibende Angelegenheit ist, zumal er zwei- bis dreimal pro Stunde einen Badegast abschrubben muss.

Mit Handtüchern und Lendenschruz ausgestattet geht es in Herz des Cağaloğlu Hamams. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Mit Handtüchern und Lendenschruz ausgestattet geht es in Herz des Cağaloğlu Hamams. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Schließlich legt Yuzuf den Kese beiseite, greift zu einer kleinen Schüssel und taucht diese immer wieder in ein kleines Waschbecken, um es mit Wasser zu füllen und dann über dem Badegast auszukippen. Doch dies war quasi nur der Vorwaschgang. Nun wäscht Yuzuf den ganzen Körper von den Fußspitzen bis zu den Haaren mit duftendem Schaum ab.

Nur den Intimbereich lässt er aus. Stattdessen reicht er eine Schüssel mit der Waschlotion, lächelt und sagt: „Selfservice!“ Und vermutlich sind die meisten froh, diese Körperstellen selber waschen zu dürfen. Vorher klopft Yuzuf noch auf den kleinen, eigentlich natürlich nicht vorhandenen Bauchansatz, sagt: „Kebab“ und lacht. Unklar ist, ob er der Meinung ist, da müssen viele Kebabs drin sein, oder ob er sagen wollte, da müsste schnell ein Kebab rein.

Schrumpel-Hände sind nach 60 Minuten Behandlung im Cağaloğlu Hamam der Normalzustand. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Schrumpel-Hände sind nach 60 Minuten Behandlung im Cağaloğlu Hamam der Normalzustand. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Noch einmal werden ganze Wasserfälle becherweise über den Körper gegossen, um den Schaum abzuwaschen. Nun bietet Yuzuf, sich auf den achteckigen, kniehohen Liegepodest aus Marmor, dem Göbek taşi, zu legen, bevor er mit einer Ganzkörpermassage beginnt. Und keine Frage, die Wirkung von heißer Luft, kaltem Wasser und kräftigen Händen ist eine Wohltat.

Uralte Steine und Marmor prägen auch den Eingangsbereich zum Cağaloğlu Hamam. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Uralte Steine und Marmor prägen auch den Eingangsbereich zum Cağaloğlu Hamam. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Nach getaner Arbeit deutet der Tellak an, dass es nun Zeit sei, unter der mächtigen, von 16 Säulen getragenen Kuppel einfach ein Weilchen zu entspannen und die Seele baumeln zu lassen. Der warme Marmor des Göbek taşi und die zarten Sonnenstrahlen, die durch die Glaslinsen der Kuppel dringen, sorgen für weitere Entspannung an einem Ort, der schon für die Verfilmung des „Indiana Jones“ Abenteuers als Kulisse diente. Herrlicher lässt sich wohl kaum in einem Tagtraum abtauchen, während in den umliegenden Waschnischen nackte Leiben geschrubbt und eingeseift werden. Die Nebelschwaden rund um den Marmorpodest sorgen dabei dafür, dass der Hamam so wirkt, als sei er komplett in einen Weichzeichner getaucht.

Beim Rausgehen hilft Yuzuf galant einen neuen, trockenen Lendenschurz umzulegen, hüllt geschickt ein Handtuch um Oberkörper und Kopf, massiert noch schnell die Stirn und die Schläfen, bevor er ebenso wortkarg den Weg zurück zur Umkleide weist. Erschöpft wie nach einem langen Marsch, aber glücklich und entspannt endet die Premiere im Hamam. Als kleine Erinnerung wirkt die Haut noch Stunden später wie Seide, während man sich selber eher herrlich seidenmatt fühlt.

Prachtbau in Istanbul: die Hagia Sophia.
Prachtbau in Istanbul: die Hagia Sophia, deren Bibliothek in längst vergangenen Zeiten durch Einnahmen aus dem Cağaloğlu Hamam mitfinanziert wurde.

Informationen: Cağaloğlu Hamami, Prof. Kazım İsmail Gürkan Caddesi 24, Cağaloğlu, Istanbul, Telefon 0090-212-5222423, info@cagalogluhamami.com.tr, www.cagalogluhamami.com.tr

Öffnungszeiten: Das Hamam ist täglich von 8 bis 22 Uhr geöffnet.

Preise: Die Preise für die verschiedenen Behandlungs- und Anwendungen liegen zwischen umgerechnet 30 und 110 Euro. Ein kompletter Badeservice mit Türkischer Massage, Ganzkörperpeeling und Schrubben kostet beispielsweise umgerechnet 50 Euro. Der „Sultan Mahmut Service“ mit Schrubben, Trocken- und Seifenmassage durch zwei Badehelfer liegt bei 110 Euro.

Musiker im Neyzen Restaurant in Istanbul. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Musiker im Neyzen Restaurant in Istanbul. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Tipp: Wer ein edleres Ambiente bevorzugt, sollte das Ayasofya Hürrem Sultan Hamami besuchen. Dieses Badehaus aus dem 16. Jahrhundert liegt unmittelbar neben der Hagia Sophia und wurde zu einem Luxus-Hamam umgebaut: Ayasofya Hürrem Sultan Hamami, Cankurtaran Mahallesi, Ayasofya Meydani 2, Faith, Istanbul, Telefon 0090-(0)212-5173535, www.ayasofyahamami.com.

Flug: Turkish Airlines bietet von 17 deutschen Flughäfen Direktflüge nach Istanbul an. Die Flugzeit beträgt rund drei Stunden. Der Preis für Hin- und Rückflug liegt bei rund 180 Euro pro Person. Weitere Informationen und Buchungen unter www.turkishairlines.de.

Einreise: Für die Einreise in die Türkei genügt der Personalausweis.

Währung: Zahlungsmittel ist die Türkische Lira (TRY). Ein Euro entspricht rund 2.800 TRY.

Stromversorgung: Die normalen Stecken können ohne Adapter genutzt werden.

Essen & Trinken: Neyzen Restaurant, Capariz Sk 10/2, Kumkapi, Istanbul, Telefon 0090-(0)212-5172293, www.kumkapirestaurants.com. Das unweit des Marmarameeres im „Fischerdorf“ Eminönü gelegene Lokal gilt als eines der beliebtesten Fischlokale der Stadt.

Zeitlos und stilvoll: die Ausstattung des Rixos Pera Hotels in Istanbul. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Zeitlos und stilvoll: die Ausstattung des Rixos Pera Hotels in Istanbul. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Hamdi Restaurant, Tahmis Caddesi Kalçın Sokak 11, Eminönü, Istanbul, Telefon 0090-(0)533-6588011. Türkische Spezialitäten mit traumhaften Blick auf das Goldene Horn, die Mutter Moschee sowie den Gewürz-Basar und den Ägyptischen Basar.

Übernachten: Hotel Rixos Pera Istanbul, Kamerhatun Mah. Mesrutiyet Caddesi 44, Tepebasi, Istanbul 3444. Das Fünf-Sterne-Hotel liegt in der Istanbuler Neustadt einen Steinwurf von der Fußgängerzone Istiklal Caddesi entfernt. Vom Restaurant auf dem Dach bieten sich herrliche Blicke auf das Goldene Horn. Buchbar ist das Hotel ab 67 Euro pro Person inklusive Frühstück unter www.fti.de.

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