„Schaut nach oben“, flüstert John. Er deutet in den Baumwipfel. Ein kleiner geringelter Schwanz lugt daraus hervor. Darüber sind ein paar schwarze Augen zu erkennen. Und schließlich sehen wir es ganz: Ein Languren-Äffchen turnt zusammen mit seiner Horde durch ein dichtes Lianengewächs.
Wir befinden uns mit einer kleinen Gruppe Touristen im Herzen des Gunung-Leuser-Nationalparks im Norden Sumatras, das Teil von Indonesien ist. John, unser Ranger, hatte alle anfangs ermahnt, dicht beisammen zu bleiben. Damit niemand verloren geht, wenn die Dämmerung anbricht. Das 9000 Quadratkilometer umfassende Schutzgebiet auf der westlichen Hauptinsel Indonesiens ist Rückzugsort für bedrohte Tierarten: Hier leben der Sumatra-Tiger, das Sumatra-Nashorn – und natürlich Orang-Utans, die friedlichen „Waldmenschen“, was „Orang-Utan“ übersetzt bedeutet.
Wir haben eine kurze Tour durch den märchenhaften Dschungel gewählt. Möglich sind aber auch mehrtägige Ausflüge mit Elefantenritt oder Wildwasserfahrt sowie einem Besuch der Orang-Utan-Auswilderungsstation in Bukit Lawang. Die verschiedensten Anbieter führen diesen sanften Tourismus durch, der Besuchern die Artenvielfalt Indonesiens zeigt.
Das milde Äquatorialklima und der vulkanische, mineralreiche Boden lassen über 30.000 Pflanzenarten gedeihen. Etwa 3.000 verschiedene Säuger, Vögel und Reptilien leben hier.
Brandrodung für Palmölplantagen und Holzhersteller bedroht die letzten Bestände des Regenwaldes auf Sumatra und Borneo – und damit auch die indigenen Völker, die hier leben. Mancherorts passiert jedoch etwas Unerwartetes: In der Provinz Jambi beispielsweise kauften mehrere Naturschutzorganisationen die Einschlaglizenz für ein 500 Quadratkilometer großes Gebiet. Sie wollen zeigen, dass sich eine friedliche Waldnutzung und Artenvielfalt nicht ausschließen.
Der Wald trägt den Namen „Harapan“, das indonesische Wort für Hoffnung. Das hier heimische Nomadenvolk Batin Sembilan kann weiter vom Wald leben; viele Menschen aus den umliegenden Dörfern fanden einen Job als Ranger, der Tourismus bringt zusätzliche Einnahmen. Die Indonesische Regierung ist zufrieden mit dem Projekt – und verdoppelte die Fläche.
Im Leuser Park stapft unsere kleine Gruppe vorbei an sumpfigen, dicht bewachsenen Tümpeln und Baumriesen, deren Kronen in den Wolken zu thronen scheinen. Orchideen zeigen ihre weiß-magentafarbenen Blüten; ein handtellergroßer Schmetterling nascht Nektar aus einem Hibiskus. Dann geht es einen steilen Hügel hinauf.
Wir fahren zurück nach Medan. Die Hauptstadt der nördlichen Provinz Sumatera Utara bietet einen guten Ausgangspunkt für Besuche im Leuser Park.
Für mich heißt es nun, allein weiter reisen in Richtung Süden. Ich bin auf eigene Faust nach Indonesien geflogen, möchte einen winzigen Eindruck vom größten Inselstaat der Erde gewinnen. Über 17.500 Eilande umfasst die Republik. Der Äquator läuft mitten hindurch. Zudem liegt sie auf zwei Kontinenten. Die Hauptinseln Sumatra, Java, Sulawesi und der indonesische Teil Borneos gehören zu Asien, der Landesteil auf Neuguinea dagegen zu Australien.
Mein Weg führt mich zum Tobasee. Der gigantische Seekessel entstand aus einem der heftigsten Vulkanausbrüche, die je auf der Erde stattfanden. Er liegt inmitten einer grandiosen Landschaft aus Vulkanen und Wäldern. Hier leben auch die Batak, einer von mehreren altmalaiischen Volksstämmen, die sich ihre Jahrtausende alte Kultur bis heute erhalten haben. Eindrucksvoll sind ihre Häuser auf Pfahlbauten mit riesigen, geschwungenen Satteldächern.
Inmitten dieser Kulisse finde ich mein persönliches Eldorado: ein einfaches Gästehaus, versteckt zwischen Palmen, an einem kleinen Wasserlauf. Zierliche Nachen huschen darauf vorbei – und geben nur manchmal einen Blick in ihr Inneres preis. Mein freundlicher Gastgeber bereitet uns ein bescheidenes, dafür umso köstlicheres Mahl: Klebreis mit frischem Gemüse. Wir speisen auf der Terrasse und verständigen uns durch Lächeln und Handzeichen.
Abends schwirren Fledermäuse über unsere Köpfe, zarte Nebelschwaden steigen wie von Geisterhand gezogen vom Wasser auf. Dieser Anblick und dazu ein seltsames Konzert aus Insektensummen, Vogelgezwitscher und Töpfeklappern im Haus lässt mich innerlich zur Ruhe kommen. Es ist ein Ort, der ohne viel Brimborium auf die Seele wirkt wie ein Luxus-SPA.
In der Nacht weckt mich ein Hahn, lange vor dem Frühstück. Ich befürchte schon – wie ich es vom singfreudigen Gockel aus meiner niedersächsischen Heimat kenne – dass er ab jetzt im Sekundentakt kräht. Doch zum Glück scheint er wieder eingeschlafen zu sein. Erst viel später erklingt sein „Kikeriki“ erneut.
Dann heißt es Abschied nehmen. Zurück in Medan nehme ich den Flieger nach Jakarta. Wer mehr Zeit eingeplant hat, sollte unbedingt einen Abstecher an die Westküste Sumatras machen. Das Barisangebirge erstreckt sich hier reizvoll zum Teil bis ans Meer. Die Küstenstraße zwischen dem Surferparadies Padang und Bengkulu gehört mit zu den schönsten der Welt.
Die 40 Kilometer breite Sundastraße trennt Sumatra von Java. Einige Vulkaninseln liegen versprenkelt dazwischen. Nun stehe ich auf einer Straßenkreuzung in Jakarta und fühle mich zuerst sehr verloren. Größer könnte der Kontrast zu meinem letzten Aufenthalt nicht sein. Mit ihren 9,6 Millionen Einwohnern ist Indonesiens Hauptstadt ein Schmelztiegel verschiedenster Kulturen und Religionen.
80 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Chinesen, Inder, Portugiesen und Araber sind nur einige, die ihre Einflüsse hierher brachten. Das merkt man nicht zuletzt am facettenreichen Essen. In den großen Restaurants jedoch speist man nicht zwingend am feinsten.
Himmlisches Nasi Goreng esse ich in einer winzigen Garküche, zusammen mit zwei Malayen. Nach dem Mahl trinken wir vergnügt eine Tasse teh jahe, süßen Ingwertee. Reis – weiß, rot oder schwarz – begleitet zumeist die kleinen Leckerbissen wie gado gado, gedünstetes Gemüse in Erdnuss-Sauce oder Meeresfrucht-Spießchen, beträufelt mit jangkap, einer würzigen Sauce aus Zitronengras, und weiteren Gewürzen.
Ein Grund, dass die Küche in Indonesien derart köstlich ist, sind die fein ausbalancierten Würzmischungen. Einige Zutaten dafür stammen von den Molukken, einer Inselgruppe zwischen Sulawesi und Neuguinea. Sie tragen den Beinamen „Gewürzinseln“ – und beherbergen Schätze wie Muskatnüsse und Nelken.
Lange bleibe ich nicht in Jakarta, sondern stürze mich ins Leben der kulturellen Hochburg: Yogyakarta. Die 500.000 Einwohner zählende Stadt im Süden Javas ist Hot Spot für zeitgenössische Kunst und bietet eine rege Theaterszene. Viele junge Maler sind hier ansässig. Neben den zahlreichen Galerien sind die zum Teil öffentlichen Künstler-Treffs ein heißer Tip. Einer davon ist das Kedai Kebun Forum, wo es neben Ausstellungen auch Lesungen und Theaterexperimente gibt.
Hier verbringe ich einen lustigen Abend zwischen Geplauder, Gesang und abstrakter Ölmalerei. Einen schönen Kontrast dazu bietet das traditionelle Wayang: javanesisches Schattenspiel mit Lederpuppen. Wie ein uraltes Märchen aus 1001 Nacht mutet eine Aufführung an – besonders in ursprünglicher Begleitung von Gamelan-Klängen mit Metallophon, Flöte und Sänger.
Jeweils rund 20 Kilometer von Yogyakarta entfernt liegen zwei der bedeutendsten Tempel des Landes: Die hinduistische Anlage Prambanan mit insgesamt 250 Bauten – und der prachtvolle Tempel Borobodur, die größte buddhistische Anlage Indonesiens. Beide gehören zum Weltkulturerbe der Unesco.
Es lohnt sich, Borobodur am frühen Morgen zu besuchen. Die aufgehende Sonne färbt die gigantischen Steine golden. Touristen sind noch nicht so zahlreich. Perfekt, um den aufwändig gestalteten, viereckigen Bau zu erkunden. Er entstand zwischen den Jahren 778 und 850 und enthält rund 56.000 Kubikmeter Vulkangestein.
Der Gottheit Shiva gewidmet ist Prambanan. Die Anlage wurde im 10. Jahrhundert fertig gestellt und umfasst mehrere Hektar Land. Absolut sehenswert: die filigranen Steinreliefs, welche religiöse Szenen darstellen.
Bali ist außerdem bekannt für seine hervorragenden SPAs. Das Geheimnis der Treatments liegt – neben fachkundigen Masseuren – oft in der frischen Anmischung der Texturen. Naturbelassene Zutaten wie Honig, Zitrone und Aloe spielen dabei die entscheidende Rolle. Nach dem Auftragen der Lotion deckt mich mein Masseur großzügig mit Bananenblättern zu, die kühlend wirken.
Erfrischt zieht es mich nach der Behandlung zum Schnorcheln ans Meer. Die Ostküste eignet sich dafür besonders gut. Beim Dörfchen Tulamben können Taucher und Schnorchler das Wrack der „US Liberty“ erkunden. Der Frachter aus dem Zweiten Weltkrieg liegt in geringer Tiefe, nicht weit vom Strand entfernt.
Davon bekomme ich jedoch gar nichts mit. Zu sehr beschäftigt mich das Unterwasserballett eines Hummers. Dazu gesellt sich eine Wasserschnecke, die über ihren Felsvorsprung kriecht. Es scheint, als hätte gerade sie es von allen Wesen auf dieser Insel am eiligsten.
Infos: www.botschaft-indonesien.de
Beste Reisezeit: Indonesien ist ein Ganzjahresziel. Es herrscht tropisches Monsunklima; das ganze Jahr über ist es feucht-heiß mit durchschnittlich 27 Grad Celsius. Regenzeit ist von Oktober bis April.
Sprache: Indonesisch (Bahasa Indonesia) plus ungefähr 500 weitere eigenständige Sprachen.
Geld: Indonesische Rupiah (IDR). 1 EUR = ca. 12,60 IDR.
Dokumente: Ein noch mindestens sechs Monate gültiger Reisepass plus Visum (25 US-Dollar am Flughafen).
Gesundheit: Standardimpfungen (Tetanus etc.) sollten aktuell sein. Auf Mückenschutz achten, um Denguefieber zu vermeiden.
Essen & Trinken: Reis (Nasi) ist Grundnahrungsmittel in Indonesien. Viele Gerichte werden mit Kokosmilch, scharfen Pfefferschoten und Palmöl zubereitet, gewürzt mit Terasi (Garnelenpaste) und Sambals (Chilipaste), die zu den Gerichten gereicht werden. Spezialitäten sind Nasi Goreng (Reisgericht), Bami Goreng (gebratene Nudeln mit Gemüse und Fleisch), Satay (marinierte Fleischspieße mit Erdnuss-Soße), Krupuk (Krabbenchips). Getrunken werden Fruchtsäfte, Bier (Bitang) und Reiswein (Brem).
Sehenswert: Borobudur, das größte buddhistische Monument der Welt, die hinduistische Tempelanlage Prambanan und der Sultanspalast (Keraton) von Yogyakarta. Jakarta: Nationaldenkmal (137 m hoch), Istiqlal-Moschee. Yogyakarta: Wasserpalast Saman Tari und Vogelmarkt Pasar Burung. Java: Mount Bromo. Bali: Reisterrassen, Tempel. Lombok: Vulkane. Molokken: Kolonialbauten. Sulawesi: Orchideen, Höhlengräber. Sumatra: Gunung Leuser Nationalpark. http://www.mortimer-reisemagazin.de/portugal-wahlt-seine-sieben-kulinarischen-wunder/
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