Hindu-Pracht am Datteln-Hamm-Kanal

(Foto Achim Lueckemeyer/Pixelio)
Nicht nur wie hier während des Tempelfestes herrscht am Sri Kamadchi Ampal Tempel in Hamm ein besonderes Flair. (Foto Achim Lueckemeyer/Pixelio)

Die Gläubigen verbeugen sich beim Betreten des Tempels mit zusammengefalteten Händen, um den Göttern Respekt und Dank zu erweisen. Mit dem tamilischen Gruß „Vanakkam“ heißt Arumugam Paskaran die Gäste im Sri Kamadchi Ampal Tempel, einem der wohl ungewöhnlichsten Bauten im westfälischen Hamm, willkommen. In dem prachtvollen Tempel residieren gemäß Hinduglauben verschiedene Gottheiten. Es riecht nach fremdartigen Gewürzen und frischen Früchten. Ein für die meisten Europäer wohl völlig unverständlicher Sprechgesang des Priesters erklingt und lädt gleichzeitig dazu ein, am Rande des Ruhrgebiets in eine völlig unbekannte Welt abzutauchen.

Gäste sind im Sri Kamadchi Ampal Tempel jederzeit willkommen, sofern sie denn einige simple Grundregel befolgen: So ist das Tragen von Schuhen untersagt, Handys müssen ausgeschaltet sein. Zudem darf weder geraucht, noch Fleisch verzehrt oder Alkohol getrunken werden. Auch Haustiere müssen draußen bleiben. Ferner dürfen Frauen während ihrer Periode aus religiösen Gründen den Tempel nicht betreten. Ansonsten gibt es keinerlei Einschränkungen, sieht man einmal von der Tatsache ab, dass das Betreten der Schreine der Gottheiten allein den Priestern vorbehalten ist.

Ungewöhnlicher Blickfang am Ufer des Datteln-Hamm-Kanals: der Sri Kamadchi Ampal Tempel. (Foto Rainer Halama)
Ungewöhnlicher Blickfang am Ufer des Datteln-Hamm-Kanals: der Sri Kamadchi Ampal Tempel. (Foto Rainer Halama)

Die Geschichte des Tempels ist eng mit der Flucht von zehntausenden Angehörigen der tamilischen Minderheit aus ihrer Heimat Sri Lanka und speziell mit der Person Arumugam Paskarans verbunden. Der Priester war 1985 wie Tausende seiner tamilischen Landesleute aus Sri Lanka, wo ein erbitterter Bürgerkrieg herrschte, geflohen. Auf Umwegen fand Arumugam Paskaran in die westfälische Provinz. In einem Asylbewerberheim in Hamm organisierte der Priester erste Andachten.

Fern der Heimat zogen die „pujas“, wie die religiösen Zeremonien heißen, immer mehr Hindus in ihren Bann. Schnell drohten die Räumlichkeiten aus allen Nähten zu platzen. Aus der Not eine Tugend machend, richtete Arumugam Paskaran im Keller eines Wohnhauses einen ersten provisorischen Tempel ein. Als auch dieser zu klein wurde, erfolgte der Umzug in die Räumlichkeiten einer Wäscherei. Doch in der dortigen Nachbarschaft stießen die religiösen, oftmals auch lauten Zeremonien auf wenig Verständnis. Und so reifte die Idee, einen eigenen Tempel nach der Vorlage und dem Stil des Kamakshi-Tempels im südindischen Kanchipuram zu errichten.

Als Architekt wurde der Hammer Heinz–Rainer Eichhorst mit einer für unsere Breiten doch eher ungewöhnlichen Methode auserkoren: Mit geschlossenen Augen hatte Arumugam Paskaran im Branchenverzeichnis geblättert und war mit dem Finger auf dem Namen Eichhorst gelandet. Der Architekt nahm die Herausforderung an und versuchte den Spagat zwischen deutschen Bauvorschriften und der hinduistischer Tempelsymbolik bestmöglich zu meistern.

Tausende Gläubige kommen jährlich zum Tempelfest ins westfälische Hamm. (Foto Achim Lueckemeyer)
Tausende Gläubige kommen jährlich zum Tempelfest ins westfälische Hamm. (Foto Achim Lueckemeyer)

Rund 1,7 Millionen Euro – allesamt aus Spendengeldern zusammengetragen – flossen in den Bau des 27 mal 27 Meter großen Tempels. Allein das Tempelportal, Gopuram genannt, ist 17 Meter hoch. Im Inneren des gut 700 Quadratmeter großen Tempels sind die Granitstatue der namensgebenden Göttin sowie über 200 weitere Figuren von Gottheiten zu finden. Sri Kamadchi Ampal bedeutet aus dem Sanskrit abgeleitet etwa so viel wie, „die, die Wünsche von den Augen abliest“.

Der Sri Kamadchi Ampal Tempel ist längst zum Wahrzeichen von Hamm geworden. (Foto: Michael Höfner)
Der Sri Kamadchi Ampal Tempel ist längst zum Wahrzeichen von Hamm geworden. (Foto: Michael Höfner)

Die Lage des Tempels unweit des Datteln-Hamm-Kanal wurde bewusst gewählt. In dem künstlichen Gewässer wird das Bildnis der Göttin Kamadchi zum Abschluss des Tempelfestes gewaschen. Das zweiwöchige Fest, zudem jährlich mehrere Zehntausend Hindus nach Hamm pilgern, findet in diesem Jahr zwischen dem 8. und 22. Juni 2015 statt.

Auch für Nicht-Gläubige ist der Besuch des Tempelfestes ein faszinierendes Erlebnis, insbesondere die abschließende Prozession zum Kanal. Gläubige rollen sich dann auf der Straße, Frauen in traditionellen Saris tragen brennende Opferschalen auf dem Kopf und Männer mit Spießen durch Mund und Wangen tanzen sich in Trance und ziehen den Wagen der Göttin Kamadchi bei ihrer vier Kilometer langen Ausfahrt an Seilen um den Tempel herum.

Einen Vorgeschmack auf das traditionelle Tempelfest vermittelt gut sieben Wochen zuvor am 18./19. April 2015 das große Kulturfest am und im Sri Kamadchi Ampal Tempel. Doch auch abseits der Feste lohnt ein Besuch des Tempels. Dieser ist täglich von 8 bis 20 Uhr geöffnet – nur von 14 bis 17 Uhr genießen die Gottheiten eine Erholungspause.

Informationen: Sri Kamadchi Ampal Tempel, Siegenbeckstraße 4-5, 59071 Hamm, Telefon 02388-302223, www.kamadchi-ampal.de


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