Amsterdams Icebar garantiert nicht nur an heißen Tagen eine Abkühlung, sondern steht ganz im Zeichen einer herzerwärmenden Geschichte rund um den Entdecker Willem Barents.
Die Quecksilbersäulen in der niederländischen Millionenstadt Amsterdam haben längst die 30-Grad-Celsius-Marke überschritten. Nahezu jeder scheint unter den muckelig warmen Temperaturen zu ächzen. Und doch stiefeln nicht wenige mit einem dicken Pullover und einer Winterjacke unter dem Arm und einer Wollmütze in der Hand ans Ufer der Amstel – alle mit demselben Ziel:
Nur einen Steinwurf von der Amsterdamer Eremitage (H’ART Museum) und dem Amsterdam Museum entfernt begrüßt ein riesiger, auf den Hinterbeinen stehender Eisbär alle, denen es nach etwas Abkühlung dürstet. Dabei kann das weiße Raubtier als Gruß von Väterchen Frost interpretiert werden oder, besser gesagt, als Einstimmung auf das, was die Kneipengängen im Inneren erwartet. Denn die XtraCold Icebar Amsterdam entpuppt sich im wahrsten Sinne des Wortes als coolste Bar der Grachtenstadt. Und ganz sicher auch als kühlste.
40 Grad Celsius Temperaturunterschied
In der Eisbar selber herrschen Temperaturen zwischen minus sechs und minus zehn Grad Celsius. Aktuell also ein Temperaturunterschied von knapp 40 Grad Celsius. Kein Wunder, dass es zunächst in eine abgedunkelte Bar mit Raumtemperatur geht, um etwaige Kreislaufprobleme zu verhindern und einen ersten Drink zu genießen.
„It’s so exciting“, trällert Stacy mit heller, schriller Tonlage. Die junge Amerikanerin aus Springfield in Illinois, die mit ihrem frisch Angetrauten ihren Honeymoon in Europa genießt, ist beileibe nicht die Einzige, die eine gewisse Aufregung verspürt. Das Gros der Wartenden benetzt die Kehle mit einem Glas Wein oder einem Bier, einige gönnen sich auch einen Cocktail, und philosophieren erwartungsfroh über die Dinge, die sie wohl hinter dem dicken Vorhang unter Stahltür erwarten mag.
Amsterdamned – simply awesome
Stacy gönnt sich einen „Amsterdamned“, einen Cocktail aus Gin, Cranberry-Saft, Pfirsichlikör und frisch gepresstem Limettensaft. „Simply awesome“, ruft Stacy fast schon hysterisch. Dabei ist der Cocktail nicht das Einzige, was sie einfach großartig findet. Die übrigen Gäste, die dem Stimmgewirr nach aus allen Teilen Europas kommen, sind da zurückhaltender, was nicht heißt, dass auch sie nicht voller Vorfreude auf den Abstecher ins Eis sind. Ähnlich wie bei Kinder, die am Heiligen Abend geduldig hinter der verschlossenen Wohnzimmertür ausharren müssen, bis das Christkind mit einer Glocke bimmelt, wächst von Minute zu Minute die Aufregung unter den knapp 40 Gästen in der Lounge Bar.
Dann endlich öffnet sich der Vorhang. Doch statt einer Welt aus Eis warten in dem langen Flur erst einmal Kisten voller Handschuhe und Kleiderständer mit dicken, blauen Mänteln in allen Konfektionsgrößen. Kaum einer, der hier nicht umgehend zugreift, bevor es in die bizarre Welt aus kristallklarem Eis und buntem Licht geht. Die Wände, die Bar, die wenigen Sitzgelegenheiten und sogar die Gläser sind aus gefrorenem Wasser. Dazwischen ducken sich kunstvolle Eisskulpturen, eingefrorene (künstliche) Fische und Teile eines Schiffswracks.
Das Schicksal des Entdeckers
„Willkommen in der Arktis“, lächelt Mees. Und während der Barkeeper Bier, Sambuca oder Vodka mit verschiedenen Aromen in die bereitstehenden Eisgläser gießt, lädt er verbal zu einer kleinen Expedition in die Vergangenheit ein. Denn das Setting der Icebar ist eng an das Schicksal Willem Barents (auch Barentsz) angelehnt. Der niederländische Entdecker unternahm Ende des 16. Jahrhunderts mehrere Expeditionsreisen in den hohen Norden, um die Nordostpassage als vermeintliche Abkürzung auf dem Weg nach Indien zu erkunden.
Nach dem zwei Erkundungstouren in den Jahren 1594 und 1595 aufgrund der schwierigen Wetterbedingungen abgebrochen wurde, startete Willem Barents im Mai 1596 einen weiteren, schicksalshaften Versuch, den Seeweg nach Indien über den Nordpol einzuschlagen. In der Nähe der Insel Nova Zembla blieb das Schiff schließlich im Eis stecken. Es gab weder ein vor noch ein zurück. Mit Schiffsteilen errichtete die 16 Mann starke Crew eine provisorische Hütte, die sie schlicht „Het Behouden Huys“, das gerettete Haus, nannten.
Flucht vor Eisbären und Kälte
„Die extreme Kälte und die große Zahl angriffslustiger Eisbären führte schließlich dazu, dass Barents und seine Leute sich im Juni 1597 entschlossen, mit zwei offenen kleinen Beibooten zu versuchen, ihrer schwierigen Lage zu entkommen“, führt Mees mit sonorer Stimme weiter aus. Nahezu alle kleben förmlich an seinen Lippen, als er berichtet, dass Barents und vier Mitglieder seiner Mannschaft den Strapazen der Reise nicht gewachsen waren und auf See verstarben. Die übrigen Crewmitglieder konnten nach einer siebenwöchigen Odyssee gerettet werden.
„Unsere Eisbar sieht ein wenig so aus, wie das Camp von Barents, das nach fast 300 Jahre später zufällig entdeckt wurde“, schließt Mees seinen kleinen, bewegten Ausflug in die Geschichte. Und ein jeden scheint froh, sicher zu sein, der sibirischen Kälte in der Icebar nach 20 Minuten entfliehen zu können. Nicht aber ohne vorher die Eisbärenskulpturen und die im Eis eingefrorenen Skelette des Expeditionstrupps auf den Digitalchip des Smartphones zu bannen. Einige ganz Mutige legen noch schnell Teile ihrer Kleidung ab, um mit freiem Oberkörper Erinnerungsfotos zu schießen, bevor es wieder hinaus auf die muckelig warmen Straßen von Amsterdam geht.
Wissenswertes zur Icebar
Informationen: Amsterdam Icebar, Amstel 194, 1017 AG Amsterdam, Telefon 0031 20 320 5700, www.xtracold.com/de/
Eintritt: 24,50 Euro, wobei die Aufenthaltsdauer in der eigentlichen Icebar auf 20 Minuten begrenzt ist. Inkludiert sind drei Freigetränke.
Öffnungszeiten: Montags bis mittwochs von 15.45 bis 22.45, donnerstags bis sonntags von 11.45 bis 1 Uhr nachts.
Wissenswertes: Das Het Behouden Huys wurde 1871 zufällig vom norwegischen Forscher Elling Carlsen entdeckt. Dank des Eises waren viele Gerätschaften, Ausrüstungsgegenstände und Aufzeichnungen von Barents, nachdem u.a. die Barentssee benannt wurde, bestens erhalten. Sie sind heute Teil der Ausstellung im Amsterdamer Rijksmuseum.
Der Buchtipp für Freunde kühler Drinks
Realität ist der Zustand, der aus Mangel an Alkohol entsteht, lehrt eine irische Trinkweisheit. Frei übersetzt bedeutet dies wohl, dass das Leben – nüchtern betrachtet – nur besoffen zu ertragen sei. Aber wir wollen die Vorliebe zum Alkohol nicht bewerten. Das muss ein jeder mit sich und seiner Leber alleine ausmachen. Gleichwohl kommt es immer wieder vor, dass der eine oder andere mal einen über den Durst trinkt. Dies bleibt zumeist ohne Folgen. Sieht man einmal von der Tatsache ab, dass sich so mancher in solchen Fällen den zuvor konsumierten Alkohol noch einmal durch den Kopf gehen lässt und dass das Bett mit einem Karussell zu fahren scheint.
Die Trinkgewohnheiten und -vorlieben vieler Zeitgenossen flossen dann auch in die augenzwinkernde Hommage an alle, die durchaus dem Alkohol nicht völlig abgeschworen haben, ein. So oder so dürfte bei den Geschichten rund um Bier, Wein, Champagner und andere hochgeistige Getränke, die Mortimer-Reisemagazin-Redakteur Karsten-Thilo Raab in seinem neuen Buch unter dem Titel Ich trinke, dann kannst du fahren zusammengetragen hat, kein Auge trocken bleiben.
So erfährt nicht nur der trinkfreudige Leser wie lange die Menschen rund um den Erdball für ein Glas Bier arbeiten müssen, wie viel Bier in den Schnäuzer dieser Welt hängen bleibt und wieso Wein sowohl die Intelligenz fördern können soll als auch vor intensiver Sonneneinstrahlung schützt. Daneben geht es beispielsweise um Kuriositäten wie Bier aus Käse oder Bier für Hunde oder um die Frage, warum auf Kreuzfahrten der Alkoholkonsum deutlich ansteigt.
Erhältlich ist Ich trinke, dann kannst du fahren (ISBN 978-3-7115-2765-3) von Karsten-Thilo Raab ab für 18 Euro sofort im Buchhandel.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.