Britische Bier-Vielfalt: Mehr als nur ein Pint of Bitter

Bier
Bier fließt in britischen Pubs allabendlich in Strömen. – Foto Karsten-Thilo Raab

Briten gelten gemeinhin nicht nur als Tee-, sondern auch als große Biertrinker. Ein Blick auf die Statistiken zeigt, die Bewohner des Vereinigten Königreiches trinken jährlich pro Kopf durchschnittlich 103 Liter des hopfenhaltigen Gerstensafts. Doch nicht nur in puncto Pro-Kopf-Verbrauch setzen Briten internationale Maßstäbe. Denn wohl nirgendwo sonst auf der Welt findet sich ein größerer Variantenreichtum. Knapp 400 Brauereien produzieren in Großbritannien mehr als 1.200 Biersorten vom Bitter über Lager bis hin zum Stout. Eine beeindruckende Zahl, die die alte Volksweisheit, Bier ist Bier und Schnaps ist Schnaps, ad absurdum führt.

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Zur britischen Pub-Kultur gehören auch spezielle Zapfhähne. – Foto Karsten-Thilo Raab

Großbritannien ist mit 58 Millionen Hektoliter einer der größten Bierproduzenten Europas. Während eine Handvoll Großbrauereien mit rund 55.000 vertraglich an sie gebundenen Pubs den Löwenanteil des Umsatzes einstreicht, sind es vor allem die kleinen Pub-Brauereien und regionalen Brauereien, die sich mit interessanten und würzigen Ale-Varianten der traditionellen Art wachsender Beliebtheit erfreuen. Ihr Markenzeichen sind jene Biersorten, die noch lebende Hefe in sich tragen, im Fass gereift sind, bei Raumtemperatur im Pub-Keller aufbewahrt und mit Hilfe von auf Hochglanz polierten Messinghähnen gezapft werden – ohne Kohlensäure und mit bis zu acht Prozent Alkohol.

Pubs sind Treffs für Bier-Genuss aber auch für Gespräche. – Foto Karsten-Thilo Raab

Für die vielen, vielen Traditionalisten unter den britischen Biertrinkern gibt es zum sogenannten Real Ale keine Alternativen. Besonders in Anbetracht der Tatsache, dass die multinationalen Großbrauereien seit den 1960er Jahren mehr und mehr versuchen, dem Bier ihren Stempel aufzudrücken, den beliebten Hopfensaft pasteurisieren, mit Kohlensäure versetzen und, so die Kritiker, zu einem geschmacklichen Einheitsbrei verkommen lassen.

Viele britisches Pubs sind ein regelrechter Hort der Gemütlichkeit. – Foto Karsten-Thilo Raab

Quasi als Hüter der guten alten Biertradition wurde schließlich Anfang der 1970er Jahre die Campaign for Real Ale (CAMRA) ins Leben gerufen. Die unabhängige Verbrauchervereinigung, die sich durch Beiträge der rund 190.000 Mitglieder und den Verkauf von Merchandisingartikeln finanziert, macht sich für eine stärkere Verbreitung von traditionell gebrautem Ale stark. Die einflußreiche Organisation wertet das Gebräu, das einer zweiten natürlichen Fermentierung im Faß unterzogen und ohne Preßluft ausgeschenkt wird, als Teil des nationalen Kulturerbes.

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Eine der beliebtsten Biersorten auf den britischen Inseln ist das Bitter. – Foto Karsten-Thilo Raab

Standardbier in den knapp 70.000 britischen Pubs ist das Bitter. Entgegen der Annahme ist die stark gehopfte Ale-Variante, die etwa elf Grad warm serviert wird, nur bedingt bitter. Vielmehr ist es bei einem Alkoholgehalt von vier Prozent leicht, schaumlos und wenn überhaupt, nur mit wenig Kohlensäure versetzt. Geschmacklich ähnlich, lediglich etwas süßer ist das Mild, während das ebenfalls beliebte Brown Ale kräftiger und malziger anmutet.

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Pubs sind für viele eine Art zweites Wohnzimmer. – Foto Karsten-Thilo Raab

Dem deutschen Biergeschmack am nächsten kommt wohl „Lager“. Im Gegensatz zum Ale wird Lager im sogenannten untergärigen Brauverfahren bei Temperaturen zwischen vier und neun Grad hergestellt. Dass heißt, die Hefe steigt im Gärbottich nicht nach oben, die Trübstoffe sinken ab und lassen das Bier klar werden. Anschließend wird das Bier in Tanks einer Kaltreifung bei fast null Grad unterzogen. Dort bleibt es je nach Braugetreide und Brauerei zwischen 14 Tagen und mehreren Wochen, bevor es in den Ausschank kommt.

Bier und Humor gehören in vielen britischen Pubs zwingend zusammen. – Foto Karsten-Thilo Raab

Großer Beliebtheit erfreut sich auch das charakteristisch schwarze Stout, das sich vor allem durch starken Röstgeschmack und die Farbe von anderen Bieren abhebt. Ob das bekannte Guinness oder dessen Hauptkonkurrenten Murphy´s, McCaffrey’s und Beamish’s, sie alle werden aus dunkel gedarrten Malzen und manchmal auch aus Rohgerste gebraut. Unterschieden wird je nach Brauart in Dry Stout, Sweet Stout, das etwas stärkere Imperial Stout und das mit Haferanteil versehene Oatmeal Stout.

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Ein Bier in Ehren kann niemand… – Foto Karsten-Thilo Raab

Neben diesen bekannten Sorten warten britische Brauereien noch mit einigen Besonderheiten auf. Dazu gehört Fuggles Chocolate Mild, ein Schokoladenbier, das trotz schokaladigem Geschmack bei einem Alkoholgehalt von 4,6 Prozent nicht die geringste Ähnlichkeit mit einem Milchshake hat, dafür aber passionierten Bier- und Schokoladenliebhabern die all abendliche Qual der Wahl zwi-schen Hopfen- und zuckerhaltigen Gaumenfreuden nimmt. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch das Whitbread Gold Label, besser bekannt als Barley Wine. Das lange Zeit stärkste Bier der Welt ist eigentlich ein ungekelterter Gerstenwein, der wegen seines Alkoholgehalt von über 10 Prozent nicht im beliebten Pint, sondern nur in maximal 0,2 Liter großen „nips“ ausgeschenkt wird.

Kleines Britisches Bier-ABC

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Das wohl berühmteste Stout stammt eigentlich aus Irland. – Foto Karsten-Thilo Raab

Ale: Bier obergäriger Brauart. Etwa elf Grad warm und ohne Schaum. Nicht pasteurisiert.
Barley Wine: Eine der stärksten Biersorten überhaupt. Ist eigentlich ungekelterter Gerstenwein mit einem Alkoholgehalt über 10 Prozent und wird nur in nips (0,2l) ausgeschenkt.
Bitter: Stärker gehopfte Ale-Variante, 4 Prozent Alkohol, bitterer Geschmack und wenig Kohlensäure.
Black and Tan: Stout gemischt mit Bitter.
Black Velvet: Mischung aus Stout und Champagner.

Welches Bier im Ausschank ist, wird am Tresen gut sichtbar. – Foto Karsten-Thilo Raab

Brown Ale: Kräftige Ale-Sorte, malzig, tief braune Farbe.
Brown Betty: Ale und Weinbrand, heiß serviert
Chocolate Mild: Schokoladenbier, mit einem Alkoholgehalt von 4,6 Prozent.
Half and Half: Mild mit Bitter gemischt.
Half Pint: Entspricht 0,284 Litern.

Damit das Bier in der Rauchpause nicht abgeräumt wird, gibt es kleine Schilder. – Foto Karsten-Thilo Raab

Lager: Untergäriges, zumeist helles Bier, ähnlich den Bieren deutscher Brauart, wird kalt serviert.
Lager and Currant: Lager mit Johannisbeerserup.
Lager and Lime: Lager mit einem Spritzer Limonensaft“; ähnlich dem deutschen Radler oder Alster
Mild: Helle Ale-Variante ähnlich dem Bitter, allerdings etwas süßlicher, mit Alkohol-gehalt zwischen 3 und 3,7 Prozent.
Pale Ale: Milde Ale-Sorte, rötliche Farbe, weniger gehopft als Bitter.

Ein Bier im Pub ist Teil der britischen Lebensart. – Foto Karsten-Thilo Raab

Pint: Entspricht 0,568 Litern.
Shandy: Bier und Limonande.
Snakebite: Mischung aus Lager und Cider
Stout: Dunkles, teils schwarzes Bier aus gerösteter Gerste, mit creameartiger Schaumkrone und hohem Hopfengehalt. Der Alkoholgehalt variiert zwischen 4,2 und 7,5 Prozent.
Yard of Beer: Entspricht etwa drei Pints.