Jersey: Inselflair zwischen Lifestyle und Savoir-vivre

Jersey
In St. Helier, der Hauptstadt von Jersey, symbolisiert eine Skulptur die Befreiung von den Deutschen 1945. – Foto Katharina Büttel

Einer Glucke gleich hockt Mont Orgueil, die mächtige mittelalterliche Burg, über der bunten Häuserzeile am Hafen von Gorey auf der Kanalinsel Jersey. Die Fischerboote liegen kreuz und quer im Schlick. Das Meer hat sich weit zurückgezogen und eine riesige Sandsichel bloßgelegt. Am Horizont flirrt die normannische Küste, nur 20 Kilometer sind es bis zum französischen Saint-Malo.

In Gorey, dem Fischerort im Osten, endet auf einem Hügel mit grandiosem Blick über die Bucht die Jersey-Kulinarik-Tour mit Inselführerin Claire. Losgegangen ist es am frühen Morgen in der Fresh Fish Company am Victoria Pier der Hauptstadt St. Helier mit Vicky Boarder. Sie ist ‚Inselbotschafterin‘, ausgemachte Kenner, die den Besuchern mit Leidenschaft und Begeisterung ihre Insel vorstellt. In ihrem gut sortierten Fischladen erklärt sie mit Charme und Humor die Vielfalt an Meeresfrüchten, die ihr die Fischer Tag für Tag frisch aus dem sauberen Wasser bringen: allem voran Austern, dann Königskrabben, Jakobsmuscheln, Langusten und die Jersey Plaice, eine kleine, sehr schmackhafte Schollenart – „die beste der Welt“. Und die Ormers – Seeohren -,eine teure, ganz besondere Muschel-Spezialität!

Die „Großen Vier“ der Insel-Kulinarik auf Jersey

Jersey
Zu frischen Austern gehört auf Jersey ein feiner Sekt. – Foto Katharina Büttel

Auf dem Foody-Spaziergang überrascht Claire mit inseltypischen Spezialitäten, den „Großen Vier“. Auf einer Holzbank, inmitten einer bunten Blumenwiese, serviert sie „Jersey Royals“ auf Tellerchen. Die kleinen Frühkartoffeln werden traditionell in der Schale gekocht und anschließend mit frischer Jersey-Butter und Jersey-Seesalz gegessen. Diese Butter aus der besonders cremigen Milch der berühmten Jersey-Kuh! Die wiederum in ihrem flauschig braunen Fell, mit den großen Augen und den auffallend langen Wimpern ist das drollige Wahrzeichen der schönen Insel – als Wasserzeichen sogar in der Jersey-Pfundnote.

Damit sind zwei der Big Four genannt. Natürlich zählen hinzu der Gaumengenuss aus dem Meer: die Grouville Bay-Austern und der Hummer – hier besonders frisch. Das hat vor allem mit der außergewöhnlichen Wasserqualität zu tun, die sich dem extremen Gezeitenwechsel verdankt, einem Tidenhub von bis zu 12 Metern, der weltweit seinesgleichen sucht. Das kristallklare Wasser macht wohl auch den Schlehdorn-Gin und das beliebte Stinky Bay Bier so unerhört wohlschmeckend.

Französische Küche und britische Lebensart

Blick vom Wanderweg im Norden auf fast karibische Strände. – Foto Katharina Büttel

Man legt hier Wert auf französische Küche, vergisst dabei aber nicht die britische Lebensart. Die erleben wir in einem Pub im Ortskern von Gorey, wo wir pikanten Käse mit Jersey Black Butter bestellen – eine schwarze, fruchtig-herbe, köstliche Crème, die man locker mit Jersey Cider wegspült.

Gegen Nachmittag wird es „very british“ im Samarès Manor. Manor Houses, feudale Residenzen, sind steinerne Zeugen der Zeit, als Lehnsherren die Geschicke der Insel bestimmten. Das weiße, normannische Samarès in der Gemeinde St. Clement vermittelt die freundliche Atmosphäre eines englischen Landsitzes inmitten eines prachtvollen Parks; es lädt ein zum guten englischen „tea“ mit „scones with clotted cream“ und Erdbeermarmelade.

Florale Üppigkeit auf Jersey dank Golfstrom

Der Botanische Garten innerhalb des Samarès Manor in St. Clement. – Foto Katharina Büttel

Auf dem anschließenden Spaziergang durch Europas artenreichsten Kräutergarten führt uns versiert Sally und lässt uns duftende marokkanische Minze, Apfel- und ‚After-eight‘-Schokominze kosten. Sie zeigt seltene subtropische Pflanzen, macht uns bekannt mit außergewöhnlichen Rosen, Mimosen und Kamelien. Herrliche Blüten verzaubern das Grün der Wiesen, fast schmerzen die intensiven Farben. Ob Palme, Baumfarn, Eukalyptus oder Agave – exotische Gewächse aus aller Welt gedeihen im Golfstromklima in überschwänglicher Fülle und Farbigkeit.

Die glyzinienumrankten Häuser aus Granitsteinen, mit denen jedes Dorf sich schmückt, stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert; damals wurden die Inselbewohner reich durch Kaperei, Schmuggel und Hochseefischerei. Heute bringen Finanzgeschäfte bessere Erträge. Zwar steht Jersey unter dem Schutz der britischen Krone, gehört aber staatsrechtlich nicht zum United Kingdom; ihre Steuergesetze machen sie also selbst. Der Tourismus steht da erst an zweiter Stelle.

Pulsierende Insel-Kapitale

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Der Central Market von St. Helier – unter der reich verzierten viktorianischen Hallenkonstruktion bieten Händler französiche und englische Köstlichkeiten an. – Foto Katharina Büttel

Gleichwohl sind die Fußgängerzonen von St. Helier voll mit Urlaubern, die durch die exquisiten Läden in der News Street und der Kingstreet strömen. Foodies mit Lust auf das gewisse Etwas schlendern durch den Central Market, eine Markthalle im viktorianischen Stil mit Glasdach, gusseisernen Säulen und einem prächtig umpflasterten Springbrunnen. Fischfreunde halten am Stand von Faulkner’s Fisheries – dort gibt es Probierhappen verschiedener Meeresfrüchte; die „Flour Pattiserie“ verführt mit himmlisch leichten, kunstvoll dekorierten Muffins.

Jersey hat viele Gesichter. Alle fünf bis sechs Stunden greifen die Gezeiten ein und prägen das Bild. Kaum anderswo tritt bei ablaufendem Wasser eine so bizarre Landschaft zutage. Jersey vergrößert sich bei Niedrigwasser um ein Drittel. Es kommen Klippen und Strände zum Vorschein, werden Forts und Burgen begehbar. Trockenen Fußes gelangt man nun zum Elizabeth Castle in der St. Aubin’s Bay. Das Inselwahrzeichen, der Leuchtturm La Corbière, steht auf dem Trockenen. Die kühle Luft schmeckt köstlich, salzig nach Meer. Auf die Zunge legt sich der Geschmack von Austern.

Ausgedehnte Austern-Bänke

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Bei Ebbe erstrahlen die Austernbänke in sattem Grün. – Foto Katharina Büttel

Im Osten liegt zwischen den Klippen vor der Steilküste halbmondförmig der große Strand von Grouville. John Le Seelleur, Austern-Farmer in 17. Generation, und seine Frau Shannon wandern mit uns bei Niedrigwasser zu ihren ausgedehnten Austern-Bänken, den „oyster beds“, weit draußen im Meer. Hier züchten sie auf 14 Hektar 12 bis 14 Millionen der essbaren Meeresmuscheln, die zweieinhalb Jahre zum Wachsen brauchen. Auf einer mit leuchtend grünen Algen umwickelten Bank öffnet John eine Flasche Champagner, knackt routiniert die ersten Austern.

Jeder kann selbst entscheiden: sofort schlürfen oder später vornehm löffeln. Wir schlürfen – ein Genuss. „Und zum Abendessen geht ihr am besten zu Mark Jordan nach St. Aubin, da könnt ihr das hier ein zweites Mal genießen“. Dann ist Eile geboten, das Meer kommt zurück. Die Arbeiter lüften, kontrollieren ein letztes Mal die über die kostbare Brut gespannten Netze und verfrachten uns und ihre Erntesäcke zum sicheren Ufer.

Sternenreiche Gastronomie

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Fine Dining am Strand von St. Aubin. – Foto Katharina Büttel

Wer in den zahlreichen, zum großen Teil mit Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurants und Pubs die Speisekarte studiert, ist überrascht von der kulinarischen Vielfalt, die so gar nicht an englische Küche erinnert. Bei Mark liest sich alles verlockend: Austern sowieso, Jacobsmuscheln in Sahnesoße, Lobster-Salat, Lobster überbacken, Seafood-Platte. Die Entscheidung für Jacobsmuscheln und Meerbarben ist gut – besser hätte man auch in Frankreich nicht speisen können.

Am nächsten Morgen wandern wir mit Inselführer Roger im Nordosten. Die Sonne scheint, die Luft schmeckt nach ewigem Frühling – Augen zu, Arme strecken und: tief einatmen. Die Küstenfelswände ragen 100 Meter in die Höhe, dazwischen – mal groß, mal klein – verborgene Bilderbuchstrände.

Wissenswertes zu Reisen nach Jersey

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Am langen Ende des St. Brelade‘ Sandstrandes liegt eine normannische Kirche und das kleine Fisherman’s Kirchlein. – Foto Katharina Büttel

Allgemeine Informationen: www.visitjersey.com oder www.jersey.com/de

Anreise: z.B. von Berlin-Tegel und Frankfurt/M. und weiteren Abflughäfen mit British Airways über London Heathrow, per National Express zum London Gatwick; weiter mit BA nach Jersey; Direktflüge von München und Düsseldorf mit Lufthansa direkt nach Jersey.

Klimatisch verwöhnt

Inselbotschafterin Vicky Boarder zeigt stolz ihre frischgefangenen King Crabs. – Foto Katharina Büttel

Klima: Jersey hat die meisten Sonnenstunden der britischen Inseln; wegen der Nähe zum Golfstrom ein typisch ozeanisches, gemäßigtes Klima. Im Sommer durchschnittlich 20 Grad Celsius.

Währung: Das Jersey-Pfund ist angelehnt an den Kurs des Britischen Pfunds, das ebenfalls akzeptiert wird wie auch gängige Kreditkarten.

Wunderbar wanderbar

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Wandern an der wildschönen Küste im Norden der Insel. – Foto Katharina Büttel

Wanderungen: Jersey Food Tours unter www.jerseyfoodtours.co.uk

Küstenwanderungen u.a. mit Roger Noel unter www.jerseyuncovered.com

Austern-Touren mit Seymour Oyster Co unter www.seymourshellfish.co.uk

Ess- und Schlafgenuss auf Jersey

Köstliche Kombination – Hummer mit zartem Spargel. – Foto Katharina Büttel

Restaurants: Das Hotel L’Horizon ist zweifellos britisch, das Dinner meist leicht-mediterran; in Walker’s Restaurant in Gorey sind fangfrisch Königskrabben, Jakobsmuscheln, Seebarsch, Tauben im Angebot; perfekt als Dessert der Jersey-Eiscreme mit gesalzener Karamelsauce on top! – „High Tea“ mit köstlichen, selbstgebackenen Kuchen/Torten in „Barrow at the Manor“ im Samarès Manor.  Das „El Tico“ in der St. Ouen’s Bay bietet kreative, lokale Küche; gratis dazu gibt es einen sensationellen Sonnenuntergang. Sterne-Koch Mark Jordan zelebriert Esskunst in seinem Mark Jordan at the Beach.

Unterkunft: z.B. im zentral gelegenen 4-Sterne-Hotel Cristina in der St. Aubin’s Bay; das L’Horizon Beach Hotel & Spa in der St. Brelades Bay.