Savoir-vivre und britische Eleganz: Jersey – ein von der Sonne verwöhnter Minikosmos

Eine der vielen prächtigen Landmarken auf Jersey: Das Mont Orgueil Castle.
Eine der vielen prächtigen Landmarken auf Jersey: Das Mont Orgueil Castle.

Spektakuläre Klippen, malerische Strände und wildromantische, von Palmen gesäumte Buchten bestimmen das Landschaftsbild. Auf nur 118 Quadratkilometern präsentiert sich Jersey als ein paradiesisches Kleinod am warmen Golfstrom – von der Sonne verwöhnt, dazu mediterranes Flair sowie ein erfrischende Mischung aus französischer Lebensart und britischem Lifestyle. So beeindruckend wie der Tidenhub, der zwischen den Gezeiten um sage und schreibe 13 Meter schwankt, gestaltet sich auch die lange, bewegte Geschichte des Islands. Davon zeugen entlang der 84 Kilometer langen Küste sieben Martello Türme und 17 so genannte Jersey Round Tower aus dem späten 17. Jahrhundert. Aber auch ebenso majestätische wie pittoreske Burgen und die weithin sichtbaren Bunker und Geschützstellungen aus dem 2. Weltkrieg – wie etwa auf der Hochebene am Noirmont Point – sind stumme Zeugen vergangener Jahrhunderte.

Prächtige Buchten und einsame Strände wie hier an der Beauport Bay prägen das Bild Jerseys.
Prächtige Buchten und einsame Strände wie hier an der Beauport Bay prägen das Bild Jerseys.

Ab dem Jahr 923 gehörte Jersey dem Herzogtum Normandie an, bevor das Island von Wilhelm dem Eroberer eingenommen wurde und an England fiel. Als König John im Jahr 1204 die Normandie an Frankreich verlor, konnten die Jerseyaner wählen: zur Normandie zu gehören oder loyal zur englischen Krone zu stehen. Sie entschieden sich für Letzteres und erhielten dadurch Sonderrechte eingeräumt, die sie bis zum heutigen Tag genießen. So untersteht Jersey nicht dem Parlament in London, sondern lediglich der Krone, die durch den „Bailiff“ vertreten ist.

Überall auf Jersey finden sich romantische Kleinode wie das Le Rât Cottage.
Überall auf Jersey finden sich romantische Kleinode wie das Le Rât Cottage.

Jersey, das rund 20 Kilometer vor der französischen und 160 Kilometer von der englischen Küste entfernt liegt, ist weder Teil des Vereinigten Königreichs noch der Europäischen Union, verfügt über ein eigenes Parlament, „States“ genannt, und untersteht lediglich im Verteidigungsfall den Briten. In Anlehnung an den alten Herrscher wird die Queen auf Jersey nicht als Königin, sondern als „Duke of Normandy“ tituliert. Eine eigene Währung, eigene Briefmarken, eine eigene Rechtssprechung und eigene Steuersätze dokumentieren zusätzlich die Unabhängigkeit des Inselstaats. Es gibt keine politischen Parteien, kein Kabinett und keinen Premierminister.

Ein Stück unvergessener Inselgeschichte: Das German Underground Hospital. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Ein Stück unvergessener Inselgeschichte: Das German Underground Hospital. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Während des 2. Weltkriegs war die strategisch günstig liegende Insel von 1940 bis 1945 von deutschen Truppen besetzt. Wie mahnende Zeigefinger erheben sich an vielen Stellen noch immer die für die Ewigkeit gebauten Betonbunker und Geschützstellungen der Wehrmacht. Und während viele dieser unterirdischen Gewölbe heute als Garagen oder Gewächshäuser für die Pilzzucht dienen, wurden in der so genannten „Hohlgangsanlage 8″ die Kriegsjahre besonders anschaulich aufgearbeitet.

Am Noirmont Point wird die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg bewahrt. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Am Noirmont Point wird die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg bewahrt. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Als im Januar 1944 die Invasion der Alliierten drohte, ließ Hitlers Autobahnbauer Fritz Todt den Tunnelkomplex von Zwangsarbeitern in ein bombensicheres Lazarett mit Krankenstation für bis zu 500 Verletzte, Unterkünften und Operationssälen umbauen. Heute dient die „Hohlgangsanlage 8″ als Museum. Mit Passkopien von verstorbenen Jerseyaner kann deren trauriges Schicksal bei einem Rundgang durch das „German Underground Hospital“ an verschiedenen Stationen im Detail nachvollzogen werden. Dabei besticht die kurzweilige Tour durch eine Mischung aus Kriegsmuseum und Horrorkabinett.

Eine ganz andere Faszination üben die vielen neolithischen Grabanlagen aus, die über die ganze Insel verteilt zu finden sind. So das rund 5.500 Jahre alte Steingrab „Les Monts Grantez“, in dem die Gebeine von acht Menschen gefunden wurden, oder der mächtige Dolmen de Faldouët bei Gorey. Das 15 Meter lange Steingrab nebst einem gut erhaltenen Grabtisch zeugen von der langen Geschichte menschlicher Besiedlung auf Jersey.

Das Ganggrab von La Hougue Bie ist älter als die Pyramiden von Gizeh. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Das Ganggrab von La Hougue Bie ist älter als die Pyramiden von Gizeh. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Ungleich beeindruckender ist La Hougue Bie. Das Megalithgrab gilt als eine der schönsten prähistorischen Denkmäler Europas und liegt unter einen 13 Meter hohen Grabhügel auf dem zwei mittelalterliche Kapellen thronen. Das neolithische Ganggrab, dessen größter Stein satte 20 Tonnen auf die Waage bringt, stammt aus der Zeit um 3.800 vor Christus und ist damit rund 1.000 Jahre älter als die Pyramiden von Gizeh.

Herrlicher Inselpunkt: Das  Corbière-Lighthouse.
Herrlicher Inselpunkt: Das
Corbière-Lighthouse.

Weitaus jünger sind die Ruinen von Grosnez Castle auf dem Hochplateau von Les Landes. Die Reste der Burg, die nur einen Steinwurf vom malerischen Cobière Lighthouse an der Südwestspitze der Insel auf einem Plateau errichtet wurde, datieren aus dem 14. Jahrhundert. Komplett erhalten ist hingegen das imposante Elizabeth Castle. Die weitläufige Festung aus dem 16. Jahrhundert, die bei Ebbe zu Fuß und ansonsten mit Hilfe eines Amphibienfahrzeuges zu erreichen ist, liegt auf einer Felseninsel in der St. Aubin´s Bay. An das Castle grenzt auch eine kleine Kapelle aus dem 12. Jahrhundert. Hier soll der Heilige St. Helier, nach dem auch die Hauptstadt benannt wurde, im 6. Jahrhundert gehaust haben.

Wellen umtost: Das  Corbière-Lighthouse.
Wellen umtost: Das
Corbière-Lighthouse.

Das wohl beliebteste Fotomotiv auf Jersey stellt zweifelsohne Mont Orgueil Castle dar. Die mittelalterliche Festung thront majestätisch über dem verträumten Hafenstädtchens Gorey an der Ostküste. Wahrscheinlich gab es schon in der Eisenzeit eine Befestigungsanlage auf dem markanten Felsen. Im Hundertjährigen Krieg galt Mont Orgueil als uneinnehmbar. Erst mit der Erfindung des Schießpulvers verlor die Burg an Bedeutung, während Elizabeth Castle zum Zentrum der Verteidigung avancierte.

Verträumt dümplen einige Boote im kleinen Rozel Harbour umher.
Verträumt dümplen einige Boote im kleinen Rozel Harbour umher.

Zu den magischen Plätzen auf Jersey zählen ganz sicher auch St. Brelade’s Church und die angrenzende Fishermen’s Chapel. Das normannische Gotteshaus besticht durch seine Fenstermalereien von H. T. Bosdet. Die Wurzel der Kirche sollen bis in das 6. Jahrhundert zurückreichen. Das Granitgebäude, in dessen Mauern noch fossile Muschelabdrücke zu sehen sind, ist vermutlich aus einem vom irischen Missionar Brendan errichteten Bethaus hervorgegangen.

Einen Besuch wert ist zudem das Hamptonne Country Life Museum in St. Lawrence. Das beschauliche Freilichtmuseum mit seinem originalgetreu restaurierten Farmhausensemble und der Residenz der Hamptonnes vermittelt einen Eindruck vom Landleben im 17. Jahrhundert. Wie zu Urgroßvaters Zeiten wird in den Vorführbetrieben Brot gebacken, gewaschen, Wolle zu Garn gesponnen und im Oktober mit Hilfe einer Cider-Presse Apfelwein hergestellt.

Abendstimmung am Hafen von St. Aubin.
Abendstimmung am Hafen von St. Aubin.

Geschichte und Geschichten verbergen sich im wahrsten Sinne des Wortes auf Schritt und Tritt auch auf den so genannten „Perquarges“. Dies sind Wege, die von jeder der zwölf Gemeindekirchen der Insel direkt bis ans Meer führen. Nach der Ausübung einer Straftat konnten Kriminelle in den Gotteshäusern bis zu neun Tage lang Zuflucht finden. Über den Perquarge hatten die Straftäter die Möglichkeit, in weißer Kleidung unangetastet bis an das Meer zu gelangen, wo Freunde oder Verwandte für sie ein Boot bereithielten, mit dem sie Jersey für immer verlassen mussten.

Kaum verwunderlich, dass der letzte bekannte Fall auf einer Insel, auf der selbst ein Fahrraddiebstahl auf den Titelseiten der Zeitungen Erwähnung findet, aus dem Jahre 1640 datiert. Und dass die meisten Straftaten wegen der bisweilen unruhigen See in der Herbst- und Winterzeit nur in den warmen Monaten begangen wurden, ist nur ein unbestätigtes Gerücht.

Weitere Informationen unter www.jersey.com.

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