Summer-Time an der Ostküste von Jütland

Jütland
Ungewöhnlicher Blick auf einer der schönsten Städte in Jütland: Die Altstadt von Aarhus – gesehen durch die Farben des Regenbogenumlaufs. – Foto Katharina Büttel

Dumpf kracht die Streitaxt auf den Schild, der Ritter im Kettenhemd geht in die Knie, aber er fällt nicht. Reißt sein Schwert wieder hoch und teilt hart aus. Die Waffen klirren, die Kämpfer keuchen. Ein Moment der Schwäche und der Dänen-Häuptling rammt dem britannischen Eindringling das Eisen durch das Lederwams in den Leib. Rauschender Beifall von allen Seiten.
Dänen lieben Geschichte und sind Meister darin, sie höchst anschaulich darzustellen. Im Museum Moesgaard, am Südrand von Aarhus, treffen sich jedes Jahr Ende Juli „Wikinger“ aus den nordischen Ländern und Britannien und zeigen ihre Künste und den damaligen Alltag. Beeindruckend die Lage und Architektur des vor fünf Jahren eröffneten Museums im freien, hügeligen Feld, in den Hang hineingeschoben, das Dach aus Wiesenstücken zwischen Betonwänden begehbar. Und drinnen präsentiert sich mit modernster Museumstechnik die Geschichte des Dänenlandes.

Im Moesgaard Museum lernt man mehr über sich und die menschliche Evolution. – Foto Katharina Büttel

Wikinger sind stärker als die Elemente – das stellen ihre Nachfahren in Aarhus eindrucksvoll unter Beweis. Das Grauweiß eines trüben Tages etwa wird vertrieben von einem begehbaren Regenbogen, der vom Dach des ARoS-Kunstmuseums leuchtet. „Somewhere in the rainbow“: der dänisch-isländische Künstler Olafur Eliasson hat das neue Wahrzeichen 2011 installiert. Der Ausblick durch die bunten Scheiben ist fantastisch: die Altstadtgiebel mit dem Old Dome, das Neue Hafen-Areal mit „Dokk1“, der größten öffentlichen Bibliothek Skandinaviens. Am Horizont das schon jetzt weltberühmte Wohnhochhaus „Isbjerget“, der Eisberg. Eine ungewöhnliche Architektur, kreuz und quer „aufgebrochen“, schwimmenden Eisbergen gleich.

Studentenflair am Kattegat

Das ARos Museum bietet Weltklasse-Künstlern große Bühnen. Hier James Rosenquist.

Das ARoS – von außen ein Backsteinkubus, von innen ein zweites Guggenheim – war sicher einer der Gründe dafür, dass Aarhus europäische Kulturhauptstadt 2017 wurde. Seitdem bekommt die 320.000-Einwohner-Stadt am Kattegat die Beachtung, die Kopenhagen immer absorbierte.

Äußerst lebhaft geht es tagsüber und nachts in der Innenstadt von Aarhus zu. – Foto Katharna Büttel

Und das beflügelt: auf Bühnen, in Galerien, Museen und fast im gesamten urbanen Raum werden Feste gefeiert;  das etablierte Jazz-Festival im Juli feiern sie überall in der Stadt. Der frische, beschwingte Geist der Stadt ist nicht zuletzt den 50.000 Studenten zu verdanken, denen die Stadt ein breites, preiswertes Angebot macht. Kein Wunder, dass die jungen Leute schon tagsüber die Bistros, Cafés und Restaurants im angesagten Latin Quarter bevölkern. Nomen est omen, die Atmosphäre pariserisch. Den besten Kaffee übrigens gab‘s im „Altura kaffe“ in der Klostergade.

Reise in das vorindustrielle Jütland

Mit seinen 93 Metern ist der Aarhuser Dom die längste Kirche Dänemarks. – Foto Katharina Büttel

Kleiner Hunger? Da führt der Weg in den Street Food Market. In dem ehemaligen Busbahnhof bieten mehr als 20 Straßenküchen und Bars große Auswahl. Oder man probiert in Maria Bagers Café „Landmad“ Produkte dänische Bauern und Feinkosthersteller, bevor man sich aufmacht in die einzigartige Museumsstadt „Den Gamle By“. Dort wird das vorindustrielle Aarhus in und zwischen Fachwerkhäusern reanimiert – Geschichte im Originalformat.

Die museumsstadt Gamle By konserviert die Geschichte von Aarhus. – Foto Katharina Büttel

Stadtbummel an der Aarhus A°, dem kleinen Gewässer, das die Innenstadt durchzieht und immer wieder neue lauschige Ecken öffnet. Zahllose Cafés und kleine Geschäfte liegen an den Kaimauern, dazu das große Kaufhaus „Magasin du Nord“, das für deutsche Besucher wegen des nordischen Tafel-Designs attraktiv ist. Wer Interesse an „archäologischem“ Schmuck hat, bekommt ihn im „Museums Smykker“ nahe dem Dom. ‚Thors Hammer‘ ist das ‚Kreuz‘ der Wikinger. Thor, der Gott des Blitzes und des Donners.

Kultur pur auch in Horsens

Belebt die Stadt – Fassadenkunst in Horsens. – Foto Katharina Büttel

Den Absacker in „St. Pauls Apothek“ in einem historischen Haus von 1899 verkneifen wir uns, denn am nächsten Morgen geht es nach Horsens. Wer hier nichts sucht, findet. Die Hafenstadt 30 Kilometer südlich von Aarhus lässt sich zu Fuß durchstreifen und bietet doch alles, was eine Kulturstadt ausmacht.

Drei Kilometer anregende Street-Art in Horsens. – Foto Katharina Büttel

Unser sympathisches Hotel liegt direkt an Dänemarks breitester Fußgängerstraße, der Soendegade. Sie ist das Herz der lebendigen Stadt. Man hat viel zu schauen, kann über drei Kilometer fast jede Art von Kunstgenuss haben. Auf dem Pflaster, an Häuserwänden Street-Art, schöne alte Fassaden auf beiden Seiten. Aus der altmodischen Fußgängerstraße hat man das „längste, farbig bemalte Buch der Welt“ gemacht – von Künstlern und Einwohnern kreiert und gemalt, links und rechts gesäumt von Skulpturen. Hier eine Pietà auf ihrem Sockel, da ein ‚frecher Bengel‘ in Bronze auf einem Mäuerchen, dort ein Wolf mit Baby im Maul. Auch der hiesige Michael Kvium zeigt großartige Skulpturenkunst; im Museum für Moderne Kunst ist er mit spektakulären Gemälden und Bildhauerarbeiten zu sehen.

Erfahrung hinter Gittern

Faengslet in Horsens ist heute Europas größtes Gefängnis-Museum. – Foto Katharina Büttel

Spaziergang. Kulissenwechsel. Mit einiger Beklemmung steht man vor dem Tor des Faengslet, des Staatsgefängnisses, zögert ein wenig. Aber nein, das ist doch seit 2006 Museum, man hat ja das Ticket. Man schlüpft in die Rolle eines früheren Insassen und erfährt Gefängnis/Strafanstalt sehr nahe. Einmalig in Europa…

Horsens neue kulturhistorische Attraktion – die ‚wiedergefundene Brücke‘ von 1899 überspannt heute restauriert den Fluss Gudena in Braedstrup. – Foto Katharina Büttel

Jedes Jahr Ende August ist hier der Teufel los: der Gefängnishof verwandelt sich in ein mittelalterliches Feldlager, das größte und stilvollste Ritterfest Europas – sogar Straßenlaternen werden in Holz verpackt. Tausende von Musikern, Rittern, Mönchen, Bettlern, Huren und Minnesängern ziehen in Kostümen durch die Stadt. Turniere gibt’s, schnaubende Rösser und klirrende Rüstungen. „Wikinger“ liefern sich Kämpfe ‚bis aufs Blut‘. – Ein Vergnügen für die ganze Familie.

Genuss satt: 15-Gänge-Menü

Kunst auf dem Dach des Theaters von Horsens. – Foto Katharina Büttel

Wer in Horsens sich kulturell vergnügt, den überkommt früher oder später der Hunger. Zeit für ein Menü im trendsetzenden Restaurant „Moehr“. Hier kommen 15 Gänge mit puristischer Rafinesse auf den Tisch: Reis-Snack mit schwarzer Octopus-Tinte, japanischer Fisch auf Käsecreme, crispy Bauchfleisch mit pikanter Sauce. Stilecht gibt es dazu Chardonnays, Barolos, Sauvignons – und Erdbeerbier.

Die Skulptur ‚Wolf mit Baby im Maul‘ beeindruckt. – Foto Katharina Büttel

Oder: vor der Stadt im feinen Ambiente des Golfclubs Stensballegaard im „Kokken du af huset“. Küche und Getränke ausgesucht und edel; Dinnerjacket und ein bisschen Kleingeld sind nicht verkehrt. Schließlich das „Dollys“: hier wird einem Deftiges, authentisch Dänisches vorgesetzt.

Erinnerung an Vitus Bering

. Nach der Kunst Spaziergang im verwunschenen Bygholm Park zum weißen Herrenhaus. – Foto Katharina Büttel

Vorbei kommt man auf seinen Gängen am Industriemuseum in einem stillgelegten Elektrizitätswerk. Leben und Arbeit der einfachen Leute zum Anfassen. In der Halle die Elektromotoren – Zwerge und Giganten – werden für die Besucher in Bewegung gesetzt. – Wer weiß schon, dass der weltberühmte Entdecker der Meerenge zwischen Asien und Amerika, Vitus Bering, aus Horsens stammt. Die Geschichte des Seekapitäns unter Zar Peter dem Großen wird im Horsens Museum erzählt. Der Name Beringstraße hat den Dänen unsterblich gemacht.

Auszeit von der Kunst – Strand mit Blick auf den Hafen von Horsens. – Foto Katharina Büttel

Horsens ist ein Ort der zufälligen Erlebnisse, sagen sie dort. Hier kommt man nicht her, um etwas Bestimmtes zu sehen, hier kommt man kommt vorbei, einfach so! Wie Hans Christian Andersen, der über Jütland schrieb: „Überall bin ich sagenhaft herzlich empfangen worden, überall milde Augen, warme Herzen und Sonnenschein.“ Text: Katharina Büttel

Wissenswertes zu Aarhus und Horsens

Ganz außergewöhnlich – Architektur der Eisberg-Wohnhäuser. – Foto Katharina Büttel

Anreise: Flüge werden regulär nur von Kopenhagen aus bedient. Die Bahn braucht über Hamburg und Flensburg im günstigsten Fall sieben Stunden. Am einfachsten kommt man nach Aarhus und Horsens mit dem Auto.

Essen und Trinken: Unzählige Cafés, Restaurants im Zentrum von Aarhaus auf beiden Seiten des Wasserlaufs des A° sowie den kleinen Nebengassen. Bestes Smoerrebroed u.a. im Kähler Speisesalon. Er zählt zu den besten Restaurants der nordischen Länder.

In Horsens sind besonders empfehlenswert: Moehrsteak, Thonbogade 18; Café Lorentzen neben dem Faengslet; „Kokken du af huset“, Bygaden 70, Tel.: 045 20206163;

Latin Quarter – das Viertel der Studenten, Künstler und Müßiggänger in Aarhus. – Foto Katharina Büttel

Übernachten: Cabinn: das Haus im coolen Design liegt zentral in Theaternähe in Aarhus. DZ/F ab ca. 85 Euro;  Marselis Hotel, wer in die Ostsee springen oder am Strand joggen möchte – außerhalb der Stadt. DZ/F ab 109 Euro; Unterkünfte in Horsens: z.B. Teaterhotellet, Soendergade 22, Tel.: 045 7627 8500; Joergensens Hotel, Tel.: 045 7562 1600.

Hier geht es zu einer großen Auswahl an privaten Ferienhäusern in Östjütland.

Tipp: Die Aarhus-Card bietet kostenlosen Eintritt in alle Museen, Freifahrt in Bussen und Straßenbahnen u.v.m., ab 44 Euro.