Obertauern – auf großem Fuß im Schnee

Obertauern
Obertauern gilt im positiven Sinne als ein ausgesprochenes Schneeloch.

Eigentlich ist alles rund um das Bergdorf Obertauern eher von der unaufgeregten Art. „Abseits des üblichen Winterzirkus“, sagen die Leute gern, und „anderswo mag es furchterregendere Pisten, ein quirligeres Nachtleben geben…“ So richtig zum Lachen ist es den Einheimischen heuer nicht. Direktor Walter Veit vom Enzian-Hotel, frisch gewählter Präsident der österreichischen Hotellerie, sagt es frei heraus, das Unwort der Saison: „Z’wenig“. Zu wenig Betrieb, zu wenige Gäste, zu wenige Mitarbeiter: Folgen der Pandemie. Mario Siedler vom örtlichen Tourismusamt beschwichtigt: „Aber über z‘wenig Schnee können wir uns nicht beklagen. Obertauern ist ein echtes Schneeloch, mit über 1.700 Metern die höchstgelegene und schneesicherste Skiregion im Salzburger Land“.

Krallen unter den Schneeschuhen und Stöcke geben Sicherheit. – Foto Katharina Büttel

Schneewolken aus Nord und Süd treffen hier aufeinander und entladen sich kräftig über den Hohen Tauern. Mit zweieinhalb Meter mittlerer Schneehöhe führt Obertauern das Ranking der sieben schneereichsten Winterorte in Österreich bis in den Mai an, Schneekanonen braucht es hier selten. Und wie zur Bestätigung schneit es seit Stunden und schneit, dicht, dick in heftigen Böen und nimmt kein Ende. Ringsum die Berge in ihrer Schönheit: unsichtbar! Gamskar, Hundskogel, Seekar, Gamsleiten, Zehnerkar „ganzkörperverschleiert“ vom Gipfel bis zum Fuß. Aus dem Versprechen der Bergprofis „Vom Bett auf die Piste“ wird erstmal nichts.

Obertauern
Gute Technik macht das Schneeschuhewandern sicher. – Foto Katharina Büttel

Trotz durchschneiter Nacht wollen die beiden Männer unserer Gruppe mit einem Skiguide auf den Hundskogel. Die Münchnerin als Dritte im Bunde wagt mit der Skilehrerin Miriam ebenfalls eine Skitour. Die will ihr beweisen, dass Obertauerns Slogan „Take me back to Ski“ funktioniert: Skiläufer, die zwei Jahre nicht mehr auf Skiern standen, sollen in nur drei Tagen durch individuelle Betreuung fit und angstfrei für die Piste gemacht werden – das funktioniert und ist kostengünstig.

Die Beatles 1965 genießen das erste Mal Skivergnügen. – Foto Tourismusverband Obertauern

Das wäre das ideale Konzept für die Beatles gewesen. 1965 wählten sie Obertauern mit dem herrlichen Alpenpanorama als Drehort für ihren berühmten Film „Help“. Aber wie sollten sie, absolute Nichtsportler, die Drehs auf den Pisten hinkriegen? Ganz einfach: örtliche Skilehrer verwandelten sich in Paul, John, George, Ringo und rasten als „die Pilzköpfe“ in eleganten Kurven die Schneepisten hinunter. Was für eine Gaudi. Als die Beatles auch noch ein Klavier auf die Berghänge schleppen ließen und darauf ihre Hits in den Winterhimmel hämmerten – die einheimischen Jungs und Mädels standen Kopf! Als Dankeschön gab’s ein kleines, feines Konzert in einem familiengeführten Hotel – übrigens das einzige in Österreich.

Die neue Trendsportart Snowbiking ist leicht zu lernen. – Foto Katharina Büttel

Die Schar derjenigen, die zwar den Winter in den Bergen lieben, aber nicht den Skirummel, wird immer größer. Selbst Skiverrückte schätzen mal eine Pause von den tollen Pisten. Eine genüssliche Schneeschuh-Wanderung ist genau richtig für jemanden, der was Einfaches sucht, der weder Ski fahren noch langlaufen noch snowboarden kann, aber trotzdem im Schnee dabei sein will.

Das Bergdorf Obertauern wird gern Schneeschüssel genannt. – Foto Tourismusverband Obertauern

Im Freizeitzentrum rund um die auf 1350 Meter hoch gelegene Gnadenalm haben sie alle Winterspaß: die Rodler, Langläufer, Biathleten; Familien und Romantiker im Pferdeschlitten; die Youngster beim trendigen Snowbiken und Snowkiten. Im Bobby Land sind die Kleinsten die Größten. Schnell sind Schneeschuhe, Stöcke, vorsorglich auch eine Schneebrille, ausgeliehen. Erfunden wurde das leise Gehen von den Inuit in Alaska, die als erste auf riesigen Sohlen durch tiefen Schnee stapften. Heute ist diese gemächliche Fortbewegungsart als „Slow Walking“ bekannt. Mit den Gestellen aus Leder mit Holzrahmen haben die modernen Sportgeräte nicht mehr viel gemein. Leichte Kunststoffteller mit Zacken für besseren Halt schonen die Kräfte. Die breiten, superkurzen Ski sind mit wenigen Handgriffen unter die Wanderstiefel geschnallt.

Obertauern
Auch im Schneegestöber ist eine Pferdeschlittenfahrt eine Riesengaudi. – Foto Katharina Büttel

Unzählige Wanderwege stehen zur Wahl. Auf geht’s! Die Berlinerin aus der Gruppe wandert mit Begleiterin Maria anfangs leicht und locker über einen flachen Pfad, dann querfeldein durch unpräpariertes Gelände, zwei Stunden, ganz gemütlich, in aller Stille. Das sollte kein Problem sein. Schneeschuhwandern kann schließlich jeder, Kinder und Ältere.

Warum nicht einmal nach schicken Wintertrachten im Ortskern stöbern? – Foto Katharina Büttel

Nach ein paar Minuten bewegen wir uns in einer anderen, märchenhaften Welt, rechts und links des Weges riesengroße, dickverschneite Fichten – auf der Strecke sind kaum Menschen. Fuß vor Fuß geht es voran, die Tour ist leicht mit geringen Höhenmetern – immer parallel zur Langlaufloipe. Ziel ist das Naturdenkmal Johanneswasserfall, Obertauerns heimliches Wahrzeichen. Der 60 Meter hohe, im Winter bizarr vereiste Wasserfall hat den Namen von Erzherzog Johann, der großes Gefallen an dem Ort fand. – Beizeiten, bevor die Beine bleischwer werden, nähern wir uns gemächlich wieder der Gnadenalm. Hell erleuchtet sind die Fenster, auf Dach und Holzscheiten ballen sich die Schneehauben. Am wohlig-warmen Kaminofen stärken wir uns mit einer Tasse heißen Kakaos.

Hüttengaudi auf der urigen Gnadenalm. – Foto Katharina Büttel

Obertauern ist ein Dorf mit 280 Einwohnern, 5.000 Gästebetten, mit Pisten und Seilbahnen rund um den Ort bis auf 2.313 Meter; Gipfel erreicht man hier mit nur 300 Meter Höhenunterschied – wo gibt’s das schon? Das Fehlen von turbulentem Nachtleben in Zeiten von Corona machen die Gastgeber mit anheimelnder Hüttenatmosphäre, gutbürgerlicher und gehobener Küche wett. In der „Alten Alm“ zum Beispiel – einem Gasthaus aus drei zusammen getragenen Bauernhöfen – ist es zu jeder Tageszeit gesellig. Drinnen duftet es nach Holz; Wände ziert ledernes Pferdegeschirr, altes Bauerngerät wie hölzerne Heugabeln und Stilpfannen, ein Heuwagen und „Liebestöter“ von gestärktem weißen Leinen hängen von den Deckenbalken.

Kaiserschmarrn als Belohnung nach einer langen Schneeschuh-Wanderung. – Foto Katharina Büttel

In diesem „warmen“ Ambiente trifft sich die Gruppe nach Schnee- und Skivergnügen wieder zu Kasnocken, Ripperl mit Sauerkraut und Semmelknödeln – am Kaiserschmarrn zum Schluss, locker, leicht mit Puderzucker und Kompott, kommt keiner vorbei. Auch nicht an den köstlichen Edelbränden, Obstlern und Likören, die Niki Kirchgasser und seine Frau Petra in ihrer Tauernbrennerei mit großer Passion vom Obst hauseigener Bäume destillieren. „Highlights? Gibt es nicht – entweder der Schnaps ist gelungen oder nicht“, betont Niki selbstbewusst. Unsere Favoriten sind der Rotwein- und Zirbenlikör!

Für lauschige Momente eignet sich bestens ein Almstüberl. – Foto Katharina Büttel

Der nächste Tag wird anspruchsvoller! Wieder Neuschnee über Nacht! Die Tour auf den Riesensohlen soll hinauf zur Gasselhöhe gehen mit dem Versprechen, auf 2.000 Meter eine Traumkulisse mit dem Dachsteingebirge, den Schladminger Tauern und dem Ennstal zu erleben. Schön wär es, wenn sich die Berge im Sonnenschein zeigen würden….

Informationen: www.obertauern.com

Anreise: Flug z.B. mit der Lufthansa bis München, weiter mit dem Shuttle-Transfer in 3,5 Stunden bis Obertauern. Taxi-Transfer z.B. mit Habersatter Reisen,
+43(0)6452/7788

Anheimelnd ausgestattet sind die meisten Almhütten in Obertauern. – Foto Katharina Büttel

Wintererlebnisse abseits der Skipisten: Geführte Wanderungen, Sportgeräteverleih; neu: Beatles-Themenweg zu den original Drehorten.

Große Schatzsuche: Am 23. April werden 35 wertvolle Preise in Schatzkisten im Schnee versteckt.

Sehenswert: Die Bilder-Ausstellung über 100 Jahre Skilauf in Obertauern im Haus des Gastes.

Unterkunft: Obertauern hat ein breites Angebot an Feriendomizilen, u.a. das 4-Sterne-plus Hotel & Zirben-Spa Enzian mit Pool und Beauty-Bereich.