Madeira zwischen Blütenmeer und Atlantik

Madeira
Nicht nur an der Levada da Bica da Cana zeigt sich Madeira von seiner schönsten Seite. – Foto Karsten-Thilo Raab

Schöner kann der Auftakt kaum sein. Von der Inselhauptstadt Funchal aus geht es an der Küste entlang gen Westen. Die Route führt abwechselnd durch ellenlange Tunnel und vorbei an riesig sich auftürmenden Bergen mit steilen Hängen und terrassenförmig angelegten Bananenplantagen. Dazwischen schmiegen sich Häuser verstreut an die steilen Hänge. Ganz Madeira scheint ein Hanghuhn zu sein – ein durchlöchertes noch dazu. Denn auf der gerade einmal 57 Kilometer langen und 22 Kilometer breiten Atlantikinsel wurden allein im Laufe der letzten zweieinhalb Jahrzehnte mehr als 300 Tunnel angelegt. Diese ersetzen die zum Teil extrem steilen und kurvenreichen Straßen entlang der Küste, aber auch im Inselinneren, wo sich der Pico Ruivo als höchster Berg stattliche 1.862 Meter hoch aufbäumt.

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Zu den magischen Orten auf Madeira gehört die Halbinsel Ponta de São Lourenço. – Foto Karsten-Thilo Raab

In Prazeres im Südwesten von Madeira lädt ein kleiner lokaler Supermarkt dazu ein, schnell etwas für das abendliche Picknick einzukaufen. Eine Flasche Madeira-Wein, eine Flasche Wasser, ein bisschen lokaler Käse, etwas Butter, ein Laib frisch gebackenes Brot – alles zusammen für kaum mehr als 10 Euro. Am Rande des verträumten 700-Seelen-Nestes eröffnet eine gut 600 Meter hohe Küstenlinie famose An- und Aussichten. Von hier führt ein Wanderweg 560 Meter steil hinunter zum kleinen Fischerdörfchen Paul do Mar. Schon nach wenigen Metern zweigt ein Fußweg auf eine spektakuläre Klippe ab, von deren Rand sich ein wohl einmaliges Panorama eröffnet.

Fackellilie am Levada da Bica da Cana. – Foto Karsten-Thilo Raab

Das Felsenmeer wird von Kakteen und Blumen gesäumt, während ein altes, mit Kartoffelrosen umwuchertes Strohhaus für besonderes Flair sorgt. Ganz im Westen versinkt langsam die Sonne im Meer. Ein Kreuzfahrtschiff, das von Funchal aus auf den offenen Ozean hinaus steuert, wirkt von hier oben fast wie ein Spielzeugboot. Mehr und mehr werden die Klippen und das kleine Dorf in ein faszinierendes Licht getaucht, bis der Himmel und das unendliche Wasser des Atlantiks ineinander zu verschmelzen scheinen. Der dünn besiedelte Inselwesten ist nicht nur um diese Zeit fast menschenleer.

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Hoch hinaus geht es auf dem Levada da Bica da Cana. – Foto Karsten-Thilo Raab

Zu den Besonderheiten Madeiras gehören die Levadas. Die schmalen, von den Insulanern mühevoll angelegten Bewässerungskanäle durchziehen in einem ausgeklügelten System weite Teile der Insel. Die kleinen Kanäle führen eng an den Rändern der Berge entlang durch Zuckerrohrfelder, Weinhänge und Bananenplantagen, aber auch vorbei an rauschenden Wasserfällen, schroff abfallenden Berghängen sowie durch sumpfige Hochmoore oder schattige Lorbeerwälder. Parallel zu den Levadas verlaufen schmale, etwa schulterbreite Wanderwege, die es ermöglichen, die üppige Flora und Fauna bis in den hintersten Winkel der Insel zu erkunden. Die Wasserwege sind frei zugänglich und die Pfade nahezu flach. Nur trittsicher und in einigen Teilen schwindelfrei muss der geneigte Inselforscher sein.

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Neugierig nimmt die Kuh die Wanderer am Levada da Bica da Cana in Augenschein. – Foto Karsten-Thilo Raab

In Prazeres startet mit der Levada Nova ein perfekter Wasserweg für wenig geübte Wanderer. Das Wasserband wird begleitet von meterhohen Ginsterbüschen und dichten Wäldern. Nur wenig anspruchsvoller ist die Levada da Ribeira da Janela, deren Einstieg am Wasserspeicherbecken in Lamaceiros erfolgt. Über den fast rötlichen Lehmboden geht es vorbei an zahlreichen Liliengewächsen, hoch aufragenden Lorbeerbäumen und durch tiefe Täler. Auch hier wird auf Schritt und Tritt deutlich, welche gigantische Pionierleistung notwendig war, um an den engen wie steilen Berghängen ein derartiges Wassersystem von Hand zu installieren.

An der Levada Nova zeigt sich ein Teil der berühmten Blütenpracht. – Foto Karsten-Thilo Raab

Wer unweit von Ponta do Sol in Corujeira im Tal der Ribeira da Tabuna in die Levada Nova einsteigt, erkennt schon nach wenigen Meter unweigerlich, warum Madeira als Blumeninsel gilt. In etwa 420 Metern Höhe wird das Wasserband von prachtvoll blühenden Blumen links und rechts des Weges begleitet. Darunter finden sich die endmische Pflanzen wie der blau-violette Madeira-Natternkopf, die Wollaston-Musschie oder die Strelitzie. Unterbrochen wird der Weg durch einen etwa 80 Meter langen Tunnel, an dessen Ende ein tosender Wasserfall für einen besonderen Blickfang sorgt.

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An den Levadas finden sich auc immer wieder prächtige Wasserfälle. – Foto Karsten-Thilo Raab

Kaum minder spektakulär gibt sich die Levada da Bica da Cana zwischen Canhas und Paul da Serra. Immer wieder ziehen dicke Nebelschwaden und Wolken über die Bergkuppen und verleihen der Tour etwas Mystisches. Wenn hier und da die Sonne durchbricht und die Wolken verschwunden sind, eröffnet sich aus rund 1.350 Metern Höhe eine prachtvolle Aussicht auf die Südküste von Madeira. Das Wasserband verläuft dabei zunächst zwischen Ginsterbüschen oberhalb der Baumgrenze. Entlang des Weges grasen freilaufende Kühe. Dort, wo sich die Rindviecher direkt in der Levada am Wasser laben oder das Gras auf der anderen Seite abfressen, ist etwas Geduld gefragt, bis die gehörnten Wiederkäuer den Weg freiwillig wieder freigeben. Besonders dann, wenn sie frisch gekalbt haben.

An einigen Tagen sind die Wege an der Ponta de São Lourenço stark frequentiert. – Foto Karsten-Thilo Raab

Nur Teile des Weges sind seitlich gesichert, obschon es mehrere Hundert Meter steil ins Tal hinabgeht. Entsprechend schwingt bei jedem Schritt ein wenig Unwohlsein mit, gepaart mit der Faszination für die Schönheit der Natur und begleitet von der atemberaubenden Aussicht über das Tal bis hin zum Atlantik.

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Zu den schönsten Wasserwegen gehört sicher die Levada da Ribeira da Janela. – Foto Karsten-Thilo Raab

Überaus beliebt, aber auch überaus kräftezehrend ist die Levada das 25 Fontes. Auf verschiedenen Ebenen durchziehen die Wasserwege das hügelige Waldgebiet mit seinen 25 Quellen.

Von der Ponta de São Lourenço bieten sich famose Ausblicke auf Madeira. – Foto Karsten-Thilo Raab

Nicht minder stark frequentiert ist die Halbinsel Ponta de São Lourenço im Südosten von Madeira, wo die Massenbewegung mitunter an eine Völkerwanderung gemahnt. Wie eine gigantische Entenfamilie watscheln an manchen Tagen die unzähligen „Bergziegen“ und „Hobbygipfelstürmer“ in einer schier endlosen Karawane hintereinander her die Stufen hinauf und hinunter sowie den schmalen Trampelpfaden entlang. Ein schweißtreibendes Geduldsspiel am Kap, das mit spektakulären und bizarr geformten Gesteinsformationen dennoch eine Pflichtstation ist.

Spektakulär: Die Lava-Küste in Porto Moniz. – Foto Karsten-Thilo Raab

Wer statt zum Wandern zum Baden nach Madeira kommt, wird enttäuscht. Schöne Strände sind absolute Mangelware. Die meisten verfügen lediglich über überaus grobe Steine. Lediglich in Calheta und Machico gibt es zwei kleine, mit Sand aus Marokko aufgeschüttete Strandabschnitte. Doch auch hier ist das Baden ob der niedrigen Temperatur des Atlantiks von ganzjährig gerade einmal 16 bis 18 Grad Celsius eher etwas für Hartgesottene.

Selfie-Point in Porto Moniz. – Foto Karsten-Thilo Raab

In Porto Moniz, im Nordwesten der Insel, wartet hingegen eine Besonderheit: eine dunkle Lavazunge prägt den Küstenabschnitt und formte zahlreiche natürliche Becken. Die tosende Brandung macht das Baden zwischen den bizarren Gesteinsbrocken zu einem besonderen, wenn auch eiskalten Erlebnis.

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Zwangsdusche am Wasserfall zwischen Ponta do Sol und Madalena do Mar. – Foto Karsten-Thilo Raab

Ein ganz ungewöhnliches Abenteuer wartet auf der gegenüberliegenden Inselseite auf der alten Küstenstraße zwischen Ponta do Sol und Madalena do Mar. Ein Wasserfall prasselt hier aus gut 40 Metern Höhe mitten auf die Fahrbahn und sorgt unweigerlich für eine unfreiwillige Autowäsche bei den vorbeirollenden Fahrzeugen. Nicht wenige hüpfen auch einfach mal kurz so in Badehose unter den mächtigen Wasserstrahl, um ein ungewöhnliches Urlaubsfoto zu schießen. Hier treibt die Blumeninsel Madeira ihre ganz besondere Blüten…

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Eine Besonderheit sind die Strohäuser in Santana. – Foto Karsten-Thilo Raab

Informationen: www.visitmadeira.pt

Lage: Madeira liegt rund 950 Kilometer südwestlich von Lissabon und knapp 740 Kilometer westlich der marokkanischen Küste im Atlantischen Ozean. Die Insel mit ihren gerade einmal 250.000 Einwohnern misst rund 740 Quadratkilometer; Hauptstadt ist Funchal.

Blick vom Cabo Girao auf die Südküste Madeiras. – Foto Karsten-Thilo Raab

Anreise: TAP Air Portugal, Eurowings, TUIfly und Condor fliegen von verschiedenen Flughäfen in Deutschland, Österreich und der Schweiz bis zu dreimal wöchentlich nach Madeira.

Klima: Madeira ist ein Ganzjahresziel. Die Temperaturen liegen im Winter um die 19 Grad Celsius und steigen im Sommer auf rund 25 Grad Celsius. Aufgrund des nahezu permanent wehenden Windes wirkt es mitunter kühler.

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Die künstlerisch gestalteten Türen in Funchal sind beliebte Fotomotive. – Foto Karsten-Thilo Raab

Tipp: In der Inselhauptstadt Funchal fasziniert die Rua de Santa Maria. In der Hauptlebensader der historischen Altstadt wurden rund 200 Türen und Tore künstlerisch gestaltet und sorgen für besondere Blickfänge zwischen den Häusern mit ihrem zum Teil morbiden Charme.

In Santana lassen sich Casa do Colmo, mit Stroh gedeckte Häuser mit ihren bis auf den Boden reichenden Dächern, bewundern.

Spezialität auf Madeira: Der Degenfisch mit Banane. – Foto Karsten-Thilo Raab

Genuss: Spezialitäten der Insel sind Tomatensuppe mit verlorenem Ei (Spoa de Tomate), grüne Suppe (Caldo Verde) mit Kartoffeln, Kohl und Knoblauchwurst sowie Degenfisch mit Banane (Espada com Banana). Traditionelles Getränk sind Madeira-Wein und Poncha. Letzterer besteht aus einheimischem weißem Rum, Madeira-Honig und frisch gepresstem Zitronensaft.

Essen & Trinken: Sol e Cantino da Madalena, Avenida 10 de Fevereiro, 9360-419 Madalena do Mar, Tel. +351 291 62 46 21. Familienbetrieb mit schönem Biergarten. Serviert werden fangfrischer Fisch und portugiesische Küche.

Restaurante Chico, Caminho da Rocha 164, 9370-612 Prazeres. Gehobene portugiesische Küche.

Idyllisch: Der kleine Hafen in Camara de Lobos. – Foto Karsten-Thilo Raab

Übernachten: Jardim Atlantico, Caminho Lombo da Rocha 1, 9370-612 Prazeres, Madeira, Portugal, Tel. +351 291 820 220. Das ökozertifizierte Vier-Sterne-Hotel bietet Doppelzimmer ab 105 Euro pro Nacht an.

Quinta da Casa Branca, Rua da Casa Branca 7, 9000-088 Funchal, Madeira, Portugal, Tel. +351 291 70 07 70. Kleines Hotel mit 29 Zimmern in parkähnlicher Anlage mit Pool. Doppelzimmer ab 200 Euro.

Casa do Papgaio Verde, Travessa do Papagaio Verde, 31, Funchal, Madeira, Portugal, Tel. +351 291 775 900, Kleine Anlage mit nur drei Zimmern und vier Apartments. Doppelzimmer ab 75 Euro.