Macau – das Tor zum Glück

Nicht wenige kommen hierher, um sich gepflegt die Kugel zu geben. Andere legen ihre Pokerface auf und hoffen, das richtige Trumpfas im Ärmel zu haben. So oder so träumen hier fast alle vom Glück und großen Geld. Beides kann in Macau, rund 65 Kilometer westlich von Hongkong, erlangt werden. Zumindest theoretisch. Denn im weltweit größten Glücksspielparadies liegen Hoffen und Bangen, Verzweiflung und Glück so eng nebeneinander wie kaum sonst wo auf der Erde. Hier wurde mancher über Nacht zum Millionär, hier wurden aber deutlich mehr Millionenträume begraben. Die boomende Glücksspielindustrie ist Fluch und Segen für die ehemalige portugiesische Enklave am Perlfluss, die seit 1999 als Sonderverwaltungszone zu China gehört.

„Der Status von Macau ist schon so etwas wie der Treppenwitz der Weltgeschichte. Obwohl es zum Weltreich China gehört, wurde es 450 Jahre lang von einem europäischen Kleinstaat verwaltet“, so Harald Brüning. Der 56jährige Journalist lebt seit 25 Jahren in Macau, nachdem er bereits viele Jahre als Korrespondent für große Presseagenturen aus Südostasien berichtete. Heute verdient der in Helmstedt geborene Deutsche seine Brötchen als Herausgeber der englischsprachigen Tageszeitung Macau Post. Gleichzeitig gilt Brüning als einer der profundesten Kenner der Stadt überhaupt.

„Zwischen den Macanesen und den Kasinos besteht eine Hass-Liebe“, weiß Brüning zu berichten, dass statistisch gesehen gerade einmal zwei Prozent der 560.000 Einwohner dem Glücksspiel frönt. Gleichzeitig sind die Kasinobetriebe nebst den dazugehörigen Hotel- und Einkaufskomplexen der bei weitem größte Arbeitgeber in Macau. Allein 30.000 Croupiers sind in den mittlerweile 32 Kasinokomplexen mit ihren 4.390 Spieltischen und 13.500 einarmigen Banditen beschäftigt.

40 Prozent der erwirtschafteten Bruttoeinnahmen aus den Kasinos gehen direkt an den Staat. Und davon profitieren alle. „80 Prozent der Bevölkerung ist komplett steuerbefreit, die anderen zahlen maximal den Spitzensteuersatz von zwölf Prozent“, so Brüning weiter.

Schon seit 1847 ist in Macau das Glücksspiel legalisiert. Damals verlor die Stadt am Perlfluss ihre Bedeutung als Handels- und Umschlagsplatz in Südostasien an das benachbarte Hongkong, dessen Hafen schlicht mehr Möglichkeiten bot. Von 1937 an genoss Lokalmatador Stanley Ho über Jahrzehnte ein Monopol für das Glücksspiel. Als Portugal seinen kolonialen Außenposten 1999 an China zurückgab, fiel auch das Glückspielmonopol. Neue Lizenzen wurden weltweit ausgeschrieben.

„Jetzt kontrollieren sechs internationale Konsortien die Kasinos der Stadt“, so Brüning mit Blick auf den schier unglaublichen Bauboom, der zu Beginn des 21. Jahrhunderts einsetzte. Zwischen den beiden vorgelagerten Inseln Taipa und Coloane wurde aufwendig neues Land aufgeschüttet. Eigens dafür wurde im benachbarten China ein Berg abgetragen. Auf Cotai, dem neuen Landstrich, dessen Name sich aus den ersten Silben der beiden Inseln zusammensetzt, entstanden binnen kürzester Zeit  Wohntürme, Shopping Malls und Kasinohotels.

„Nur Kasinos hochzuziehen, genügt nicht. Um Erfolg zu haben, braucht man auch den Wow-Effekt“, so Shelly Chan, Marketing Managerin der 2009 eröffneten City of Dreams. In dem Glas-Stahl-Komplex, bestehend aus den Crown Towers, dem Grand Hyatt und dem Hardrockhotel, kann nicht nur gezockt, sondern auch geshoppt und gespeist werden. Zudem wird in dem dazugehörigen Dom zweimal stündlich die spektakuläre Multimediashow „The Bubbles“ kostenlos präsentiert.

Im benachbarten Venetian kann sich der Gast mit einer Gondel durch die künstlichen Kanäle schippern lassen und auf dem nachgebauten Markusplatz feinsten italienischen Espresso genießen. Nur die Tauben fehlen hier. Vor dem Wynn im Zentrum von Macau ziehen faszinierende Wasserspiele die Besucher in ihren Bann. Viermal stündlich wird hier ein von Lichtspielen umrahmtes Wasserballett aufgeführt. Über Tausend Fontänen tanzen dann zur Musik von Pavarotti bis Sinatra. Derweil ist das 2007 eröffnete Grand Lisboa von weitem zu erkennen. Der 258 Meter hohe Komplex gemahnt optisch an eine gigantische Lotus-Blüte. Und das in Gold, Silber und Bronze gehaltene MGM Grand verfügt im Innenbereich über einen riesigen überdachten Platz, dessen Hauptgebäude dem Lissabonner Hauptbahnhof nachempfunden ist.

„Las Vegas ist heute kaum mehr als das kleine Macau des Westens“, verkündet Shelly Chan selbstbewusst. 23 Millionen Besucher pro Jahr und ein Umsatz von mehr als 15 Milliarden US-Dollar sprechen eine deutliche Sprache. Gleichwohl kommen nicht alle, um dem Glücksspiel zu frönen. Denn Macau hat weit mehr zu bieten. Da ist insbesondere die 2005 von der Unesco zum Weltkulturerbe erhobene Altstadt. Rund um den kunstvolle mit Calçada-Muster aus schwarzem Basalt und weißem Kalkstein ausgelegten Largo di Senado strahlen barocke Kolonialbauten in leuchtende Farben um die Wette und zeugen vom reichen portugiesischen Erbe.  Ein nicht enden wollender Menschenstrom schiebt sich durch die engen Gassen und Straßen zu den Ruinen der 1835 niedergebrannten St. Paul Kathedrale. Von dem Wahrzeichen Macaus steht lediglich noch die prächtige Barockfassade, die allein der Feuerbrunst trotzen konnte.

In den zahlreichen Bäckereien entlang der Rua de Sao Paulo werden lecker duftende Sesamkekse feilgeboten. Auf Bänken und Brunnenrändern hocken Männer beim Brettspiel. An allen Ecken wird gewürztes Fleisch in hauchdünnen Scheiben verkauft oder Tee angeboten. Selbst Haifischflossen, Schwalbennester und getrocknete Seepferdchen zieren hier die Auslagen der Geschäfte.

Zwischen Bonsai und Bambus zerschneiden Alte und Junge im Lou Lim Leoc Garden im Zeitlupentempo beim Tai-Chi mit Händen, Armen und Beinen die Luft. Musiker entlocken merkwürdigen Instrumenten wie der Yee Wu, einer chinesischen Violine, noch merkwürdigere Töne, während einige Greise ihre Singvögel im Käfig spazieren führen.

Überaus sehenswert ist auch der A-Má-Tempel am Inner Harbour in ummittelbarer Nachbarschaft zum Maritime Museum. Gläubige zünden nach dem Gang durch das runde Mondtor des Weltkulturerbes Räucherstäbchen an und bringen Opfergaben dar. Wer Nahestehenden helfen möchte, versucht, mit Gebeten und einer Geldspende göttliche Gnade zu erlangen.

Einen herrlichen Blick auf Macau und die Insel Taipa bietet sich vom Macau Tower, dem mit 338 Metern 10. höchsten Gebäude der Welt. In 233 Metern Höhe können Wagemutige beim Skywalk an einem Seil hängend auf einem 150 Zentimeter breiten Außenring spazieren und den Blick auf die Skyline des Glücksspielparadieses genießen. Noch höher hinaus geht es beim Mast Climb. 100 Meter gilt es vertikal hoch auf die Spitze des Turms zu klettern – was echt schweißtreibend ist. Und dies nicht nur wegen der Luftfeuchtigkeit, die je nach Jahreszeit bei bis zu 93 Prozent liegt. Trotz der Sicherungsseile sind bei dem mühevollen Auf- und Abstieg zwei Stunden schlotternde Knie und feuchte Hände garantiert. Ein Adrenalinkick, den viele auch beim Besuch der Kasinos verspüren dürften. Auch feuchte Hände sind dort nicht unüblich, sehen doch nicht wenige Macau als ihr persönliches Tor zum Glück an.

Informationen: Fremdenverkehrsbüro Macau, Schenkendorfstraße 1, 65187 Wiesbaden, Telefon 0611- 2676730, www.macau-info.de

Anreise: Die bequemste Anreisemöglichkeit ist mit dem Flugzeug bis Hongkong. Von dort gibt es eine Fährverbindung direkt vom/zum Internationalen Flughafen im Transit, dass heißt, es ist keine Einreise nach Hongkong notwendig. Die Fährüberfahrt rund 45 Minuten. Cathay Pacific (www.cathaypacific.com) bietet ab 599 Euro täglich Direktflüge ab Frankfurt nach Hongkong und zurück an.

Einreise: Besucher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz brauchen kein Visum. Es genügt ein gültiger Reisepass.

Kasinos: Die 32  Glücksspieltempel Macaus sind 24 Stunden am Tag geöffnet. Der Eintritt ist frei. Zudem bieten die Kasinokomplexe kostenlose Shuttlebusse vom beziehungsweise bis zum Fährterminal sowie in die und aus der Altstadt an

Literatur: Karsten-Thilo Raab, Ulrike Katrin Peters: Macau Reisehandbuch, Westflügel Verlag, ISBN 978-3-939408-10-9, 12,90 Euro, bestellen

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