Kalt brodelndes Aserbaidschan – Schlammvulkane, Steinzeit-Künstler und Felsenzeichnungen

Brodelnde Blickfänge: Die vier bis zehn Grad warmen Schlammvulkane von Aserbaidschan. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Brodelnde Blickfänge: Die vier bis zehn Grad warmen Schlammvulkane von Aserbaidschan. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Obschon die Sport Utility Vehicles, wie die Geländelimousinen offiziell heißen, gerne mal den einen oder anderen Liter Sprit mehr verbrauchen, verfügt Baku über die gefühlt größte Dichte an SUVs weltweit. Kein Wunder, bei Dieselpreisen von umgerechnet 60 Cent und Benzinpreisen von knapp 70 Cent. Und so eine geländegängige Riesenschleuder wäre jetzt genau richtig. Denn rund eine Autostunde südwestlich der aserbaidschanischen Hauptstadt biegt der Kleinbus von der Hauptstraße in eine buckelige Lehmstraße inmitten der Steppenwüste ab. Nur überaus langsam kommt das Gefährt voran. Jede Schnecke könnte den Minibus vermutlich locker überholen. Doch die tiefen Löcher lassen kein höheres Tempo zu – zumindest, wenn ein Achsbruch vermieden werden soll.

Mit ächzenden Stoßdämpfern geht es durch eine unwirtliche Landschaft. Kein Baum weit und breit; nur hier und da ein paar vertrocknete Sträucher und Gräser und immer wieder steile Anstiege. Nach fast endlos erscheinenden 20 Minuten im James-Bond-Rhythmus, also, (durch-) geschüttelt, nicht gerührt, kapituliert der Fahrer. Von nun an heißt es, die Beine unter den Arm nehmen.

Keuchend geht es einen schmalen, dafür umso steileren Anstieg hinauf. Wie Jeannie aus der Flasche in dem TV-Klassiker „Bezaubernde Jeannie“ taucht auf der Anhöhe quasi aus dem Nichts ein Aserbaidschaner in abgewetzter Kleidung auf einem Esel auf. Er lächelt, zeigt seine kaum vorhandenen Zähne und bittet gestenreich um eine Zigarette. Das Feuerzeug hat er sofort in sein Herz geschlossen. Er deutet an, dass er dieses kleine Wunderwerk gerne behalten möchte. Dafür lässt er sich im Gegenzug bereitwillig fotografieren, um dann ein paar Sekunden später wieder genauso schnell verschwunden zu sein, wie er aufgetaucht ist.

Aserbaidschaner auf einem Esel an den Schlammvulkanen von Daschgil. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Aserbaidschaner auf einem Esel an den Schlammvulkanen von Daschgil. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Über den staubigen Boden geht es auf ausgelatschten Pfaden voran. Am Horizont sind die Ausläufer von Baku und das Kaspische Meer zu erkennen. Auch einige Ölpumpen, Ölplattformen und Raffinerieanlagen fallen in den Blick. Doch dafür interessiert sich in der Einöde unweit von Gobustan wirklich niemand. Vielmehr übt hier eine ungewöhnliche Laune der Natur eine fast schon magische Anziehungskraft aus: Die brodelnden und sabbernden Schlammvulkane von Daschgil.

Einige Vulkankrater sind kaum größer als ein Unterteller, anderen messen mehrere Meter im Durchmesser. Und sie alle sind im wahrsten Sinne des Wortes äußerst spritzig und gemein. Oft dümpeln die Krater minutenlang scheinbar inaktiv und erloschen vor sich hin. Fatal nur, wer sich mit der Kamera in der Hand zu nahe zu ihnen herunterbeugt. Denn plötzlich beginnen die Vulkane zu blubbern und kleine Fontänen schießen in alle Himmelsrichtungen in die Luft. Mit dem Effekt, dass mancher Hobbyfotograf binnen Sekunden wie ein gesprenkeltes Ferkel aussieht.

Rund 500 SChlammvulkane wie diesen hier in Daschgil soll es in Aserbaidschan geben. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Rund 500 SChlammvulkane wie diesen hier in Daschgil soll es in Aserbaidschan geben. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Die graubraune Masse gibt sich äußerst anhänglich und sorgt dafür, dass neben der Kamera auch die Schuhe, die Hose und das Oberteil nachhaltig vom „Naherlebnis Schlammvulkan“ zeugen. Glücklicherweise lässt sich das Ganze aber mit Wasser wieder gut entfernen. Gleichwohl ist es ratsam, nicht ganz so nahe an die Vulkankrater heranzugehen.

„Im Gegensatz zu normalen Vulkanen sind die Schlammvulkane nur vier bis zehn Grad Celsius warm und speien kühlen Schlamm“, ist Fremdenführerin Rena Huseynova sogar davon überzeugt, dass so eine (unfreiwillige) Schlammpackung aufgrund des hohen Mineralgehalts gut für die Haut sei. Nirgendwo auf der Welt gäbe es, so Huseynova weiter, mehr Schlammvulkane als in Aserbaidschan. Rund 500 seien in der Kaukasusrepublik zu finden.

Die Schlammvulkane sind im wahrsten Sinne des Wortes überaus spritzig. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Die Schlammvulkane sind im wahrsten Sinne des Wortes überaus spritzig. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

„Genau genommen sind die Schlammvulkane auch keine richtigen Vulkane“, fährt die drahtige Mitvierzigerin fort. Die Vulkane seien indirekt den großen Öl- und Gasvorkommen des Landes zu verdanken. Durch geologische Faltungsprozesse wird Gas tief unter der Erde zusammengepresst und dringt zusammen mit Wasser und Gestein aus zum Teil mehreren Tausend Metern Tiefe an die Oberfläche. Das Gas, das die Vulkane ausstoßen, enthält bis zu 90 Prozent Methan und ist leicht entzündlich. Daher kann es vorkommen, dass ein Schlammvulkan bis zu mehrere hundert Meter hohe Flammen ausstößt. Hier unweit von Gobustan blubbern und sabbern die Schlammspucker heute jedoch nur, was beeindruckend genug ist.

UNESCO-Weltkulturerbe: Die Felszeichnungen von Gobustan. (Foto Karsten-Thilo Raab)
UNESCO-Weltkulturerbe: Die Felszeichnungen von Gobustan. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Kaum minder beeindruckend sind im 44 Quadratkilometer großen Gobustan Nationalpark die berühmten Felsenzeichnungen, die zum Teil mehr als 10.000 Jahre alt sind. Versteckt sind die rund 6.000 Zeichnungen in Höhlen und auf Felsbrocken. Sie zeigen vornehmlich Jagdszenen, Tieren und einfache Darstellungen von Menschen in der Steinzeit.

„Die Felszeichnungen sind nicht gemalt, sondern in den Stein geritzt“, weiß Rena Huseynova, dass die Konturen früher mit Zahncreme ausgefüllt wurden, um die Zeichnungen besser erkennen zu können. Doch seit die UNESCO im Jahre 2007 die Arbeiten der Steinzeit-Künstler als Weltkulturerbe unter ihren Schutz gestellt hat, ist dies verboten.

Ultramodern: das Petroglyph Museum in Gobustan. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Ultramodern: das Petroglyph Museum in Gobustan. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Gobustan hat weit mehr zu bieten, als diese beeindruckenden Zeichnungen“, verweist Rena Huseynova darauf, dass bei archäologischen Ausgrabungsarbeiten rund 40 Massengräber, tausende von prähistorischen Waffen, Werkzeugen und Keramiken so wie Höhlen, in denen die Menschen vor längst vergangener Zeit gehaust haben, entdeckt wurden. Aufgearbeitet wird die Geschichte der Region multimedial im vor wenigen Jahren eröffneten Petroglyph Museum, wo auch viel Wissenswertes rund um die Schlammvulkane zu erfahren ist.

Informationen: Aserbaidschan Tourismusbüro, c/o Aviareps Tourism GmbH, Josephspitalstraße 15, 80331 München, Telefon 089-552533836 , aserbaidschan@aviareps.com, www.aserbaidschan-tourismus.de

Das Petroglyph Museum in Gobustan bereitet die Geschichte der Region anschaulich und multimedial auf. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Das Petroglyph Museum in Gobustan bereitet die Geschichte der Region anschaulich und multimedial auf. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Lage: Aserbaidschan liegt in Vorderasien zwischen dem Kaspischen Meer und dem Kaukasus. Es grenzt im Norden an Russland, im Nordwesten an Georgien, im Süden an den Iran und im Westen an Armenien sowie über die Exklave Nachtischewan an die Türkei. Vor der Unabhängigkeit 1991 war Aserbaidschan ein Teilstaat der Sowjetunion. Die Gesamtbevölkerung beträgt neun Millionen, wovon zwei Millionen in der Hauptstadt Baku leben.

Anreise: Lufthansa fliegt viermal wöchentlich direkt von Frankfurt am Main nach Baku. Turkish Airlines bieten von fast allen größeren deutschen Flughäfen tägliche Verbindungen via Istanbul nach Baku an. Der Preis für Hin- und Rückflug liegt im Mittel bei 600 Euro. Gobustan liegt rund 70 Kilometer südwestlich von Baku und ist von dort mit der Buslinie 195 oder einem Mietwagen bequem zu erreichen.

Gobustan Nationalpark und Petroglyph Museum: www.gobustan-rockart.az (Englisch)

Skulptur am Eingang zum Gobustan National Park. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Skulptur am Eingang zum Gobustan National Park. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Zeitverschiebung: Im Sommer ist Aserbaidschan der mitteleuropäischen Zeit drei Stunden, im Winter vier Stunden voraus.

Währung: Zahlungsmittel ist der Manat (AZN). Ein Manat entspricht etwa einem Euro. Die Münzen tragen den Namen Qəpik (Gepik).

Sprache: Offizielle Landessprache ist Aserbaidschanisch. Russisch ist aufgrund der sowjetischen Vergangenheit noch immer weit verbreitet. Mit Englisch kommt man außerhalb von Baku eher schwer zurecht. Durch die Gastfreundschaft der Menschen können Reisende sich aber gut mit Händen und Füßen verständigen. Geschrieben wird in Anlehnung an das Türkische – in lateinischer Schrift. Zuvor war das kyrillische Alphabet in Benutzung. Durch die Transkription ins lateinische Alphabet gibt es oft verschiedene Schreibweisen, was gerade bei Ortsnamen manchmal zu Verwirrung führen kann.

Strom: Die Spannung beträgt 220/240 Volt. Europäische Standardstecker können problemlos verwendet werden.

Auch nach Tausenden von Jahren gut zu erkennen: die Felsenzeichnungen von Gobustan. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Auch nach Tausenden von Jahren gut zu erkennen: die Felsenzeichnungen von Gobustan. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Essen & Trinken: Sizvansah, Salatin Asgerova 86, Baku, AZ 1006, Telefon 00994-12-5950901. Traditionelle aserbaidschanische Küche serviert in einem alten Hamam. Abendlich wird hier live Mugham-Musik gespielt.

The Landmark, 90A Nizami Street, Baku, Telefon 00994-12-465-2000, www.landmarkhotelbaku.com. Restaurant und Sky-Bar im obersten Stock des Hochhauses eröffnen herrliche Blicke auf das Regierungsgebäude und die Flame Towers. Die Küche ist aserbaidschanisch mit einer internationalen Note.

Art Garden, 22 Asef Zeynalli, Icheri Sheher, Baku, AZ 1006, Telefon 00994-12-4921331 www.artgraup.az. Charmantes Restaurant in einer alten Karawanserei nur einen Steinwurf vom Jungfrauentrum entfernt.

Zest Lifestyle Café, 674 Azadliq Square, Baku AZ1010, Telefon 00994-12-4998844. Das im JW Marriott Hotel gelegene Hotel bieten unter anderem eine exzellente vegetarische Küche an.

Tarihi Sultanahmet Koftecisi, Abdulkarim Alizade Street, Baku, Telefon 00994-12-4936193. Preisgünstige aserbaidianische Küche mit türkischem Einfluss.

Viel wächst zwischen den Steinen und Geröllmassen rund um Gobustan nicht. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Viel wächst zwischen den Steinen und Geröllmassen rund um Gobustan nicht. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Übernachten: Fairmont Baku, Flame Towers, 1A Mehdi Huseyn, Baku, AZ 1006, Telefon 00994-12-5654848, www.fairmont.com. Das Fünf-Sterne-Hotel in den Flame Towers bietet Zimmer ab 280 Euro an.

Jumeirah Bilgah Beach Hotel, 94 Gelebe Street, Bilgah Disrict, Baku, AZ 1122, Telefon 00994-12-5654000, www.jumeirah.com. Das direkt am Strand gelegene Fünf-Sterne-Haus bietet Doppelzimmer ab 220 Euro an. Eine Besonderheit ist hier der mit 54 Meter und 72.000 Lampen größte Kronleuchter der Welt.

New Baku Hotel, Hasan Aliyev Street 9C, Baku, AZ1010, Telefon 00994-12-4497338, www.newbakuhotel.com. Ein sehr ordentliches Mittelklassehotel mit Doppelzimmern ab 80 Euro.

Tipp: Die schönsten Impressionen aus der Region hat Autor Karsten-Thilo Raab unter dem Titel „Faszination Aserbaidschan“ in einem Wandkalender zusammengestellt. Erhältlich ist dieser in den Formaten A2 bis A5 je nach Größe für 18,90 bis 49,90 Euro im Buchhandel sowie unter anderem bei Amazon oder im Kalendershop des Mortimer Reisemagazins.



{google_map}Gobustan{/google_map}