Immunitätsrowdys – diplomatische Straffreiheit im Zeichen des Wiener Übereinkommens

Diplomaten bleiben qua internationaler Übereinkunft von Knöllchen verschont, was dazu führt, dass dem Staat Millionen an Strafgeldern durch die Lappen gehen. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Diplomaten bleiben qua internationaler Übereinkunft von Knöllchen verschont, was dazu führt, dass dem Staat Millionen an Strafgeldern durch die Lappen gehen. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Diplomatie ist bekanntlich die Kunst, sich mit Fingerspitzen durchzuboxen. Dabei ist der Diplomat stets bemüht, seine vielen Gesichter nicht zu verlieren. Mit der Folge, dass ein Diplomat in dem Bemühen, niemanden verletzen oder kränken zu wollen, gerne mal geschickt an der eigentlichen Frage vorbei antwortet. Auch sonst gilt der geneigte Diplomat eher als ein galanter Charmeur. Er ist jemand, der das Geburtsdatum einer Dame genau kennt, aber aus Höflichkeit vergisst, wie alt sie ist.

Doch die Diplomatie hat auch ihre Kehrseiten. Nicht von ungefähr konstatierte der englische Schriftsteller Sir Henry Wotton dereinst: „Diplomaten sind Leute, die man auf Reisen schickt, um zum Besten ihres Landes zu lügen.“ Eine Aussage, die wir an dieser Stelle nicht weiter werten wollen. Schließlich haben auch wir diplomatisches Gespür. Und Verallgemeinerungen liegen uns nun mal absolut nicht. Auch wenn wir an dieser Stelle durchaus einmal festhalten sollten, dass die in Deutschland lebenden Diplomaten ein stückweit an der Finanzmisere unseres Landes, speziell an der Armut unserer Hauptstadt Schuld sind.

Denn gemäß Artikel 31 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, kurz WÜD, genießt der Diplomat uneingeschränkt Immunität. Dies impliziert unter anderem, dass Diplomaten nicht der Strafgerichtsbarkeit des jeweiligen Gastgeberlandes unterliegen. Zudem sie die Diplomaten steuerbefreit, was viele scheinbar im doppelten Sinne interpretieren. Zum einen zahlen sie keine Abgaben an den Staat, zum anderen glauben sie, am Steuer frei zu sein. Dass heißt, Verkehrsregeln gelten im Normalfall nur für die anderen. In Berlin tummeln sich zahlreiche dieser hochdotierten Vertreter aus anderen Ländern. Und sie alle kennen scheinbar weder die Bedeutung von roten Ampeln, noch von Geschwindigkeitsbegrenzungen oder etwaigen Parkverboten.

Allein die Diplomaten aus Saudi-Arabien zeigten sich im vergangenen Jahr für rund 2100 Verstöße gegen die Verkehrsordnung verantwortlich. Unsere russischen, amerikanischen, chinesischen und italienischen Freunde brachten es im gleichen Zeitraum auf jeweils rund 1.000 Vergehen. So gesehen, vergeht kaum ein Tag, an dem nicht gut drei Vergehen pro Nation registriert werden.

San Diego Waldfired CoverAber das sind rein statistische Werte. Denn die Diplomaten genießen ja Immunität und sind somit knöllchen- und zahlungsbefreit. Quais eine Straffreiheit von Amts wegen. Keine Wunder, dass bei Berliner Behörden eine gewisse Wut gegenüber dem WÜD besteht. Rund 275.000 Euro gingen der Stadt aufgrund immuner Verkehrsrowdys durch die Lappen. Da fragt sich manch einer schon, warum er immer vor roten Ampeln hält oder den Wagen nicht in der Fußgängerzone abstellt? Ein D auf dem Nummerschild reicht eben nicht. Macht braucht noch ein C davor.

Buchtipps: Karsten-Thilo Raab: Thekenbrust & Zackendruse, Westflügel Verlag, ISBN 978-3-939408-11-6, 12,50 Euro. Erhältlich ist das Buch im Buchhandel oder direkt beim Verlag.

Karsten-Thilo Raab: San Diego Waldfried,  (ISBN: 978-84-9015-620-9). Erhältlich ist der Kolumnenband im Buchhandel, direkt beim Verlag oder online zum Preis von 20,90 Euro.