Gleich hinter New Orleans, nicht weit von Lafayette und Baton Rouge, der Hauptstadt von Louisiana, beginnen die „Wetlands“. In ihre urwüchsige Natur dringen nur wenige Touristen vor. Das größte Sumpfgebiet der USA, ein System aus Altarmen des Mississippi, Marschen, Seen mit Sumpfzypressen-Wäldern, erstreckt sich über knapp 30 Kilometer in der Breite und an die 240 in der Länge südwärts bis zum Golf von Mexiko – mächtiger als die Everglades in Florida.
Die Anreise zur Anlegestelle hat es in sich. Über Kilometer geht es auf Stelzen über die Interstate 10, die vor etwa 30 Jahren über die „Swamps“ gebaut wurde. Dazu mussten mehr als 60 Kilometer Pfähle – die meisten höher als die Sumpfbäume – in den nassen Untergrund gerammt werden, sensationell! Unaufgeregt begrüßt Pilot Roger die Gruppe am Airboat-Treffpunkt in Henderson im Atchafalaya Basin. „Hier ist man in einem anderen Kosmos. Kein Hupen, kein Handy, totale Entspannung“, schwärmt er.
Zwischen Wasserschlangen und Alligatoren
Feuchtheiße, drückende Mittagsschwüle – zumeist 28 Grad Celsius – macht das Atmen schwer. Die Rettungswesten sind schnell angelegt, die Fotogeräte in Position gebracht. Die Besucher sitzen in kleineren überdachten, sonst offenen Booten und lassen sich durch die Wasserläufe, die Bayous, fahren. Dort sind Wasserschlangen, Biber, Waschbären und Alligatoren noch unter sich. Zum Glück fährt man nicht auf den flachen Propeller-Airboaten, wie sie durch die Everglades rasen und mit ihrem Höllenlärm Umwelt und Tierwelt belasten.
Die „Airboat Swamp Tour“ beginnt. Mit sachten Bewegungen, als quere er einen See aus Nitroglyzerin, steuert Roger sein Boot langsam durch einen sattgrünen, dichten Teppich aus Algen – einer Art „Enten-Linsen-Grütze“. Vorbei zieht er an tropischen Pflanzen und Bäumen, die sich mit weit ausholenden Wurzelstöcken so fest in den Sumpfboden krallen, dass auch Hurrikans sie nicht umwerfen können. Das spanische Moos, das von den Ästen der Sumpfeichen in langen, graugrünen Strähnen herabhängt, schafft eine besondere Magie. Etwa 65 Arten von Reptilien und Amphibien, an die 200 verschiedene Vögel bewohnen das Becken.
Im Schatten der Luftwurzeln
Sprenkel von Sonnenstrahlen verwandeln knorrige Bäume und üppige Sträucher in eine Märchenwelt. Ab und zu knackt es im Unterholz, es kreucht und fleucht über, unter, neben dem Boot. Schwerfällig plumpst etwas ins Wasser – ein Ochsenfrosch fühlt sich gestört. Am Himmel kreist der Fischadler.
Der Wasserlauf riecht herb wie frische Borke. Bemooste Äste greifen aus dem dichten, dunklen Wald wie mit dünnen Armen in den blauweißen Himmel. Nichts scheint die Tierwelt, besonders die brütenden Vögel, zu stören. Ein blütenweißer Reiher steigt aus den Sümpfen auf. Soweit das Auge schaut grasgrüne Algenflecke, welliges Wasser, unzählige Sumpfzypressen, die mit ihren markanten Luftwurzeln und bizarr geformten Stämmen aus dem flachen Wasser wachsen. Nach wenigen Bootsminuten sind Lärm und Hektik der Städte vergessen.
Auge in Auge mit dem Reptil
Auf einer algenfreien Wasserfläche stellt Roger den Motor aus. Plötzlich schlagen die Wellen höher und kräftiger und da ist er, ganz nah – dieser gefräßige, wendige, nicht allzu große Alligator, vor dem die Menschen so großen Respekt haben. Er bedenkt die „Boatpeople“ nicht einmal mit einem Blinzeln. Streckt lieber seinen langgestreckten Kopf kurz über die Wasseroberfläche, taucht wieder weg, um Sekunden später auf der anderen Seite ganz dicht am Boot „zu ankern“. Reißt sein Maul auf, die furchterregenden Zähne blitzen kurz. Unmissverständlich fordert er seine Ration Hühnerfleisch ein.
Die Bootsführer sind mit Flora und Fauna der Sümpfe bestens vertraut. Sie kennen die Stellen, an denen sich die Reptilien aufhalten. Leider hat es sich über die Jahre eingebürgert, sie zu füttern, damit Touristen die Monsterviecher garantiert vor ihre Kameras bekommen – zur Sorge der Ranger und Naturschützer! Die befürchten, dass die Tiere die Scheu vor Menschen verlieren und ihnen damit gefährlich werden, sie andererseits auch abhängig von der verlässlichen Fütterung werden könnten. Die Folge wäre, dass sie selbst nicht mehr auf Nahrungssuche gingen – eine schreckliche Vorstellung.
Beeindruckende Flora und Fauna
Das Boot surrt vorbei an Bäumen, Büschen, an aufgetürmten Zweigen – Bauten von Bibern, die kurz dahinter Dämme errichtet haben. Farbtupfer in dem allgegenwärtigen Grün sind lila blühende Wasserhyazinthen. Man kann sich nicht satt sehen daran. Vor der Kulisse von Laubbäumen bewegt sich heftig das braungrüne Wasser: diesmal sind es drei der dunkelbraun gepanzerten Genossen, die in schnellen, eleganten Bewegungen das Boot umkreisen, sie warten auf ihre „Beute“.
Kaum haben sie die hungrigen Mäuler aufgerissen, sind die leckeren Hühnerbeine schon verschlungen. Dabei fixieren die runzeligen Augen diesmal das fremde Gefährt, bevor sie blitzschnell wieder abtauchen. „Ihr müsst wiederkommen: den Anhinga, den Schlangenhalsvogel, den Rosalöffler und unsere Schwarzbären konnte ich euch nicht zeigen“, bedauert Roger auf dem Rückweg.
Geschichte von Cajun-Country
Neben der Natur faszinieren die Menschen der „Wetlands“ und ihre Kultur. Vor über 300 Jahren erreichten Siedler aus der Bretagne über Ostkanada – nach langem Umherirren aus politischen und religiösen Gründen – das Südufer des Mississippi, nannten ihre neue Heimat Acadia – daraus wurde Cajun, später Cajun-Country.
Von den „Swamps“ hatte damals noch niemand Besitz ergriffen – dem „nassen Vorhof zur Hölle“, wie man in Louisiana sagte. Die Einwanderer ließen sich nicht schrecken, bauten ihre Häuser in die „Wetlands“, vor Hochwasser schützte man sich mit Pfahlbauten. Sie waren und sind Künstler im Bootsbau. Die „Bayous“ und das Meer lieferten ihnen Fisch, Krebse und Shrimps, Leder aus Alligatorhaut war ein begehrtes Tauschmittel.
Schmackhafter Cajun-Eintopf Jambalaya
Ihre Nachkommen halten das Erbe lebendig, zum Beispiel im historischen Vermilionville Folkloredorf nahe Lafayette. Engagiert erzählt Touristenführer Jay über das Leben während der Kolonialzeit Ende des 18. Jahrhunderts bis Ende des 19. Jahrhunderts.
„Man saß gesellig vor den Zelten oder offenen Veranden, kochte gemeinsam den typischen Cajun-Eintopf Jambalaya aus Gemüse, Knoblauch, scharfer Wurst, Hühnerfleisch und Schinken. Abends beim Lagerfeuer wurden die Musikinstrumente Akkordeon, Fiedel und Gitarre angestimmt; es wurde gespielt, gesungen und getanzt – mitreißend, wie es in Cajun-Siedlungen bis heute üblich ist“.
Informationen: Fremdenverkehrsamt Louisiana/New Orleans, Wiechmann Tourism Service, 60385 Frankfurt, Tel.: 069-255 38-0, info@wiechmann.de; www.wiechmann.de
Anreise: Flug beispielsweise mit Delta Airlines ab Frankfurt/M. über JFK-New York nach New Orleans.
Tipps für Louisiana
Erleben: Museums- und Parktour durch Houmas House Estate und Gardens; Führung durchs Old State Capitol von Baton Rouge, dem höchsten der USA; 90-minütige Airboat Swamp Tour im Atchafalaya Basin in Henderson, LA 70517; Auf der Tour durchs Museumsdorf Vermilionville von Lafayette wird die Kultur der Acadier, Creolen, der Ureinwohner Amerikas lebendig. Cajun Jam Musik und Tanz in Lafayette im Blue Moon Saloon – der Honky Tonk ist Treffpunkt von Weltreisenden, Familien, Künstlern, Politikern, Einheimischen u.a. – in Avery Island auf der TABASCO Fabrik-Tour erfährt man alles über die weltberühmte Pfeffersauce.
Essen: „Vom „Winde verweht“-Flair vermittelt ein Dinner am langen Tisch mit allen Hotelgästen im Houmas House. – In Baton Rouge z.B. Frühstück im Simple Joe Café, Lunch im Capital City Grill – Dinner im Stroube’s Seafood and Steaks. In Lafayette werden im Johnsons’s Boucaniere Räucherwaren nach original Südstaaten-Rezepten serviert.
Unterkunft: Plantation Houmas House Estate und Gardens; es versprüht den Glanz der Alten Welt, Darrow, LA 70725; Hilton Baton Rouge Capital Center, LA 70801; das Double Tree by Hilton in Lafayette, LA 70503.
Katharina Büttel
lebt und arbeitet als freie Reisejournalistin in Berlin. Über 30 Jahre reist sie für ihre Reportagen und Fotos um die Welt – seit vielen Jahren veröffentlicht sie auch im Mortimer-Reisemagazin.