Fetzige Faschingsbräuche im Salzkammergut

Skurile Masken sind fester Bestandteil der Fetzenumzüge in Ebensee im Salzkammgut. (Foto Udo Haafke)
Skurile Masken sind fester Bestandteil der Fetzenumzüge in Ebensee im Salzkammgut. (Foto Udo Haafke)

Faschingmontag. Pünktlich um 15 Uhr setzt sich der Fetzenumzug am Ausgangspunkt bei der Neuhüttn im Ebenseer Ortsteil Kohlstatt zu den Klängen des Parapluie-Marsches in Bewegung. Eine lokale Combo intoniert lautstark mit Pauken und Trompeten die längst zur Hymne, zum Fetzenmarsch mutierte Weise. Mit diesem schmissigen Klanginferno erreichen die „Ebenseer Nationalfeiertage“ ihren ultimativen und spektakulären Höhepunkt.

Nicht Kleider, sondern Fetzen machen Narren in Ebensee. (Foto Udo Haafke)
Nicht Kleider, sondern Fetzen machen Narren in Ebensee. (Foto Udo Haafke)

Wunschgemäß setzt zudem leichter Nieselregen ein, der indes die fröhliche Atmosphäre nicht mindert. Im Gegenteil. Augenscheinlich sehnen sich die zahlreichen Umzugsteilnehmer, die Faschinggänger, geradezu nach der etwas gräulichen, kühl-feuchten Stimmung, können sie doch nun erst recht mit ihren urigen, löchrigen Schirmfragmenten umher wedeln.

„Hübsch häßliches Kostüm trägst! Du! Sogst jetzt was?“ – Ironische und sarkastische Pöbeleien prasseln immer wieder unvermittelt auf unschuldige, ganz normal gekleidete Zuschauer am Wegesrand ein, mitunter wird sachte geschubst oder gestoßen, oft auch Hochprozentiges derbe angepriesen. Lachend weicht das Publikum vor den flegelhaften Auftritten der närrischen Fetzen zurück. Einige nehmen die ruppigen Angebote an, andere gehen gar auf heftige Diskussionen ein, die von den fetzigen Akteuren wild gestikulierend geführt werden und meist in wüsten Beschimpfungen enden. Der ganze, aufgestaute Unmut eines Jahres entlädt sich hier auf beeindruckende, wenn auch recht rüde Weise.

Rustikale im Fetzendesign zurechtgemachte Schubkarren, Kinderwagen und andere zwei- bis vierrädrige Gefährte, die zum Transport der faschingsüblichen Verpflegung dienen, werden hin und wieder als unfreiwilliges Taxi missbraucht. Wer in der ersten Reihe steht, läuft nämlich mitunter Gefahr, auf das Vehikel gezerrt und in den nächsten Schneehaufen katapultiert zu werden. Blaue Flecken inklusive.

Die Masken sorgen dafür, dass die Narren unerkannt bleiben. (Foto Udo Haafke)
Die Masken sorgen dafür, dass die Narren unerkannt bleiben. (Foto Udo Haafke)

Dieses Benehmen ist leicht zu erklären: tragen sie doch ein Kostüm, ein lumpenartiges Gewand aus aberhunderten von bunten Stofffetzen, und eine mächtige Maske, die sie für ihr Gegenüber absolut unkenntlich macht. Somit bietet diese traditionsreiche Faschingsveranstaltung am Südufer des Traunsees eine ideale Gelegenheit einmal so richtig über die Stränge zu schlagen ohne erkannt zu werden, denn selbstverständlich wird auch noch die Stimme verstellt. Schräges Gekreische, schrille Wortwechsel mischen sich alsbald mit den wohlklingenden Rhythmen der Marschmusik.

Mit Schirmen und Fetzen ziehen die Narren durch Ebensee. (Foto Udo Haafke)
Mit Schirmen und Fetzen ziehen die Narren durch Ebensee. (Foto Udo Haafke)

Faschingsrituale haben historisch betrachtet den Sinn, den Winter zu vertreiben, den herannahenden Frühling einzuläuten. Auch Fruchtbarkeit und Glück erhofften sich die Menschen damals mit exzessiven Gelagen vor der anschließenden strengen Fastenzeit zu beschwören. Groteske Verkleidungen und Maskeraden jagten die bösen Geister fort, die man, weil unerkannt, ja nicht zu fürchten hatte.

Im Salzkammergut wurde es während des 17. Jahrhunderts allgemeiner Usus den Nachmittag des Faschingsdienstag arbeitsfrei zu geben, wobei der Lohn für diesen Tag trotzdem gezahlt wurde. Doch selbst das Jahr 1733 wurde von akuten, drastischen Sparzwängen nicht verschont.

Per Erlass durften die Arbeiter der Salinen und Bergwerke ihren Arbeitsplatz an diesem speziellen Tag plötzlich eben nicht mehr verlassen. Sie taten es trotzdem, protestierten geräuschvoll und vehement drohend bei den verantwortlichen Behörden, die reichlich kleinlaut daraufhin die Verfügung wieder aufhoben. Noch heute ist der aufrührerische Geist dieser Faschingsdienstagsrevolte zu spüren.

Auch kleine Narren haben ihren Spaß beim Fetzenumzug. (Foto Udo Haafke)
Auch kleine Narren haben ihren Spaß beim Fetzenumzug. (Foto Udo Haafke)

Fortan gewann der Fasching nun an Bedeutung, man trug Kostüme, bildete Gruppen, organisierte kleinere spontane Umzüge, dehnte die Festivitäten auf drei tolle Tage aus. Erstmalig taucht 1904 in den Chroniken der Begriff „Fetzen“ auf. Die „Faschinggänger“, die damals in kleineren Grüppchen durch die Wirtshäuser zogen, trugen nicht die allerbeste Kleidung, waren nicht besonders herausgeputzt.

Schlechtes Wetter trug wohl zusätzlich dazu bei, dass alte Kleider aus der Mottenkiste hervorgekramt, notdürftig zusammengeflickt und getragen wurden. Aus dieser Notwendigkeit heraus entstand dann letztlich das, was heute als bunter Fetzenumzug weit über das Salzkammergut hinaus bekannt ist und alljährlich am Faschingsmontag zahlreiche Besucher anlockt. 50 Jahre später wurde die erste Fetzenfahne mitgeführt, die heute lustig aus vielen Fenstern des Dorfes heraus flattert und beinahe jede Straßenlaterne ziert.

Die Kostüme sind allesamt handgefertigte Unikate. (Foto Udo Haafke)
Die Kostüme sind allesamt handgefertigte Unikate. (Foto Udo Haafke)

Obwohl in mühsamer Kleinarbeit vernäht, wird wenig auf die Haltbarkeit des fetzigen Kostüms geachtet, das bald bei einigen Kostümträgern triefend nass und dreckig über das Straßenpflaster schleift. Aufwändige Handarbeit ist auch das Markenzeichen der getragenen Masken, die unterschiedlichste Fratzen und Gesichter darstellen. Oft grotesk verzerrt, hämisch grinsend oder böse blitzend. Sie werden sorgsam aus Holz geschnitzt, zu Hause an langen Winterabenden. Im Laden käuflich zu erwerben sind sie nicht, Individualität ist angesagt, Massenware, gar aus Plastik, schlicht verpönt. Nicht selten karikieren die Larven lokale politische Größen, hin und wieder auch Persönlichkeiten aus dem Weltgeschehen und lassen den alten Revolutionsgeist aufleben.

Neben den maskierten Fetzen ist das Kostüm des karierten Harlekins sehr populär, vor allem bei den Kindergruppen und den Musikern. Weiß als bestimmende Grundfarbe nahezu sämtlicher Kostümierungen spiegelt die kalte Jahreszeit wider, während Farben aller Schattierungen sich daraus bunt und fröhlich als Vorboten der herannahenden Wärme hervorheben.

Blasmusik darf beim traditionellen Fetzenumzug nicht fehlen. (Foto Udo Haafke)
Blasmusik darf beim traditionellen Fetzenumzug nicht fehlen. (Foto Udo Haafke)

Die Ausgelassenheit und überschwängliche Vergnüglichkeit der Zugteilnehmer setzt sich nach dem gut zweistündigen Marsch hinunter ins Zentrum Ebensees in den Gassen und besonders den Wirtshäusern und Gaststuben fort. Dies bis weit in den frühen Morgen hinein. Es wird gesungen, gegrölt, getanzt und gelacht.

Das Dorf befindet sich in einem fesselnden Rausch, einer Art Ausnahmezustand, der selbst am Morgen des Faschingdienstag noch anzuhalten scheint, denn längst nicht alle Fetzen haben den Weg zurück in die heimischen vier Wände gefunden. Vereinzelt hallt der Schlachtruf durch die Straßen, bereits voller Vorfreude auf die kommenden Nationalfeiertage: Faschingtag, Faschingtåg, kimm na bald wieda; wann ma koan Geld nit habn, schern ma di nieda, Hutzn, Fetzn, Lempn auf und nieda, hin und he – alles fährt nach Ebensee.

Die Maske sind ebenso wie die originellen Kostüme echte Blickfänge. (Foto Udo Haafke)
Die Maske sind ebenso wie die originellen Kostüme echte Blickfänge. (Foto Udo Haafke)

Allgemeine Informationwww.oberoesterreich.at

Tourismusbüro Ebensee am Traunsee:  www.traunsee.at/ebensee

Termin: Die Ebenseer Nationalfeiertage beginnen am Faschingssamstag (6. Februar 2016) mit dem Faschingsumzug der Kinder, am Sonntag folgt traditionell der Große Umzug, Montag dann der Fetzenmarsch. Der Faschingsdienstag hat noch einmal eine Veranstaltung für die Kinder im Programm: Nuß-Nuß heißt es nun, dabei werden Süßigkeiten, Nüsse und Apfelsinen in die Kindermenge geworfen. Alles endet wehmütig mit dem Fetzenverbrennen und anschließendem Heringsschmaus am Aschermittwoch (10. Februar 2016). Während der tollen Tage finden zudem zahlreiche Bälle und Konzertveranstaltungen statt. Weitere Informationen unter www.ebenseerfasching.at

Übernachten: Idealer Aufenthaltsort, weil direkt im Ortskern gelegen, das traditionsreiche Hotel und Parkhotel Post. Hauptstraße 19, A-4802 Ebensee, Telefon 0043-6133-5208, www.hotel-post-ebensee.at.

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