Die Zuschauer in Katalonien feuern im wahrsten Sinne des Wortes die Fackelläufer an. – Foto: Susanne Timmann
Tiefschwarze Dunkelheit liegt über Durro, dem kleinen Bergdorf in Katalonien. Eine spürbar angespannte Stimmung flimmert durch die alten Gässchen. Heute, der Freitag, der dem 16. Juni am nächsten liegt, ist der Tag der Tage. Der Tag, an dem die Jahrhunderte alte Tradition wieder zum Leben erwacht.
Schon Monate vor dem großartigen Ereignis fiebern die 56 Bewohner von Durro diesem wichtigen Datum aufgeregt entgegen. Das harzhaltige Holz für die berühmten, traditionellen Fackeln, den Fallas, muss geschlagen, getrocknet, gesägt und dann in derselben Art und Weise, wie es bereits die Vorfahren gemacht haben, zu den bis zu mehreren Kilogramm schweren Fackeln zusammen gebaut werden. Groß und Klein sitzt zusammen, schnitzt und schreinert und auch das eine oder andere Gläschen Rotwein fällt der Tradition zum Opfer. Der Duft von frischem Holz liegt in der Luft.
Kultur und Tradition
Die Fallas sind Kultur … – Foto: Susanne Timmann
Doch nicht nur in den spanischen Pyrenäen wird die uralte Tradition der Fallas noch gelebt. Insgesamt 63 Dörfer, die teils auch in Frankreich liegen, lassen das Schauspiel jedes Jahr wieder erwachen. Dank gilt den Göttern für die ertragreiche Ernte, dem Beginn des Sommers mit gutem Wetter und die bösen Geister werden vertrieben.
Seit 2015 sind die magischen Fallas zum Immateriellen Kulturerbe der UNESCO erklärt worden. Jedes Dorf hat seine eigene Tradition und vor allem seine eigenen Fallas. Und das schon seit der Antike. Mancherorts war das geheimnisvolle Brauchtum bereits eingeschlafen und wurde inzwischen wieder zum Leben erweckt.
… und Tradition. – Foto: Susanne Timmann
Hoch droben, im alten Dörfchen Durro, mit seinen aus dunklen Steinen und oft noch uralten, handgeschlagenen Dachschindeln bedeckten Häusern, schlummerte das traditionelle Fest auch einige Zeit. Doch nun gehört es zum festen Bestandteil des Dorflebens. Der „wilde Moment“, wie Maria Farré die im Nachbardorf wohnt, den Beginn der Fallas für die Erwachsenen bezeichnet, startet traditionell um etwa 22 Uhr.
Einer nach dem anderen der 150 Fallaires, den Fackelträgern, die sich aus den Bewohnern von Durro und Freunden zusammen setzen, schleppten ihr Fallas circa eine halbe Stunde auf den Berg. Dieser liegt direkt gegenüber dem Ort, hoch geht es bis zur kleinen Kapelle.
Jede Gegend hat ihre eigene Tradition
Maria Farré zeigt die Fackel, die Fallas von Durro. – Foto: Susanne Timmann
Maria Farré, in ihrem sportlichen Wanderoutfit, erklärt weiter: „Mindestens eine Woche vorher wird die Feuerstelle oben am Berg vorbereitet. Restholz vom Vorjahr wird mit einigen, neuen Baumstämmen zu einem riesigen, brennbaren Baum zusammen gestellt.“ Dann erzählt sie, mit einem Grinsen im Gesicht weiter: „Früher hat man auch mal die vorbereite Feuerstelle des Nachbardorfes eine Nacht vorher angezündet! Das war sehr unschön für die Leute. Es musste alles innerhalb eines Tages wieder neu aufgerichtet werden,“ und Maria ergänzt immer noch verschmitzt lächelnd „heute machen wir das aber nicht mehr.“
Dann erzählt sie erzählt weiter: „Der am kürzesten verheiratete Mann läuft am Anfang – wenn er mag und sich das zutraut. Immerhin hat der erste Läufer den schwierigsten und gefährlichsten Part. Niemand vor ihm beleuchtet den in der Dunkelheit der Nacht liegenden steilen, steinigen Weg!“
Geschafft! Die Feuerstelle zum Entzünden der Fallas ist erstellt. – Foto: Susanne Timmann
Endlich ist es soweit, das Fest der Fallas beginnt. Die alten Kirchenglocken fangen im ganzen Dorf an zu schlagen. Mystische Stimmung breitet sich aus. Das wilde Geplapper der gespannten Zuschauer erlischt. Alle Blicke richten sich gespannt zum nachtschwarzen Berg gegenüber. Wer sieht die erste Flamme? Das Glockenläuten nimmt kein Ende.
Fast meditativ klingt das eintönige Gebimmel. Doch noch ist kein Lichtlein an Horizont zu erspähen. Geheimnisvoll schallen die Laute über das Dorf, hinauf in die Berge, hinunter ins Tal. Dann erklingen die ersten Rufe, die aber den eintönigen Klang der Kirchenglocken nicht übertrumpfen können.
Großer Andrang am Tag der Tage
Im kleinen Bergdorf Durro wird jeder Parkplatz belegt. – Foto: Susanne Timmann
Plötzlich tauchen aus der Dunkelheit die kleinsten Fackelläufer mit gerade mal drei, vier Jahren auf. Oft noch an den Händen der stolzen Eltern, laufen sie durch das Dorf. Etwas außerhalb wurde gemeinsam ein kleines Feuer entfacht und die mini Fallas angezündet. Mit wildem Applaus werden die kleinen Helden und Heldinnen im Dorf begrüßt.
Wie mutig die kleinen Augen glänzen. Aber auch Erleichterung ist zu spüren. Stolz und doch noch aufgeregt, sind die jungen Fallaires ab zehn Jahren. Hier startet der wilde Fackellauf etwas weiter oben an der Straße bei der alten Mühle. Begeistert werden auch die Tapferen im Dorf willkommen geheißen und euphorisch gefeiert.
Die Kirchenglocken sind nach dem Lauf der jungen Fackelträger erlöschen. Das aufgeregte Geplauder der Zuschauer legt wieder sich über die alten Steine und Gassen. Dann hallt ein Salutschuss vom Berg herüber. Aber noch immer hüllt der sich in tiefe Dunkelheit. Die Erwachsenen Fallaires essen und trinken zusammen und bereiten sich auf den rutschigen, gefährlichen Lauf zum Dorf vor.
Einige Zeit später, alle in aufgeregter Erwartung, ertönt ein weiterer Böller durch die klare, dunkle Nacht. Ein gemeinsames Gebet soll die mutigen Läufer vor den Gefahren des anspruchsvollen Laufs mit den schweren, lichterloh brennenden Fackeln schützen.
Fallas überall
Die Fackeln sind fast überall zu finden. – Foto: Susanne Timmann
Und wieder erschallen die hypnotischen Kirchenglocken. Endlich wird das große Feuer entfacht. Nur langsam tanzt der eine oder andere Lichterfunke zu den Wartenden herüber. Geht das Feuer nicht an? Und dann endlich, das auflodernde Feuer leuchtet am Bergeskamm. Der Baum brennt lichterloh. Schnell zweigt sich eine Feuerflamme nach der anderen ab. Die Fallas werden entzündet. Das heiße Schauspiel nimmt seinen Lauf.
Im Dorf sind zwei Runden zu bewältigen. – Foto: Susanne Timmann
Allmählich erscheint sogar das kleine Kirchlein oben am Berg in einem zarten, rötlichflackernden Licht. Mehr und mehr der schweren, selbstgebauten Fackeln stehen hell in Flammen. Und dann geht es los! Die Walze aus brennenden Fallas schlänget sich wie eine riesige Schlange aus loderndem Feuer in Serpentinen den Berg hinab. Dichte Trauben aus faszinierten Zuschauern bilden sich. Jeder will einen ersten Blick auf die mutigen Frauen und Männer erhaschen, die mit ihrem Einsatz diesen Tag so besonders machen. Und dann ein lautes Jubeln und Anfeuern. Die ersten Fallaires werden gesichtet.
Geheimnisvolle Fallas, die Fackelläufe in Durro. – Foto: Susanne Timmann
Die klatschenden Zuschauer feuern, im wahrsten Sinne des Wortes, die mutigen Fallaires an. Lange, heiße Funken ziehen die Fallas hinter sich her. Verschwitzt und euphorisch rennen die Fackelträger zweimal durchs Dorf. Ein unglaubliches Spektakel. Bei allen Zuschauen springt der Funke der Begeisterung über. Rauch legt sich über das Bergdorf. Jede Pore riecht nach frischem Rauch.
Irgendwann riecht alles nach Feuer
Am Ende zerfallen die Fallas in Asche und Rauch. – Foto: Susanne Timmann
Die so liebevoll gearbeiteten Fallas finden ihr Ende in einem großen Johannisfeuer und zerfallen zu Rauch und Asche. Dann beginnt die ausgelassene Party für Alle am Dorfplatz mit Livemusik, Essen, Trinken und der Dankbarkeit, dass alle Fallaires wohl behalten in Durro angekommen sind.
Die Fallaires an fast jeder Ecke. – Foto: Susanne Timmann
Im Taxi, der die Besucherschlangen ins Tal fährt, erzählt Maria Farré „Man fühlt sich unglaublich toll, wenn man dann endlich das erste mal mit den Erwachsenen laufen darf, dann mischt sich die Glut der Fallas mit der Hitze des Lampenfiebers.“ Ihre Augen schwelgen in Erinnerungen. „So geht es bei den Fallas auch definitiv um das Erwachsenen werden!“
Weitere Information und Wissenswertes über die Fallas und Katalonien
Sant Joan de Boí, eine der neun Kirchen des Romantik Ensembles im Vall de Boí
Informationen zur Region Terres de Lleida beim Patronat de Turisme mit weiteren Tipps
Die Recherche fand auf Einladung/mit Unterstützung des Spanischen Fremdenverkehrsamtes statt.
Susanne Timmann
lebt im Rheinland, ist aber in der Welt zuhause. Seit 2022 fungiert sie als stellvertretende Chefredakteurin des Mortimer Reisemagazins, für das sie Beiträge in Wort und (Bewegt-) Bild über Destinationen weltweit verfasst.
Die ostenglische Hafenstadt Whitby steht ganz im Zeichen von Bram Stokers Vampir-Figur Graf Dracula, des berühmten Whitby Jets und von Entdecker James Cook. Mächtig groß sind sie. Noch dazu gut gesättigt und überaus gierig. Mit […]
Die 13 Bundesstaaten Malaysias sowie die drei Bundesterritorien verzaubern allesamt mit einer ganz eigenen Atmosphäre, Geschichte sowie endlosen Entdeckungen und Aktivitäten. Als Juwel der malaysischen Halbinsel gilt der Bundesstaat Selangor, der an der Westküste gelegen […]
In Tirol ist eine Wanderung keine eindimensionale Angelegenheit. Viele Touren stehen für Abenteuer, Zeitreisen und Grenzerfahrungen. Denn in Tirol lassen sich zahlreiche Landesgrenzen beim Wandern überschreiten – nach Bayern, Südtirol oder in die Schweiz. Dabei […]
Mortimer Reisemagazin
Cookie-Zustimmung verwalten
Um dir ein optimales Erlebnis zu bieten, verwenden wir Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wenn du diesen Technologien zustimmst, können wir Daten wie das Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn du deine Zustimmung nicht erteilst oder zurückziehst, können bestimmte Merkmale und Funktionen beeinträchtigt werden.
Funktional
Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.